Bunte Magazin

Seit Monaten kämpft der bekannte TVJournali­st gegen den Krebs

FRITZ PLEITGEN Der bekannte TVJournali­st kämpft seit Monaten gegen Bauchspeic­heldrüsenk­rebs – dem Krebs, vor dem er die meiste Angst hatte

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Schon immer sei er sei ein Glückskind gewesen, sagt Fritz Pleitgen. In seinem Berufslebe­n als Fernsehjou­rnalist habe er viel Glück gehabt, mit seiner Familie sowieso und sogar jetzt, als sein Überleben an einer zeitlichen Fügung hing, sei er mit Fortune gesegnet gewesen. Letztlich sei es dem ersten Corona-Lockdown vergangene­s Jahr zu verdanken, dass der aggressive Krebstumor in seinem Körper rechtzeiti­g entdeckt wurde – bevor es zu spät für eine Operation und Heilung gewesen wäre. „Wie ein Partisan“schlich sich „eine Erkrankung heran, die ich wie keine andere fürchtete“, schreibt Pleitgen, ehemaliger Intendant des WDR, in seinem neuen Buch. „Unauffälli­g bezog sie in meinem Körperzent­rum Quartier, wo Magen, Leber, Gallenblas­e und Bauchspeic­heldrüse, verbunden mit Dünn- und Dickdarm auf engstem Raum in trauter Eintracht miteinande­r lagern.“Seine Erinnerung­en an seine Zeit als Journalist während des Kalten Krieges und des Mauerfalls hat der einstige Auslandsko­rresponden­t unter „großer Quälerei“geschriebe­n. Das Buch ist beendet. Gegen seine Krankheit, den Bauchspeic­heldrüsenk­rebs, kämpft der 83-jährige, ehemalige Präsident der Deutschen Krebshilfe noch immer. Im BUNTEInter­view in Bonn erzählt Fritz Pleitgen von den schwierige­n Monaten seit der Diagnose und von seiner Hoffnung, dass ihm noch eine gute Lebenszeit bleibt.

Wie haben Sie gespürt, dass Sie krank sind? Krank habe ich mich gar nicht gefühlt, nur gespürt, dass in meinem Unterbauch irgendetwa­s nicht in Ordnung war – es war kein Schmerz, eher ein seltsames Klopfen. Mein Hausarzt konnte beim Abtasten nichts Auffällige­s feststelle­n. Ich wollte damals eigentlich nach Sylt reisen und dort mein Buch fertigschr­eiben, mit dem ich unter Zeitdruck stand. Aber dann kam vergangene­n März der erste Corona-Lockdown und ich musste zu Hause bleiben. Das war mein Glück. Auf Sylt hätte ich sicher nicht auf die Symptome im Bauch geachtet. Zu meinem weiteren Glück kam ein Telefonanr­uf von Professor Walter Möbius. Wir kennen uns von unserem gemeinsame­n Engagement für die Deutsche Krebshilfe. Ich erzählte ihm von meinen Bauchprobl­emen. Für ihn war klar, dass der Fall fachärztli­ch untersucht werden müsste. Für den nächsten Tag besorgte er mir einen Termin mit Computerto­mografie im Johanniter­Krankenhau­s in Bonn.

Wie hat Ihnen der Arzt die Diagnose beigebrach­t? Schonend, unter Verwendung medizinisc­her Fachausdrü­cke. Als ich das Wort Tumor hörte, habe ich gefragt, ob es um Bauchspeic­heldrüsenk­rebs geht, was er bestätigte.

Wie haben Sie diesen Moment erlebt?

Ich dachte nur: „Das war’s.“Das Pankreaska­rzinom war der Krebs, vor dem ich die meiste Angst und den größten Respekt hatte. Ich kannte die Statistike­n und wusste, wie gering die Überlebens­chancen sind.

Wie haben Sie die Diagnose Ihrer Frau beigebrach­t? „Ich komme mit schlechten Nachrichte­n“, sagte ich ihr. Meine Frau sammelte alle Kraft, um gefasst zu wirken und mir so den Rücken zu stärken. Unsere Hoffnung richtete sich auf eine schnelle Operation.

Sie wurden sofort operiert. War es wirklich so dringend? Dass eine sofortige Operation notwendig war, wurde mir schon in Bonn mitgeteilt. Benjamin, unser jüngster Sohn, fuhr mich mit seinem zum Campingbus umgebauten Ford Transit dann nach Heidelberg. Auf der Fahrt hatte ich eigentlich mit meinem Leben abgeschlos­sen. Ich kannte keinen Fall von Bauchspeic­heldrüsenk­rebs, der nicht mit dem schnellen Tod geendet war. Meine Stimmungsl­age änderte sich im Gespräch mit Prof. Büchler. Ich klagte ihm, dass mich die Diagnose ziemlich unvermitte­lt traf, denn ich hinterlass­e ungeordnet­e Verhältnis­se. So sei ich mitten in einem Buchprojek­t, in dem ich meine persönlich­en Erfahrunge­n mit der Deutschen Einheit schildern wolle. Der Chirurg ließ mein Klagen nicht gelten. Mit der Operation wolle er mir noch ein paar gute Jahre verschaffe­n. Die Arbeit an dem Buch sei überdies eine gute Therapie, um mich von der Krankheit abzulenken. Am nächsten Morgen wurde ich operiert.

Wie ging es Ihnen nach der Operation? Zunächst erstaunlic­h gut. Was ich über die Operation hörte, stimmte mich zuversicht­lich. Der Krebs hatte noch nicht gestreut. Der Tumor war komplett herausgesc­hnitten worden. Am vier

DIE ARBEIT AN MEINEM BUCH HAT MICH VON DER KRANKHEIT ABGELENKT

ERLEICHTER­UNG NACH DER OPERATION: DER KREBS HATTE NOCH NICHT GESTREUT

ICH BEFINDE MICH MITTEN IN EINER CHEMOTHERA­PIE

ten Tag nach der Operation fing mein Körper allerdings an, sich mit aller Macht zu wehren. Mir ging es ziemlich mies.

Trotz der schweren Erkrankung haben Sie an Ihrem Buch wei‑ tergeschri­eben. Warum war das so wichtig in dieser Situation? Ich wollte das Projekt, in das ich bereits viel Zeit und Kraft ge‑ steckt hatte, nicht einfach im Stich lassen. Es war zeitweise eine Quälerei. Ich litt unter Erschöpfun­g, „Fatigue“nennen das die Mediziner. Meine Frau machte sich große Sorgen, weil ich am Ende meiner Kräfte war. Anderersei­ts hat mich das Schreiben tatsächlic­h von meiner Krebskrank­heit abgelenkt, wie es mein Arzt vorausgesa­gt hatte.

Sie haben Ihre Krankheit öffentlich gemacht. Fiel Ihnen die‑ ser Schritt schwer? Nein, das stand für mich fest. Auch weil ich ein gläubiger Jünger von Mildred Scheel bin, der Gründerin der Deutschen Krebshilfe. Sie hat immer gefordert, über die Krankheit offen zu reden. Dies ist absolut richtig. Mit meiner Schilderun­g will ich Mitmensche­n, die in die gleiche Situation wie ich geraten, ermutigen, beim Auftreten erster Symptome gleich zum Arzt zu gehen. Durch rechtzeiti­ge Behandlung kann viel Leid und Unheil vermieden werden.

Wie geht es Ihnen heute? Ich befinde mich mitten in einer Chemothera­pie. Mir geht es nicht immer gut, aber vorwiegend. Ich betrachte jeden Tag als ein Geschenk. Ich lebe zu Hause behütet von meiner Frau und unseren Kindern in einer glückliche­n Isolation. Bislang ist die Prognose von Professor Büchler aufgegange­n Mein Buch habe ich zu Ende geschriebe­n. Darüber bin ich froh. Habe ich weite‑ re Buchpläne? Im Prinzip ja, aber ich werde sie nicht verfolgen. Ich möchte meiner Frau nicht weitere Sorgen um meine Ge‑ sundheit bereiten.

Haben Sie das Gefühl, Sie muten Ihrer Frau zu viel zu? Im Laufe unseres langen Ehelebens habe ich ihr genügend Über‑ raschungen zugemutet. Als ich um sie warb, hatte ich ihr ein interessan­tes gemeinsame­s Leben in Aussicht gestellt, mit Korrespond­entenplätz­en in Paris und Washington. Aber zu‑ nächst kam es ganz anders. 1970, kurz nach der Geburt unse‑ res ersten Kindes, wurde ich nach Moskau versetzt. Die kom‑ munistisch­e Sowjetunio­n galt als finsteres Loch. Meine Frau kämpfte sich also mit dem Kinderwage­n durch den Morast unseres Hinterhofs in Moskau. Trotzdem hat sie die Zeit genos‑ sen. Gerda Pleitgen, geborene Lichtenber­g, hat die große Gabe, aus schwierige­n Situatione­n das Beste zu machen.

„Ich betrachte jeden Tag als GESCHENK“

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LANGE EHE Er habe seiner Frau viele Überraschu­ngen bereitet, sagt Fritz Pleitgen (hier beim Sportpress­eball 2010). Gerda Pleitgen besitze das Talent, aus jeder Situation das Beste zu machen, sagt ihr Ehemann
 ??  ?? KURZ VOR DER DEUTSCHEN EINHEIT Fritz Pleitgen (r.) interviewt­e 1990 Bundeskanz­ler Helmut Kohl (†) und Alt-Kanzler Willy Brandt (†, l.)
NEUES WERK Fritz Pleitgens Erinnerung­en an die Deutsche Einheit erscheinen am 11. Mai (Verlag Herder, 24 Euro)
KURZ VOR DER DEUTSCHEN EINHEIT Fritz Pleitgen (r.) interviewt­e 1990 Bundeskanz­ler Helmut Kohl (†) und Alt-Kanzler Willy Brandt (†, l.) NEUES WERK Fritz Pleitgens Erinnerung­en an die Deutsche Einheit erscheinen am 11. Mai (Verlag Herder, 24 Euro)
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NACH DER OPERATION Fritz Pleitgen, ein groß gewachsene­r, schlanker Mann, ist schmaler geworden durch die Krankheit
SZENE NACH DER OPERATION Fritz Pleitgen, ein groß gewachsene­r, schlanker Mann, ist schmaler geworden durch die Krankheit
 ??  ?? OFFENE WORTE Fritz Pleitgen, ehemaliger TV-Journalist und Ex-Präsident der Deutschen Krebshilfe, und BUNTE-Redakteuri­n Katrin Sachse trafen sich in Bonn zu einem langen Gespräch
OFFENE WORTE Fritz Pleitgen, ehemaliger TV-Journalist und Ex-Präsident der Deutschen Krebshilfe, und BUNTE-Redakteuri­n Katrin Sachse trafen sich in Bonn zu einem langen Gespräch

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