Ausgerechnet aus MAILAND kam ein Zeichen der Hoffnung
Keine Aftershow-Partys, keine Cocktails, keine Empfänge, keine kreischenden Baci-Bussi-Wiedersehen, kein spitzlippiges Ellenbogen-Pressing in der Front Row. Stattdessen wurde man rund um die Uhr registriert, kontrolliert, desinfiziert und distanziert. Bei jeder Show, jeder Präsentation, in jedem Restaurant, in jeder Bar, jedem Shop. Milano Fashion Week 2020, post coronam 1, die denkwürdigste aller Zeiten: Sechs Monate, nachdem die Hauptstadt der Lombardei als Epizentrum der Pandemie abgeriegelt und ein knallharter Lockdown verhängt wurde, steht Mailand wieder auf. Aus einem Meer von Tränen, traumatisiert noch von den Sirenen der Ambulanzen, den vielen tausend Toten, die in Särgen auf Armee-Transportern weggebracht wurden.
„Mailand steht wieder auf und mit der Stadt auch die Mode“, sagt Carlo Capasa, Präsident der Camera Nazionale della Moda Italiana(CNMI), zu BUNTE. „Wir haben gelitten, aber wir sind noch da. Diese Fashion Week ist eine Geste für die Zukunft, dass es der Mode gelingen wird, mit dem Virus zu leben.“Die größte Herausforderung und das erste Ziel sei gewesen, dass sich die Leute sicher fühlen – und auch sicher sind. Und so ist – nach den nahezu virtuellen Fashion Weeks in London und New York – mit einem ausgeklügelten Sicherheitskonzept gelungen, was bis zum Schluss kaum jemand für möglich hielt: In 84 Präsenz-Präsentationen, darunter 23 Shows mit Publikum, zeigten die (überwiegend) italienischen Designer ihre Kollektionen für 2021.
Dolce & Gabbana, Alberta Ferretti, Max Mara und Sportmax, Etro, Ferragamo sowie auch das Metzinger Label Boss, sie entschieden sich für Shows mit geladenen Gästen. Veronica Etro, die frenetisch beklatscht wurde, zu BUNTE: „Ich glaube an die Energie von Interaktion – und ich will meine Heimatstadt und die gesamte Mode unterstützen.“Wobei das jeweilige Set-up kräftig ausgedünnt wurde: Bei Etro und Ferragamo etwa wurden statt der üblichen 500 bis 650 Plätze jeweils nur 180 besetzt, der Mindestabstand von einem Meter zwischen den Seatings wurde meist deutlich überschritten, sehr oft wurde unter freiem Himmel gezeigt und selbstverständlich herrschte strenge Maskenpflicht und, wie Capasa betont, „penible Infektionsschutzmaßnahmen für den Backstage-Bereich für Models und Make-up-Artists“.
Während ansonsten Fashion-Influencer und Prominente in Schwärmen vor den Streetstyle-Fotografen posen, fand sich diesmal nur ein kleines deutsches Blogger-Trio bestehend aus Caro Daur, Leonie Hanne und Nina Suess ein. Auf den Laufstegen fehlten die großen US-Namen à la Bella Hadid und Kaia Gerber: Für Nicole Mary, deutsches Model und Freundin von Brad Pitt, schlug bei Boss die große Runway-Stunde.
Der Mode aber, gebeutelt durch Umsatzeinbrüche von bis zu 80 Prozent, sah man die Mühsal, unter der sie entstand, nicht an: Dolce & Gabbana sowie Etro feierten in lebensfrohen Mustern und Farben den „Estate Italiana“, den Sommer in Sizilien und an der Riviera, Max Mara beschwor in maximaler Eleganz camelfarbene Business-Credos, Versace sendete (digital) ein maritimes Farbspektakel aus einer medusenhaft verwunschenen Unterwasserwelt. Natürlich hie und da Hoodies und Jogginghosen als Fingerzeig auf die neue Homeoffice-Mentalität und – Stichwort Diversität – selbstverständlich Plus-SizeModels auf dem Laufsteg.
Als Live-Stream übertragen: die Kollektionen von Prada – mit Star- und Neudesigner Raf Simons an Bord. Und Giorgio Armani, der erstmals auch im Fernsehen zeigt. Ob digital oder analog, mit Masken und auf Distanz – ausgerechnet aus Mailand kam, wonach sich die (Mode-)Welt am meisten sehnt: Optimismus und ein Zeichen der Hoffnung für die ganze Welt!
23 DESIGNER ZEIGTEN IN TRADITIONELLEN SHOWS MIT PUBLIKUM