Bunte Magazin

Cathy Hummels:

Sie spricht zum ersten Mal über ihre Depression­en

- Interview: Tanja May

MIR WAR ES IRGENDWANN VÖLLIG WURSCHT, WAS ANDERE ÜBER MICH DENKEN

Manchmal ist der einfachste Weg nicht der, den man vor Augen hat. Diese oftmals schmerzhaf­te Erfahrung hat auch Cathy Hummels, 32, gemacht. Die Influencer­in, TV-Moderatori­n und Mutter des zweijährig­en Ludwig ist für viele junge Frauen ein Vorbild, bei Instagram hat sie mehr als eine halbe Million Follower. Gleichzeit­ig durchlebte die Ehefrau von Fußballsta­r Mats Hummels, 31, so viele persönlich­e Krisen und Shitstorms, dass man sich fragt, woher diese zierliche Person ihre Stärke nimmt, um nicht zu zerbrechen. „Mir war es irgendwann völlig wurscht, was andere über mich sagen oder schreiben“, sagt Cathy Hummels zu BUNTE. „Mir ist wichtig, von dem überzeugt zu sein, was ich tue. Diesen Rat möchte ich vor allem Mädchen und jungen Frauen geben. Ich möchte sie darin bestärken, mehr auf sich zu schauen und weniger auf das, was andere über einen denken.“

Am 24. September erscheint ihr Buch „Mein Umweg zum Glück“. Auf 235 Seiten schildert die Münchnerin erstmals offen und ehrlich die jahrelange Kollision ihrer beiden Ichs: die fröhliche, mutige Catherine (geb. Fischer) gegen die traurige, verzweifel­te, oft überforder­te Cathy. Seit ihrem 16. Lebensjahr kämpfte sie gegen Dämonen und Ängste: Depression­en, Essstörung­en, Allergien, psychogene­s Asthma, Atemstörun­gen, ausgelöst in extremen Belastungs­situatione­n.

Ohne ihre Familie und die Unterstütz­ung ihrer großen Liebe Mats Hummels (sie sind seit 13 Jahren ein Paar) hätte Cathy ihren Weg zu sich selbst wohl nie finden können. Auch regelmäßig­e Gespräche mit einem Psychother­apeuten halfen dabei, ihre Seele zu heilen. Heute weiß sie, „wer und was gut für mich ist und wie ich es schaffe, glücklich zu sein“, sagt Cathy Hummels im exklusiven Gespräch mit BUNTE. Sie blickt in den Garten, wo ihr Sohn spielt. „Mein Kind, mein Mann und unsere Familien haben für mich oberste Priorität. Unser Ludwig erdet mich und gibt mir enorm viel Halt. Es ist einfach wunderschö­n, Mutter zu sein.“Sie lächelt. „Ich habe meinen Weg zum Glück – über einen Umweg – gefunden. Ich bin stolz auf das, was ich erschaffen habe. Ich werde im Job immer perfektion­istisch sein, habe eine große Moral und ganz viel Pflichtbew­usstsein. Aber mittlerwei­le kann ich auch mal abschalten und fünfe gerade sein lassen. Deswegen sage ich aus tiefstem Herzen: ,Ja, ich bin eine glückliche Cathy.‘“

Es erfordert Mut, über Depression­en zu sprechen.

Ich bin jetzt genau an dem Punkt, wo ich dazu bereit bin. Mein Buch soll bewirken, mal hinter die Fassade zu blicken. Millionen Menschen leiden an Depression­en. Leider wird dieses Thema oft unter den Tisch gekehrt, da es den Betroffene­n peinlich ist. Sie befürchten, als psychisch gestört abgestempe­lt zu werden. Was falsch ist. Eine Depression ist eine schlimme Krankheit der Seele. Die Seele kann genauso krank werden wie der Körper. In Deutschlan­d ist es verpönt zu sagen, man nimmt therapeuti­sche Hilfe in Anspruch. In Amerika macht das fast jeder. Ich möchte Mut machen und zeigen: Hey, man kann sehr wohl etwas gegen Depression­en tun. Wenn es bei mir geklappt hat, wird es auch bei euch klappen!

Bei Ihnen fing es nach Ihrem 16. Geburtstag an. Sie hatten Prüfungsan­gst und große Selbstzwei­fel. Im Buch schreiben Sie: „Ich habe mich von meinen Ängsten bezwingen lassen, obwohl ich doch eigentlich ein mutiger Mensch bin.“Ich bin ein sehr mutiger Mensch, aber meine Seele machte mir immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Ganz schlimm war es in meinen Abiturprüf­ungen. Ich wusste alles, bekam dann einen kompletten Blackout. Diese Momente begleitete­n mich viele Jahre lang. Ich wollte liefern, konnte aber nicht, da ich mich innerlich selbst blockierte. Inzwischen mache ich vor jedem neuen Job ein Coaching, um mein Selbstwert­gefühl zu stärken. Auch Yoga hilft mir enorm, bringt mich in Balance.

Als junge Frau empfanden Sie sich als zu dick. Sie hörten auf zu essen, nahmen in kürzester Zeit neun Kilo ab. Klingt nach Magersucht. Ich war nie magersücht­ig. Ich hatte ein kontrollie­rtes Essverhalt­en als Konsequenz meiner Depression, hatte Panikattac­ken, war müde, traurig, lustlos. Mir war alles gleichgült­ig. Dieses Kontrollve­rhalten beim Essen gab mir Halt. Ich aß nur noch, wenn ich richtig hungrig war, und fing an, viel Sport zu treiben. Ich wurde süchtig nach dieser zwanghafte­n Routine.

Für Ihre Eltern war das ein Albtraum, oder? Natürlich machten sie sich große Sorgen. Sie sahen ja, wie dreckig es mir ging. Ich wog noch 46 Kilo, war komplett in mich gekehrt und traf mich nicht mehr mit meinen Freunden. Ich war einfach traurig. Ich war ein sehr trauriges Mädchen. Auf Wunsch meiner Mutter, die gar nicht begreifen konnte, was mit mir los war, fing ich ihr zuliebe an, wegen meiner Essstörung eine Therapie zu machen. Aber erst mit 21 Jahren habe ich endlich den richtigen Arzt gefunden, der mir die korrekte Diagnose für mein Leiden stellte: schwere Depression­en.

MATS WAR IN DIESER SCHWIERIGE­N ZEIT FÜR MICH DA. LIEBEVOLL, OHNE DRUCK

Sie lebten damals mit Mats Hummels in Dortmund und studierten. Einerseits frisch verliebt, anderersei­ts todunglück­lich. Eine für mich komplett neue Lebenssitu­ation. Ich hatte in Dortmund kaum Freunde. Meine Familie war in München, Mats viel unterwegs. Ich wollte perfekt sein, ließ nach außen keine Schwäche zu. Bis mein Körper und mein Geist komplett zusammenge­brochen sind. Ich saß im Auto in der Tiefgarage und bekam meine erste krasse Panikattac­ke. Ab dann ging es bergab. Mats war in dieser schwierige­n Zeit absolut für mich da. Liebevoll, ohne Druck. Ebenso meine Familie. Ich war damals nur am Weinen. Alles war mir egal, sogar ich mir selbst. Mein Glück war, dass ich meinen Zustand offen kommunizie­rte und mir Hilfe bei einem Facharzt für Psychother­apie suchte. Ich wollte endlich wieder Glück empfinden können – nur dann kann man auch Glück teilen. Es war ein langer, schwierige­r Weg.

Wie sah diese Therapie aus? Als mein Zustand akut war, bekam ich Antidepres­siva verschrieb­en. Ein neues Medikament aus den USA. Meine Ängste wurden dadurch ruhiggeste­llt. Allerdings wollte ich nicht riskieren, von Chemie abhängig zu sein, und setzte die Tabletten nach einem halben Jahr ab. Es ging mir nicht gut, aber ich sagte mir: Cathy, du schaffst das. In persönlich­en Sitzungen zweimal pro Woche fing mein Therapeut an, Ereignisse aus meiner Kindheit aufzuarbei­ten. Darüber habe ich offen mit der Familie geredet. Meinen Eltern würde ich nie Vorwürfe machen, auch meinen Geschwiste­rn nicht. Eine bessere Familie, als ich sie habe, kann man sich nicht wünschen.

Hatten Sie Selbstmord­gedanken? Ja. Die hatte ich auch. Ich weiß noch, dass ich ins Fitnessstu­dio lief. Ich fühlte mich sehr schlecht. Als ich die Straße überquerte, ging mir durch den Kopf, dass es egal sei, wenn mich jetzt ein Auto überfahren würde. Diese Gedanken hatte ich mehrfach. Mich machte diese permanente innere Unruhe, diese Panik, beinahe wahnsinnig. Ich konnte irgendwann gar nicht mehr abschalten. Ich empfand mein Leben als nicht mehr lebenswert. Meine Gedanken kreisten nur darum, schlafen zu wollen. Damit ich meine Ruhe habe, nicht mehr denken muss.

Wie lange dauert so ein Depression­sschub?

Mir ging es immer ein halbes Jahr richtig schlecht. Danach wurde es besser. Die letzte schlimme Phase war im Vorfeld der Fußballwel­tmeistersc­haft 2014. Ich arbeitete in Brasilien als Promi-Reporterin hinter den Kulissen und wurde in den sozialen Netzwerken mit Hass und Häme überschütt­et.

Ihr Mann riet Ihnen, zu Ihrem eigenen Schutz aufzuhören. Doch Sie wollten nicht das Handtuch werfen. Dabei fördert Hass im Netz Depression­en. Je mehr man gegen Hater ankämpft, je gemeiner werden sie. Die schlimmste­n Beleidigun­gen lösche ich oder blockiere die Verfasser. Letztlich tun mir diese Menschen leid. Da geht es auch um ganz viel Neid und Selbstunzu­friedenhei­t in deren eigenem Leben, das sie auf mich projiziere­n. Ich habe gelernt: Man muss sein Ding durchziehe­n. Nur ich selbst weiß, was mich glücklich macht. Ich bin sicher nicht perfekt. Das muss ich auch gar nicht sein. So, wie ich bin, bin ich richtig. Diese Erkenntnis trägt mich. Kann man Depression­en heilen? Ich kann da nur für mich sprechen: Seit sechs Jahren sehe ich mich als geheilt an. Ab und zu verspüre ich eine leichte Form dieser Angst vor der Angst, so nennt man das im Fachjargon. Aber ich kann diesen sog. Triggerpun­kten mittlerwei­le gut entgegentr­eten. Mein großer Bruder ist Psychiater. Wir stehen uns nah, er sieht mir sofort an, wie es mir geht. Wir reden viel und ich passe heute auf, dass ich mich nicht überforder­e. Ich kenne meine Schwächen und Stärken und versuche, dass sie sich die Hand schütteln und Freunde werden. Jeder Mensch hat zwei Ichs, man muss es schaffen, Engel und Teufel zu vereinen, damit man auch mit unschönen Situatione­n klarkommt. Wirklich kaputt machen würde mich, wenn meinem Kind, meinem Mann oder meiner Familie etwas zustößt. Solche Gedanken versetzen mich in Angst.

Wünschen Sie und Ihr Mann sich ein zweites Kind? Sag niemals nie. Aber gerade bin ich wirklich glücklich so, wie alles läuft. Mats und ich sind dankbar, ein gesundes Kind zu haben. Für Ludwig wollen wir einfach nur das Beste. Wir gehen da Hand in Hand und versuchen, unser Leben zwischen München und Dortmund so zu gestalten, dass es sich für uns als kleine Familie richtig anfühlt.

MIR GING ES IMMER EIN HALBES JAHR RICHTIG SCHLECHT

„Ich bin sicher nicht PERFEKT. Das muss ich auch gar nicht sein.“

UNSER SOHN LUDWIG ERDET MICH UND GIBT MIR ENORM VIEL HALT

 ??  ?? SZENE
SELBSTBEWU­SST Die Influencer­in Cathy Hummels ist für viele junge Frauen ein Vorbild. Bei Instagram hat sie mehr als eine halbe Million Follower
SZENE SELBSTBEWU­SST Die Influencer­in Cathy Hummels ist für viele junge Frauen ein Vorbild. Bei Instagram hat sie mehr als eine halbe Million Follower
 ??  ??
 ??  ?? GROSSE LIEBE Cathy und Mats Hummels sind seit 13 Jahren ein Paar. im Juni 2015 feierten sie Hochzeit in München
GROSSE LIEBE Cathy und Mats Hummels sind seit 13 Jahren ein Paar. im Juni 2015 feierten sie Hochzeit in München
 ??  ?? CATHYS BUCH erscheint am 24. 9. (Verlag Benevento, 18 Euro)
CATHYS BUCH erscheint am 24. 9. (Verlag Benevento, 18 Euro)
 ??  ?? MIT SICH IM REINEN Cathy Hummels ist inzwischen eine glückliche Frau
MIT SICH IM REINEN Cathy Hummels ist inzwischen eine glückliche Frau
 ??  ?? STOLZE ELTERN Cathy und Mats Hummels mit ihrem Sonnensche­in Ludwig, 2. Der Kleine heißt nach seinem Uropa
STOLZE ELTERN Cathy und Mats Hummels mit ihrem Sonnensche­in Ludwig, 2. Der Kleine heißt nach seinem Uropa

Newspapers in German

Newspapers from Germany