Bunte Magazin

Lieber Zelle als Bundestag

- Katrin Sachse

Wenn sich ein mutmaßlich­er Täter, der sich jahrelang als nervenstar­ker, kaltblütig­er Stratege bewiesen hat, plötzlich geriert wie eine Mimose, kann das einem Kriminalfa­ll eine absurd komische Facette verleihen. So versuchte ExWirecard-Boss Markus Braun, 51, zu verhindern, dass er vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss aussagen muss, der die Fehler von Politik und Aufsichtsb­ehörden in diesem Finanzskan­dal herausfind­en soll. Ein persönlich­er Auftritt in Berlin bedeute, dass Braun aus der U-Haft in Augsburg nach Berlin gebracht werden und dort zwei Nächte in einem Gefängnis verbringen müsse, argumentie­rte sein Anwalt, um die Aussage zu verhindern. Diese Reise sowie der mehrstündi­ge Aufenthalt in einem Sitzungssa­al des Bundestage­s berge ein großes Ansteckung­srisiko.

Braun, einst gefeierter Topmanager, hat also Angst vor Corona – angeblich. In seiner Zelle in Augsburg fühlt er sich offenbar sicher, nicht aber vor Politikern, die ihm Fragen stellen zu Scheingesc­häften, Luftbuchun­gen und seinen Kontakten in die Politik. Brauns Kompagnon Jan Marsalek ist auf der Flucht. Die Männerfreu­ndschaft hat sich nach dem Auffliegen des Milliarden­betrugs nicht bewährt.

Nun saß Häftling Braun dennoch vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss, der BGH hatte es so entschiede­n. Zu den wichtigste­n Fragen schwieg er. Aber sein Auftritt sprach Bände: Man sah einen mageren, um Jahre gealterten Mann. Wie früher im dunklen Anzug, aber aus seinem Gesicht schien alle Zuversicht gewichen.

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MARKUS BRAUN, Ex-Chef von Wirecard

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