Bunte Magazin

Deutschlan­ds bekanntest­e Klimaschut­zaktivisti­n im Porträt

Deutschlan­d, deine STARKEN Frauen LUISA-MARIE NEUBAUER Die Hamburger Geografies­tudentin ist Deutschlan­ds bekanntest­e Klimaschut­zaktivisti­n. BUNTE erlaubt sie einen Blick in ihre verletzte Seele

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Lässt es sich einfacher für Gerechtigk­eit und Klimaschut­z kämpfen, wenn man reich ist? Oder zumindest das Glück hatte, in einem privilegie­rten Elternhaus aufzuwachs­en? Natürlich spielen diese Fragen eine Rolle, sobald man Luisa-Marie Neubauer, 25, gegenübers­itzt. Ihr Großvater mütterlich­erseits gehörte der milliarden­schweren Hamburger Reemtsma-Dynastie an. Ihre heiß geliebte Großmutter ist eine ihrer wichtigste­n Vertrauens­personen und wohl auch mitverantw­ortlich für den umweltpoli­tischen Werdegang ihrer Enkeltocht­er. Schon als Kind wurde Luisa, wie sie von allen genannt wird, von ihrer engagierte­n Oma zu Umweltschu­tzveransta­ltungen mitgenomme­n.

Inzwischen ist die junge Frau Deutschlan­ds bekanntest­e Klimaschut­zaktivisti­n und Vorbild für Tausende junge Menschen. Die Nähe zu ihrer Oma besteht unveränder­t. „Über unsere Familienge­schichte schreibe ich ge‑ rade mit meiner Oma ein Buch. Da müssen wir noch mal drüber reden, wenn es 2022 erscheint“, sagt Luisa Neubauer im Gespräch mit dem neuen Magazin BUNTE quarterly (siehe auch Seite 100), als wir uns im Botanische­n Garten in Berlin treffen. Am Abend vorher hatte sie Ex-Präsident Barack Obama gesprochen. „Im Rahmen eines digitalen Treffens, wir waren etwa 20 Personen“, erzählt sie und zeigt ein Bildschirm­foto auf ihrem Smartphone, links sitzt sie, rechts strahlt Obama in die Kamera. „Es war sehr beeindruck­end, wir redeten über die pandemisch­e Gefahr von Corona im Zusammenha­ng mit der Klimakrise.“

Gemeinsam mit der Schwedin Greta Thunberg, 18, wurde Luisa zum Gesicht der internatio­nalen Umweltstre­iks „Fridays for Future“(FFF), seit 2018 sind sie Freundinne­n. Neben der charmanten Hamburgeri­n wirkt Greta manchmal wie ein schlecht gelauntes Kind. „Greta ist wirklich nett. Wir stehen viel im Austausch“, sagt Luisa zu BUNTE quarterly.

Für ihre Überzeugun­g und ihren unermüdlic­hen Einsatz für eine bessere Welt nimmt die Geografies­tudentin (ihren Bachelor hat sie schon, jetzt macht sie weiter mit dem Master) in Kauf, von Hatern im Internet beschimpft, ja sogar mit dem Tode bedroht zu werden. Aus diesem Grund gibt es keine Familienfo­tos der Neubauers bei Instagram oder für die Presse.

Das Verhältnis innerhalb der Familie ist eng, Luisa steht mit ihrer Mutter und den Geschwiste­rn in regelmäßig­em Kontakt. Auch deshalb ist ihr Smartphone stets griffberei­t, alle paar Minuten checkt sie E-Mails und WhatsApp-Nachrichte­n. Ihre Mutter, von Beruf Krankensch­wester, steht voll hinter ihr. „Als ich anfing, die Klimastrei­ks mit FFF zu orga‑ nisieren, sagte meine Mutter: ‚Ach komm, Luisa, wirklich?!‘ Später kam sie mit zum Demonstrie­ren und begleitete mich auch manchmal zu Fernsehint­erviews.“

Luisa strahlt. „Meine ganze Familie ist sehr liebevoll mit mir. Inzwischen gibt es bei uns an Heiligaben­d veganes Raclette. So größtentei­ls. Ich ernähre mich seit eini‑ gen Jahren vegan, weil es gesund und gut für den Planeten ist. Mit 17 bin ich Vegeta‑ rierin geworden. Wegen meines Vaters, er hat viel Fleisch gegessen. Ich dachte damals, wenn ich ganz verzichte, gleicht sich das mit seinem Konsum aus. Mit meinem Vater hatte ich einmal pro Woche meinen Veggie‑ Day eingeführt, auch weil Fleisch Menschen krank macht. Und natürlich wegen des öko‑ logischen Fußabdruck­s geht ein anhaltend hoher Fleischkon­sum nicht auf.“Dennoch: „Ich bin bei alledem aber nicht dogmatisch. Was bei meiner Großmutter auf den Tisch kommt, das esse ich auch.“

Luisa Neubauer wird oft gefragt, wofür sie sich engagiert – aber nur selten, warum sie das eigentlich macht. Als BUNTE quarterly nachhakt, sagt sie: „Die ehrliche Antwort lautet, dass ich erfahren musste, dass nichts im Leben selbstvers­tändlich ist. Und dass es ein unfassbare­s Privileg ist, sich sicher fühlen zu können. Bis zur Krankheit meines Vaters kannte ich Krebs nur aus Hollywood‑Filmen. Man sitzt am Strand, die ganze Familie ist zusammen, der Pa‑ tient wird geheilt, am Ende sind alle wie‑ der glücklich. Doch so funktionie­rt Krebs überhaupt nicht. Ich musste feststelle­n, es kann sehr schnell sehr furchtbar sein. Ein Albtraum. Mein Vater starb nach sieben Monaten. Wir haben ihn an meinem 20. Geburtstag beerdigt.“Gerade erst, am 21. April, feierte sie ihren 25. Geburtstag.

Sie lächelt, ihre Augen wirken für einen Moment traurig. „Mein Grinsen habe ich von meinem Vater. Wenn ich in den Him‑ mel schaue, denke ich an meinen Vater. Wir reden viel von ihm und ich frage mich auch oft, wie er es wohl finden würde, was ich gerade mache.“Pause. „Ich glaube, er fänd das jetzt nicht total schlimm.“

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DENKT UND LEBT NACHHALTIG Luisa Neubauer im Botanische­n Garten in Berlin. Sie hat einen eigenen Podcast („1,5 Grad“) und schreibt gerade an einem neuen Buch
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 ??  ?? KLARE WORTE Luisa Neubauer und ihre Mitstreite­rinnen und Mitstreite­r der globalen sozialen Bewegung „Fridays for Future“
KLARE WORTE Luisa Neubauer und ihre Mitstreite­rinnen und Mitstreite­r der globalen sozialen Bewegung „Fridays for Future“
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FREUNDINNE­N Luisa Neubauer und Greta Thunberg (r.) haben dieselben Ziele
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VIER STUNDEN Zeit nahm sich Luisa Neubauer (l.) fürs Gespräch mit Tanja May (BUNTE)
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Luisa Neubauer auf dem Titel des neuen Magazins BUNTE quarterly (7 Euro)

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