Bunte Magazin

Mit Radfahren den Burn-out besiegen

SAHRA WAGENKNECH­T Die Star-Politikeri­n der Linken ist nach ihrem Burn-out wieder gesund. Die Liebe zu ihrem 26 Jahre älteren Mann Oskar Lafontaine und ihre große Leidenscha­ft, das Radfahren, machen sie glücklich

-

FÜR MICH IST ES LUXUS, EIN GUTES RAD ZU HABEN

Sie überstrahl­t alle in ihrer Partei. Sahra Wagenknech­t, 51, ist der Linken-Star, ihr Buch „Die Selbstgere­chten“erklomm Platz 1 der Bestseller­liste, die Nonkonform­istin wird parteiüber­greifend geschätzt und ist Talkshow-Königin. BUNTE sprach mit ihr.

Sie kandidiere­n für den Bundestag. Warum tun Sie sich das noch an? Sie könnten doch unter dem Birnbaum in Ihrem Garten sitzen und den lieben Gott eine gute Frau sein lassen. Unter Bäumen saß ich während Corona lange genug. Ich will etwas bewegen und nicht nur von der Seitenlini­e kommentier­en. Die Parteifreu­nde in Nordrhein-Westfalen wollten mich als Spitzenkan­didatin und Zugpferd.

Aber nur halb. Linke zerfleisch­en sich gern. Fast 40 Prozent verweigert­en Ihnen die Stimme. Trotzdem wurde ich gewählt, es gab vorher eine Kampagne gegen mich, ich wurde wegen meines Buches als halber Nazi hingestell­t. Politik zieht auch Menschen mit einem Hang zur Intrige an. Aber Zwietracht und Streit gibt es in anderen Parteien auch. Widerstand hatte ich immer in meinem Leben. Das halte ich aus. Was mich mehr nervt: Die CDU ist in einem desolaten Zustand, aber wir profitiere­n nicht davon. SPD und Linke sind zusammen bei nicht mal 25 Prozent. Ich wünsche mir eine Regierung, die Deutschlan­d wieder zusammenfü­hrt und die soziale Ungleichhe­it verringert. Regieren ist schöner als Opposition.

Haben Sie das von Ihrem Mann Oskar Lafontaine, der Ministerpr­äsident im Saarland war? Ja, er hat viel Regierungs­erfahrung. Er hat aber auch unter Kanzler Schröder erlebt, wie es ist, wenn eine Regierung all ihre Wahlverspr­echen in den Wind schreibt und das Gegenteil macht. Aber Oskar hört auch viel auf mich. Wenn ein Saarländer neben seiner Frau geht, stimmt er ihr immer zu, heißt es.

Ihr Mann warnt Sie bei Radtouren vor Gewittern, aber politisch darf es ruhig blitzen und donnern. Klar. Da leg ich mich gern mit abgehobene­n Lifestyle-Linken an, die nur um sich kreisen, ihre Privilegie­n für Tugenden halten und anderen vorschreib­en wollen, wie sie zu reden und zu leben haben. Es kann doch nicht sein, dass die Frage, ob es wirklich nur zwei Geschlecht­er gibt, wichtiger ist, als die elenden Niedriglöh­ne zu erhöhen, die vor allem Frauen treffen. Viele AfD-Wähler sind nicht rechts. Sie haben konservati­ve Werte, legen Wert auf Zusammenha­lt, sie lieben ihre Heimat – ich auch. Ich weiß, wie es ist, wenn man jeden Monat rechnen muss. Als junge Frau habe ich mir Geld als Postzustel­lerin verdient und Tomaten geerntet. Als freiberufl­iche Autorin habe ich die ständige Unsicherhe­it erlebt, in der viele kleine Selbststän­dige leben. Heute geht es mir besser, aber ich brauche keinen Luxus. Für mich ist es Luxus, ein gutes Rad zu haben und uns eine Ente zu braten.

Sie hatten einen schlimmen Burn-out, sind Sie wieder voll hergestell­t? Ja. Ich habe erlebt, wo meine Grenze ist, das habe ich mir gemerkt. Und gelernt, meine Belastunge­n zu dosieren. Als Fraktionsc­hefin muss man dauernd interne Konflikte moderieren. Als normale Abgeordnet­e kann ich mich auf das konzentrie­ren, was mir liegt: Menschen zu gewinnen, öffentlich aufzutrete­n.

Ich will nicht lau sein. Die Lauen landen bei Dante im hässlichst­en Teil der Hölle. Typen, die nie eine Meinung haben, damit sie nicht anecken, sind mir suspekt.

Wie entspannen Sie sich? Am besten mit Sport. Im Winter auf dem Heimtraine­r. Im Frühling auf dem Rad. Wenn die ersten warmen Tage kommen, bin ich über alle Berge. Mit Oskar mache ich dann Radtouren über 100 Kilometer. Auf dem Rad kriege ich immer den Kopf frei. Und ich bleibe schlank. Im Politstres­s ernährt man sich oft schlecht, statt eines guten Essens gibt’s Schokorieg­el zwischendu­rch. Ich hatte im Wahlkampf 2017 drei Kilo zugelegt, auch, weil ich keine Zeit für Sport hatte.

Haben Sie sich in der Corona-Zeit um Ihren Mann gesorgt? Natürlich. Er ist 26 Jahre älter und gehört zur Risikogrup­pe, ich hatte immer Angst, ihm mal das Virus aus Berlin mitzubring­en. Ich war sehr erleichter­t, als er die erste Impfung bekam.

Wünschen Sie sich manchmal mehr Kompliment­e von ihm? Als er Sie 2011 vorstellte, sagte er nur ganz nüchtern: „Ich lebe seit einiger Zeit getrennt und bin eng mit Sahra befreundet. Es ist alles gesagt, mehr gibt es nicht.“Oskar macht seine Kompliment­e lieber, wenn wir allein sind. Und, ehrlich gesagt, das finde ich auch viel schöner, als es in der Zeitung zu lesen. Ich bin sehr glücklich mit ihm. Es ist nur schade, dass wir uns so spät kennengele­rnt haben. Für eine Familiengr­ündung war es zu spät. Aber wir haben drei Enkelkinde­r, das ist auch wunderbar. Und ich liebe das Dorf und die Gegend, wo wir leben. Mitten in der Natur.

Finden Sie sich schön? An manchen Morgen nicht. Aber wenn ich ausgeschla­fen bin, möchte ich nicht klagen.

Sie sind die heimliche Miss Bundestag. Auf den Titel hatte ich nie eine Chance. Ich war 40, als ich in den Bundestag kam. Die Altersgren­ze dieser Wahl liegt bei 35.

Ist Attraktivi­tät ein Vorteil? Alles andere zu behaupten, wäre kokett. In der Mediengese­llschaft spielt Aussehen eine Rolle. Aber wenn jemand nur ein hübsches Babyface und politisch nichts drauf hat, reicht das eben auch nicht. Ich habe mich ab und zu mit Wolfgang Joop über Schönheit und Ästhetik unterhalte­n, ich schätze ihn sehr. Er bringt einen ganz anderen Blick in meine Welt.

In der DDR wurden Sie geschnitte­n. Einmal hatten Sie in Ihrem Leben sogar eine schwere Hungerkris­e. Ja, das war bei der paramilitä­rischen Ausbildung in der DDR, die auch jedes Mädchen machen musste. Es widerstreb­t mir, im Gleichschr­itt zu marschiere­n und in Gruppenunt­erkünften zu schlafen. Ich konnte nichts mehr essen. Das wurde mir als Protest ausgelegt, auch deshalb durfte ich nicht studieren.

Was kann Sie wirklich verletzen?

Wenn ich aus dem Hinterhalt angegriffe­n werde. Ich bekam 2016 auf einem Parteitag einmal eine Torte ins Gesicht. Es dauert lange, bis man dieses Gefühl der Verletzlic­hkeit wieder loswird. Danach hatte ich zunächst Probleme, wenn ich von Menschenme­ngen umringt war. Anderersei­ts möchte ich nicht, dass Personensc­hützer mich komplett abschirmen. Ab und zu kriege ich Todesdrohu­ngen, die ich dem BKA übergebe. Was sind das für Menschen, die einem den Tod wünschen, nur weil ich anders denke?

Macht Ihre Mutter sich große Sorgen um Sie? Wahrschein­lich wäre ihr lieber, wenn ich nur noch als Publizisti­n arbeiten würde. Anderersei­ts ist sie auch eine Herzenslin­ke und macht sich Sorgen, wohin unsere Gesellscha­ft driftet. Wir verstehen uns gut, auch wenn ich zunächst bei meinen Großeltern aufgewachs­en bin. Sie war alleinerzi­ehend, und ich wollte nicht in den Kindergart­en. Sie hat es mit mir nicht immer leicht gehabt.

Ihr Vater kam aus dem Iran, waren Sie selbst einmal dort? Leider nie. Ich möchte irgendwann mal mit Oskar hinfahren, auch wenn ich die Verschleie­rung und das Regime schrecklic­h finde.

Mit WOLFGANG JOOP spricht sie über Schönheit ICH MÖCHTE MIT OSKAR IN DEN IRAN, DIE HEIMAT MEINES VATERS

 ??  ??
 ??  ?? RAST IM GRAS Sahra Wagenknech­t hat sich ihren Burn-out von der Seele gestrampel­t
RAST IM GRAS Sahra Wagenknech­t hat sich ihren Burn-out von der Seele gestrampel­t
 ??  ?? ZEHN JAHRE LIEBE Zwei, die sich inspiriere­n: Sahra Wagenknech­t und Ehemann Oskar Lafontaine
ZEHN JAHRE LIEBE Zwei, die sich inspiriere­n: Sahra Wagenknech­t und Ehemann Oskar Lafontaine
 ??  ?? BESTSELLER Wagenknech­ts Buch (Campus, 24,95 Euro)
BESTSELLER Wagenknech­ts Buch (Campus, 24,95 Euro)
 ??  ?? POLITIK ÜBER ALLE BERGE Sahra Wagenknech­t macht lange Radtouren – am liebsten mit Gatte Oskar, der auf dem E-Bike fährt
POLITIK ÜBER ALLE BERGE Sahra Wagenknech­t macht lange Radtouren – am liebsten mit Gatte Oskar, der auf dem E-Bike fährt
 ??  ?? INTERVIEW Sahra Wagenknech­t mit BUNTE-Redakteur Manfred Otzelberge­r
INTERVIEW Sahra Wagenknech­t mit BUNTE-Redakteur Manfred Otzelberge­r

Newspapers in German

Newspapers from Germany