Lieber Zelle als Bundestag
Wenn sich ein mutmaßlicher Täter, der sich jahrelang als nervenstarker, kaltblütiger Stratege bewiesen hat, plötzlich geriert wie eine Mimose, kann das einem Kriminalfall eine absurd komische Facette verleihen. So versuchte ExWirecard-Boss Markus Braun, 51, zu verhindern, dass er vor dem Untersuchungsausschuss aussagen muss, der die Fehler von Politik und Aufsichtsbehörden in diesem Finanzskandal herausfinden soll. Ein persönlicher Auftritt in Berlin bedeute, dass Braun aus der U-Haft in Augsburg nach Berlin gebracht werden und dort zwei Nächte in einem Gefängnis verbringen müsse, argumentierte sein Anwalt, um die Aussage zu verhindern. Diese Reise sowie der mehrstündige Aufenthalt in einem Sitzungssaal des Bundestages berge ein großes Ansteckungsrisiko.
Braun, einst gefeierter Topmanager, hat also Angst vor Corona – angeblich. In seiner Zelle in Augsburg fühlt er sich offenbar sicher, nicht aber vor Politikern, die ihm Fragen stellen zu Scheingeschäften, Luftbuchungen und seinen Kontakten in die Politik. Brauns Kompagnon Jan Marsalek ist auf der Flucht. Die Männerfreundschaft hat sich nach dem Auffliegen des Milliardenbetrugs nicht bewährt.
Nun saß Häftling Braun dennoch vor dem Untersuchungsausschuss, der BGH hatte es so entschieden. Zu den wichtigsten Fragen schwieg er. Aber sein Auftritt sprach Bände: Man sah einen mageren, um Jahre gealterten Mann. Wie früher im dunklen Anzug, aber aus seinem Gesicht schien alle Zuversicht gewichen.