Elke Heidenreich: Die Literatur-Päpstin spricht über die Liebe und einen schmerzlichen Verlust
MEINE MUTTER WAR NÄHERIN, ICH LIEBE DEN ROTEN SAMT VON IHR AN MEINEN ÄRMELN – UND IHR NACHTHEMD ELKE HEIDENREICH Sie will jeden zum Lesen verführen. Ihr neues Buch ist eine Würdigung ihres Vaters, seinen edlen Mantel vergisst sie nie
Sie ist Deutschlands Königin der Bücher: Elke Heidenreich, 77, ist Autorin und Kritikerin, vor allem aber ist sie Ratgeberin, fast eine Art beste Freundin, die die besten Buchtipps hat. Mit überzeugender Leidenschaft empfiehlt die Kölnerin ihre Lieblingslektüre – und katapultiert diese Bücher damit auf jede Bestsellerliste. „Nach meinen Empfehlungen wurden früher Hunderttausende Bücher verkauft“, sagt Elke Heidenreich, einst Gastgeberin der TV-Sendung „Lesen“. Nun hat die Grande Dame der deutschen Literatur wieder selbst geschrieben: In ihrem Buch „Männer in Kamelhaarmänteln“plaudert sie auch über Mode und ihren Vater.
Wie erklären Sie sich Ihre anhaltende literarische Autorität, obwohl sie keine feste Sendung mehr haben? Ich werde oft auf der Straße oder im Supermarkt angesprochen: „Frau Heidenreich, was soll ich lesen?“Die Menschen merken meine Begeisterung. Über Literatur muss man so reden, dass es alle verstehen, es darf keine Frage der Bildung sein. Die Verlage gaben 2008 allen Ernstes eine Todesanzeige auf, als die Sendung „Lesen“vom ZDF eingestellt wurde.
Warum lesen Frauen mehr als Männer? Sie erzählen schon ihren Kindern Geschichten. Und sie müssen sich mit Fantasie die Welt erschließen, die für sie teilweise verschlossen ist. Wir sind also welthungriger. Frauen lesen Männerliteratur, umgekehrt gilt das nicht. Das schmerzt.
Kleider machen Leute, heißt eine alte Weisheit, haben Sie einen richtig guten Geschmack? Nein, den hat Armani. Ich bin mal underdressed, mal overdressed. Bei den Salzburger Festspielen habe ich 2008 die Eröffnungsrede gehalten – in einem Kleid meiner Mutter, über das ich eine Jacke angezogen hatte, weil es Mottenlöcher hatte. Danach hörte ich auf der Toilette, wie zwei Frauen sagten: „Gescheit ist sie ja schon, aber fesch nicht.“Sie bemerkten mich nicht. Ich konterte dann: „Aber fesch sind ja Sie, meine Damen!“Sie erbleichten. War mir ein Fest.
Wem oder was können Sie nicht widerstehen? Rotem Samt. Davon hat mir meine Mutter, die als Näherin Theatervorhänge herstellte, immer kleine Reste an Ärmel oder Säume genäht, damit machte sie mich zur Prinzessin. Ich trage heute noch nach ihrem Tod ein Nachthemd von ihr.
Sind Sie eine Lust-Shopperin? Shoppen ist für mich keine Ersatzbefriedigung. Ich reise viel und sehe hier mal ein Jäckchen und da einen schwarzen Rock mit weißen Pünktchen, da bin ich verführbar. Ein Glücksgriff kann mich kurzfristig beglücken, aber mein großes Glück sind Musik, Bücher, meine Arbeit, mein Freund. Das füllt mich mehr aus als ein Kaschmirpullover.
Warum können Sie eigentlich Männer in Kamelhaarmänteln nicht leiden? Weil sie mich zu sehr an meinen Vater erinnern. Er ähnelte Steve McQueen, war ein Hallodri. Als Mechaniker von Luxusautos kleidete er sich gerne bei Probefahrten elegant. Den Kamelhaarmantel trug er so lässig offen wehend, heute sehe ich dieses Kleidungsstück bei vielen Anwälten und Versicherungsangestellten – zugeknöpft, das geht gar nicht.
Was wurde aus Ihrem fein angezogenen Vater? Er starb leider jämmerlich auf der Straße, als er mit seinem Hund Gassi ging: Herzinfarkt. Und unterlassene Hilfeleistung. Der Hund bellte stundenlang. Keiner beugte sich runter, man glaubte, mein Vater, der hilflos am Boden lag, wäre betrunken. Vielleicht wäre er ja noch zu retten gewesen. Was mögen Sie bei Männern gar nicht? Wenn sie glauben, dass der lieblose Plunder, den sie tragen, schon irgendwie reicht. Und wenn sie Frauen Dessous schenken, das ist anmaßend. Ich finde Goldknöpfe schrecklich und Jacken mit Kapuzen. Ein schwuler Mann, der mich heiraten wollte, hat mich gerührt: Er nähte mir ein Stück Nerz an den Rocksaum.
Und was stört Sie bei Frauen? Wenn Frauen die Kleider ihrer Vorgängerinnen tragen, so was passiert tatsächlich.
Die Umkleidekabine ist eine Hölle, schreiben Sie. Ja, für eine ältere Frau schon. Man sieht Speckwülstchen an der Taille, die man nie gesehen hat. Und Kniekehlen, die einfach nicht schön sind. Im grellen Licht schaut man erbärmlich aus. Ich bin immer froh, wenn ich da wieder raus bin. Lassen Sie sich von Marc-Aurel Floros, Ihrem Freund, beraten? Eher umgekehrt. Ich suche für ihn Sachen aus. Manchmal holt er mich am Bahnhof in zwei verschiedenen Schuhen ab. Ein bisschen verpeilt sagt er dann treuherzig: „Da hab ich nicht darauf geachtet, ist das wichtig?“Also wegen der Kleidung habe ich mich nicht in ihn verliebt, er trägt ja fast nur Schwarz. Es war die Musik, die Künstlerseele.
MEIN VATER STARB AUF DER STRASSE, KEINER HALF IHM
Er ist wohl der sympathischste Ire in Deutschland! Wöchentlich sehen wir Rea Garvey, 47, als Coach bei „The Voice of Germany“, wo er Gesangstalente fördert. Er selbst wurde 2000 mit seiner Band Reamonn berühmt. Und auch 20 Jahre danach begeistert er als SoloKünstler immer noch mit seiner Musik. Auf seinem neuen Album „Hy Brasil“singt er unter anderem über seine Familie. In BUNTE erzählt Garvey, wie er mit Gefühlen umgeht, wie ihn seine Schwestern prägten, und gibt private Einblicke in sein Eheleben.
Nächstes Jahr ist Ihre Tour geplant. Sind Sie optimistisch, dass sie stattfinden wird? Im Moment muss man überpositiv sein. Ich würde jedem raten, daran zu denken, wo man jetzt am liebsten wäre – nämlich in einer Zeit, in der wir uns wieder frei bewegen können! Es ist immer besser, positiv zu sein, als zu meckern.
Können Sie Ihre Gefühle gut zulassen? Ich bin immer offen für eine emotionale Achterbahn. Es ist mir wichtig, auch mal traurig sein zu können. Ich hatte eine tolle
FAMILIENCLAN Reas Schwestern Aoife, Anita, Colette, Mary, Margaret, Lorna und Mutter Anne (v. l.) im Juli 2012 am 45. Hochzeitstag von Garveys Eltern. Auf dem Foto fehlen neben Rays Vater Fred auch Schwester Edele
Kindheit, aber sie war nicht immer leicht. Ich komme aus einer Generation in Irland, die viel Gewalt erlebt hat. Und ich bin nicht davongekommen, ohne eigene Erfahrungen damit zu machen. So etwas trägt man sein Leben lang bei sich.
Sie sind mit sieben Schwestern aufgewachsen. Wie war das? Meine Schwestern haben mich emotional sehr beeinflusst. Ich weiß noch, einmal saß eine meiner Schwestern in der Küche mit ihrem damaligen Freund. Sie haben beide geweint, weil sie Schluss gemacht haben. Ich habe gefragt: „Wenn ihr euch getrennt habt, wieso weint ihr dann?“Da war ich wie alle anderen Jungen, das habe ich damals noch nicht verstanden. Aber ich weiß, dass erst meine Schwestern und ich unserem Vater beigebracht haben, wie man mit Emotionen umgeht.
Inwiefern? Er hatte schon sehr früh acht Kinder. Er hat von Anfang an viele Emotionen unterdrückt, damit er uns mit seiner neutralen Art in schwierigen Situationen beruhigen konnte. Irgendwann haben wir gesagt: „Das ist nicht gut für dich, Papa.“Wenn er mich als Student zum Bahnhof gebracht hat, habe ich ihn erst wieder fahren lassen, wenn er mich vorher in den Arm genommen hat.
Was geben Sie von der Erziehung Ihrer Eltern an Ihre zwei Kinder weiter? Ich weiß, dass ich nicht wie mein Vater bin, auch wenn ich manchmal ähnlich reagiere. Und ab und zu denke ich, dass ich zu hart bin. Aber Eltern, die ihre Kinder lieben, geben immer ihr Bestes. Und das ist die Priorität. Kinder müssen Liebe spüren. Und ich habe immer Liebe von meinen Eltern gespürt.
In Ihrem neuen Lied „Talk To Your Body“singen Sie über Sehnsucht in der Liebe. Kennen Sie das Gefühl in Ihrer Ehe ? Ja, ich habe so viel gearbeitet, dass ich meine Frau sehr vernachlässigt habe. Sie weiß, wie sehr ich sie liebe. Aber manchmal wird es so selbstverständlich, dass ich es nicht zeige.
Trotzdem hält Ihre Ehe schon seit 18 Jahren! Genau, und wir leben bereits seit 20 Jahren zusammen, ich bin von ihr abhängig. Ich verbinde Liebe auch mit brauchen. Sie ist meine Managerin und meine beste Freundin und eine wundervolle Mutter. Ihre Kraft ist ein Wunder für mich.
ICH BIN AUS EINER GENERATION, DIE VIEL GEWALT ERLEBT HAT