Hochschule Pforzheim: Der erste LuxusLehrstuhl Deutschlands
In Deutschland ist LUXUS neuerdings STUDIENFACH. Ein Gespräch mit dem unterrichtenden Professor und einem High-End-Juwelier – eine akademische Annäherung an wahre Werte und alte Vorurteile
Nicht Frankreich, nicht Italien, nein, ausgerechnet an einer deutschen Universität gibt es seit diesem Wintersemester einen ziemlich einzigartigen Lehrstuhl. Nämlich für Luxus! Professor Fernando Fastoso, internationaler Marken-und Marketingexperte, lehrt an der Hochschule Pforzheim neuerdings „High Class and Luxury Brands“. Initiiert wurde und finanziert wird der Lehrstuhl von einem industriellen Stifterkonsortium, angeführt von der traditionsreichen Pforzheimer Schmuckmanufaktur Wellendorff. BUNTE traf Fernando Fastoso sowie Georg Wellendorff zum (digital geführten) Interview über Luxus und dessen Bedeutung in Zeiten der Pandemie.
Herr Professor Fastoso, was wird denn in einem Studiengang zum Thema Luxus gelehrt und gelernt? Fernando Fastoso: Es geht dabei primär um den Aufbau und das Management von Marken, national und global. Dazu gehört ein vertieftes Verständnis für Konsumentenverhalten, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Ethik sowie den Luxusmarken innewohnenden „Dream Values“. Am Ende sollen die Studierenden fit gemacht werden für Executive-Positionen im Bereich Luxus und High-Class Branding.
Die Initiative für die Kooperation kam vom Unternehmen Wellendorff, das den Lehrstuhl federführend unterstützt. Wie kam es zu dieser Idee Georg Wellendorff: Seit mehr als 250 Jahren beschäftigen sich die Pforzheimer mit Luxus. Es liegt in der Tradition der Goldstadt Pforzheim. Der Markgraf von Baden hat hier die erste Berufsschule der Welt gegründet und damit den Grundstock für die Uhren- und Schmuckbranche gelegt. Seit dieser Zeit hat sich Pforzheim zum Luxuszentrum nördlich der Alpen entwickelt. Auch heute kommen noch 80 Prozent des aus Deutschland exportierten Schmucks aus Pforzheim. Insofern lag es auf der Hand und ist es unsere Absicht, eine Brücke zwischen Forschung und Praxis zu bauen.
Sie starteten auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie. Ändern sich der Begriff und die Bedeutung von Luxus nicht gerade sehr? F. F.: Da Luxus auch Zugehörigkeit und Status symbolisiert, ist er stets gruppen- und zeitgeistabhänigig. Der Begriff machte im Lauf seiner Geschichte einige Veränderungen durch. Während es früher schlicht darum ging, mit Luxus Reichtum zu demonstrieren, haben wir es heute mit einem differenzierten Verständnis dessen
zu tun. Zum einen werden bestimmte Luxusmarken als Ausdruck von Stil, Feingeist, Kultur und Understatement wahrgenommen. Zum anderen unterzieht sich Luxus vor dem Hintergrund des Einflusses bestimmter gesellschaftlicher Gruppen und neuer Generationen auch einem Paradigmenwechsel: Nachhaltige, ethisch und sozial verträglich erzeugte Produkte rücken in den Fokus. Und zum Dritten entmaterialisiert sich der Luxusbegriff gerade.
Was heißt das? Dass Werte wie Zeit, Natur, ein gesunder Körper als neuer Luxus betrachtet werden? F.F.: Bereits seit dem 19. Jahrhundert wurde in der Ökonomie der sogenannte Geltungsnutzen im Luxus erkannt. Luxus kann aber auch der Self-Expression dienen, da Produkte unser Selbstverständnis widerspiegeln sowie einen „Erbauungsnutzen“haben. So verleihen Luxusmarken dem Nutzer nicht nur Status, sondern emotionalisieren, wirken erbaulich und selbstbelohnend.
Der Untertitel der Marke Wellendorff heißt seit jeher „Wahre Werte“. Haben Sie damit, ohne es vielleicht zu wissen, mehr denn je den Nerv der Zeit getroffen? G. W.: Alles, was wir machen, muss echt und authentisch sein. Unsere Schmuckliebhaber stehen dabei seit 127 Jahren immer im Mittelpunkt unseres Tuns. Ihre persönlichen Geschichten zeigen uns jeden Tag, was Schmuck wirklich bewegen kann. Wie Erfolg, Liebe und Dankbarkeit für ein ganzes Leben festgehalten werden können. Das ist unabhängig von Moden und Zeitgeschehen und wird immer Bestand haben.
Herr Fastoso, gibt es eigentlich eine eigene, geheimnisumwitterte „CocaCola-Formel“für erfolgreiche Markenführung? F. F. : Es gibt leider kein allgemeingültiges Erfolgsrezept, keine Erfolgsformel. Aber eine Marke, die beim Konsumenten die eigene Wertschätzung und Sinnhaftigkeit triggert, macht ganz sicher viel richtig.
Generell wird den Deutschen eine eher schwierige Beziehung zum Luxus nachgesagt.
F. F. : Das stimmt, aber ein Blick in den Duden genügt, um zu sehen, dass den Deutschen die Luxusskepsis bereits in die Wiege gelegt wird. Der Begriff wird dort definiert als nicht notwendige, verschwenderische, den Rahmen des Normalen übersteigende Pracht. Das ist schade und zeigt einmal mehr, dass die Wahrnehmung von Luxus eine Frage der Prägung und Perspektive ist. Im mediterranen Kulturraum assoziieren die Menschen mit demselben Wort Begriffe wie Komfort, Leichtigkeit, Schönheit und Genuss. G. W.: Unsere Kunden erwarten höchste Qualitätsstandards, edelste Materialienpräzision und meisterhaftes, technologisches Handwerk. Das ist doch, ob typisch deutsch oder nicht, jenseits aller lexikalischen Definitionen eine wunderbare Haltung!