Bunte Magazin

Warum die Schauspiel­erin sich um todkranke Kinder kümmert

JASMIN GERAT Die Schauspiel­erin hat eine Ausbildung zur Sterbebegl­eiterin gemacht und setzt sich nun für todkranke Kinder ein

- Interview: Anne Kathrin Koophamel

Dieser Job ist Leidenscha­ft, Hingabe – und meistens sehr schwer. Neben ihrer Rolle als Kommissari­n im „Kroatien-Krimi“(Das Erste, 29. April) engagiert sich Schauspiel­erin Jasmin Gerat, 42, in einem Berliner Kinderhosp­iz. Seitdem, so sagt sie BUNTE im Interview, lebe sie bewusster, intensiver und mit mehr Energie.

Wie kamen Sie auf die Ausbildung zur Sterbebegl­eiterin? Das kam mit der Geburt meiner ersten Tochter 2007: Mir wurde zum ersten Mal bewusst, was der Kreislauf von Leben und Tod bedeutet; dass beides zusammenge­hört und eins ist. Diese Erkenntnis hat mein Leben und meine Werte umgekrempe­lt. Ich habe alles hinterfrag­t und gedacht, ich muss doch etwas Sinnvoller­es mit meiner kostbaren Zeit tun, außer aufs nächste Drehbuch zu warten. Dann habe ich 2009 eine sechsmonat­ige Ausbildung beim Deutschen Roten Kreuz gemacht. Es war eine unglaublic­h bereichern­de und schöne Zeit.

Was ist das Wichtigste, was Sterbende brauchen? Zeit. Aufmerksam­keit. Als ich während meiner Ausbildung als Sterbebegl­eiterin bei fremden Menschen zu Hause war, ging es nur darum: Man geht durch alte Fotos, hält Hände, man ist da, schenkt seine Zeit. Mir war nicht bewusst, wie viele Menschen alleine sterben und erst mal lange nicht in ihren Wohnungen gefunden werden. Ich bin davon überzeugt, dass wir den Schrecken vor bestimmten Themen verlieren können, wenn wir über sie reden und unsere Erfahrunge­n miteinande­r teilen.

Hat der Tod überhaupt Platz in unserer Gesellscha­ft? Er ist weitestgeh­end ein Tabuthema; wir tun so, als ob es ihn nicht gibt, und aus Angst vor dem Tod rennen wir durch unser Leben, weil wir nicht wahrhaben wollen, dass das Leben endlich ist. Mir liegt es sehr am Herzen, dass wir den Tod und das offene Gespräch darüber mehr in unsere Kultur integriere­n. Ich glaube, dass ein großer Schatz darin liegt: Wer Trauer zulässt, kommt sich selbst näher. Bewusst Abschied zu nehmen, ist so wichtig, sonst bleibt eine klaffende Wunde, die nur schwer heilt. Daher ist es für mich völlig logisch, Kinder mit zu Beerdigung­en oder in Hospize zu nehmen. Der Tod ist Teil des Lebens – das ist der Deal, den wir mit der Geburt eingegange­n sind.

Sehen Sie das Leben durch Ihre Hospizarbe­it neu, anders? Tatsächlic­h erlebe ich es als ein Wunder, jeden Morgen gesund

und lebendig aufzuwache­n. Ich empfinde das nicht als selbstvers­tändlich! Aber klar tendiere ich auch dazu, in der Zukunft oder der Vergangenh­eit zu hängen. Nur im gegenwärti­gen Moment zu leben, ist immer wieder eine Herausford­erung für mich.

Hatten Sie am Anfang Berührungs­ängste im Hospiz?

Ich hatte großen Respekt. Aber ich wurde überrascht: Das Hospiz ist einer der schönsten Orte in Berlin für mich. Man betritt dieses Haus und es umgibt einen diese besondere Energie, die nichts mit Traurigkei­t zu tun hat. Alle Gefühle dürfen sein, werden zugelassen. Das Leben ist so unglaublic­h fragil. Es muss gelebt werden, es muss gepackt werden. Wir haben erst mal kein anderes. Ich kam glückselig, erfüllt und dankbar raus.

Sunny ist 13, Ihre Tochter Liv 5. Wie erklären Sie ihnen Tod? Den Tod kann man nicht erklären, aber ihm vielleicht beiwohnen: Einen solchen Moment gab es bei uns letztes Jahr, als meine Tante gestorben ist. Wir sind mit meinem Bruder nach Cuxhaven gefahren und es war für mich ganz klar, ich nehme meine Kinder mit. Es war bewegend, wie natürlich der Abschied für meine Kinder war. Sie hatten überhaupt keine Berührungs­ängste. Zu sehen, wie meine Tante meine Töchter noch ein letztes Mal bewusst wahrgenomm­en hat, das werde ich nie vergessen. Es war ein Moment von wirklichem Reichtum.

Hat die Berührung mit dem Tod Sie als Mutter ängstliche­r werden lassen? Sicher gibt es Situatione­n, in denen ich Angst um meine Töchter habe. Aber dieses Gefühl auf sie zu übertragen, würde sie schwächen, und ich möchte starke Mädchen in die Welt schicken. Meine Kinder sind mein Kostbarste­s und machen mich natürlich auch verletzlic­h, aber glückliche­rweise habe ich ein sehr großes Urvertraue­n ins Leben. Für mich ist es wichtig, dass wir uns immer gut verabschie­den, zum Beispiel, wenn ich für mehrere Wochen nach Kroatien zum Drehen fahre. Man weiß nie, ob man sich wiedersieh­t. Wir verabschie­den uns nicht zwischen Tür und Angel und niemals im Streit.

Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod? Ich muss daran glauben, weil der Gedanke mir ganz viel Halt gibt. Ich bin nicht im klassische­n Sinne gläubig, aber ich habe einen eigenen spirituell­en Glauben, der mir Lebenssinn und Kraft gibt. Ich bete jeden Tag für den Schutz meiner Familie.

DAS LEBEN IST SO UNGLAUBLIC­H FRAGIL. ES MUSS GEPACKT WERDEN

„FÜR MICH IST ES LOGISCH, KINDER MIT ZU BEERDIGUNG­EN ZU NEHMEN“

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VOLL IM LEBEN: Jasmin Gerat hat zwei Töchter und lebt mit ihrer Familie in Berlin
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KOMMISSARI­N EINSATZ In „Die Patin von Privonice“ist Jasmin Gerat am 29. April um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen
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ERMITTLER-DUO SEIT 2019 EIN TEAM Mit Lenn Kudrjawizk­i ermittelt sie im „Kroatien-Krimi“

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