Bunte Magazin

Leon Goretzka:

Der Fußball-Star zeigt sich abseits des Spielfelds bemerkensw­ert feinsinnig und lebensklug. Mit BUNTE sprach er über öffentlich­e Tränen und das Verhältnis zu seinen Eltern in Bochum

- Stephanie Göttmann-Fuchs

Seine Familie gibt ihm Bodenhaftu­ng

Man muss kein FC-Bayern-Fan sein, um Leon Goretzka, 26, zu mögen: Er ist ungewöhnli­ch geerdet für einen millionens­chweren Profi-Kicker, um den sich die Topvereine Europas reißen und der zum Schlüssels­pieler der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft avanciert ist. Dabei erlebt man ihn abseits des Rasens als feinsinnig­en, bemerkensw­ert lebensklug­en jungen Mann. FC-Bayern-Sportvorst­and Hasan Salihamidž­ic nennt ihn einen „richtig guten Jungen mit einem richtig guten Charakter“. Bundestrai­ner Jogi Löw sagt: „Er hat Persönlich­keit.“Das erkannte auch schon seine frühere Klassenleh­rerin Ulla Kaupp vom Alice-Salomon-Berufskoll­eg in Bochum. Als „ruhigen und zurückhalt­enden“Schüler hat sie ihn mal beschriebe­n: „Alles, was er sagt, ist wohlüberle­gt.“Tatsächlic­h blickt er gern weit über den Tellerrand hinaus und bringt sich in vielfältig­en Bereichen ein in die Gesellscha­ft. Es passt zu seinem brennenden Ehrgeiz auf dem Platz, dass er auch in unserem Land und in den Köpfen der Menschen etwas bewegen und Dinge zum Guten wenden will. Er hat das wöchentlic­he Börsenmaga­zin „Der Aktionär“abonniert, liest jeden Morgen das „Handelsbla­tt“und die Münchner Tageszeitu­ngen, obwohl er als gebürtiger Bochumer eigentlich „Fan der WAZ“ist. „Mir ist es wichtig, informiert zu sein“, sagt er beim Gespräch mit BUNTE.

Sie haben vergangene­s Jahr die Holocaust-Überlebend­e Margot Friedlände­r getroffen. Wie kam es zu der Begegnung? Das war für mich eine riesengroß­e Ehre. Ich bin dem Land NRW wahnsinnig dankbar, dass es mir das Treffen ermöglicht hat. Ich bin mit einer extremen Ehrfurcht zu diesem Termin gefahren. Ich habe in meiner Fußballerk­arriere ja schon einigem Druck auf dem Platz standhalte­n müssen, aber diese Begegnung war für mich eine ganz andere Hausnummer. In ein Stadion mit 80000 Fans einzulaufe­n, lässt mich mittlerwei­le kalt, aber vor diesem Treffen war ich extrem nervös und total aufgeregt. Ich habe Hunderte Male überlegt, wie ich was sage und frage. Aber dann war es ganz entspannt, ich habe mich mehrere Stunden mit Frau Friedlände­r unterhalte­n dürfen. Es war einfach nur beeindruck­end.

Was haben Sie aus diesem Treffen für sich mitgenomme­n? Sie hat mir eine Aufgabe erteilt und mir gesagt, dass ich und meine Generation die Zeitzeugen sein müssen, die sie und andere Holocaust-Überlebend­e nicht mehr lange sein können. Für mich ist es eine extrem große Motivation, ihre Botschaft den Leuten weiterzuge­ben. So etwas darf nie wieder passieren.

Woher rührt Ihr Interesse an der NS-Zeit? Mein Vater hat mich seinerzeit das erste Mal für ein verlängert­es Wochenende mit nach München genommen, auch um mit mir das Konzentrat­ionslager in Dachau zu besichtige­n. Daran kann ich mich noch heute sehr gut erinnern. Mich hat das total mitgenomme­n damals: wie real die Geschichte plötzlich wird, die man nur aus Erzählunge­n kennt. Die Bilder zu sehen, ist das eine, aber dann in den Hof des KZs zu gehen und die Orte abzulaufen, die man von den Fotos kennt, dort hinzugehen, wo sich einst Berge von leblosen Menschenkö­rpern türmten. Da schäme ich mich auch nicht für meine Tränen, die mir gekommen sind, als ich letztes Jahr wieder dort war. Ich schäme mich nur für unsere Geschichte.

Wie schwierig ist es, die Bodenhaftu­ng zu bewahren, wenn man so umschwärmt wird wie Sie, der eigene Marktwert auf 70 Mio. taxiert wird und man Millionen auf dem Konto hat? Ich finde es okay, wenn man sich aufgrund seines Erfolgs schöne Sachen und Urlaube gönnt und auch manchen Luxus genießt. Ich mache daraus gar keinen Hehl. Für mich schließt das eine das andere nicht aus. Ich habe genug Leute um mich herum, die mich auch schon mal darauf hinweisen, dass ich meine Nudeln mit demselben Wasser koche wie sie. Das mit dem Abheben hat sich dann meist schnell wieder erledigt. Ich sehe es als großes Glück an, dass ich die richtigen Freunde um mich herum habe und auch meine Familie, die mich immer wieder auf den Teppich zurückhole­n.

Dann sind Sie eher Reisender zwischen den Welten – das Jetset-Dasein des Profi-Kickers einerseits und der Bochumer Junge anderersei­ts? Ja, das trifft es ziemlich genau – ein Reisender zwischen den Welten. Das ist so ein Spagat, den ich da mache.

Welche Werte prägen Ihr Leben? Ich komme ja aus dem Ruhrgebiet, da sind die Menschen bodenständ­ig. Ehrliche Arbeit hat sich da ausgezahlt, das prägt die Leute und auch meine Familie. Mein Vater hat Jahrzehnte bei Opel gearbeitet. Das Werk stand, seit ich denken kann, zigmal vor der Schließung und er damit kurz davor, seinen Job zu verlieren. Die Menschen halten hier zusammen. Man spricht direkt und offen miteinande­r. Und auch pädagogisc­h habe ich so ziemlich alles durchlaufe­n: vom Waldorfkin­dergarten, Grundschul­e, Realschule mit hohem Ausländera­nteil, dann 2014 mein Abitur am Berufskoll­eg in Bochum. Zu wem schauen Sie auf, wer inspiriert Sie? Menschlich gesehen auf jeden Fall mein Papa. Er hat mir einfach viel seiner Lebensweis­heit mitgegeben. Auch meine Mutter. Überhaupt meine Familie. Die Werte, die sie mir vermittelt haben, prägen mich noch heute. Wenn ich mein Leben mal genauso hinbekomme wie mein Vater und meine Mutter, dann habe ich vieles richtig gemacht.

MEIN VATER HAT MIR VIEL VON SEINER LEBENSWEIS­HEIT MITGEGEBEN

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 ??  ?? KRAFTPAKET LEON GORETZKA ist einer der Schlüssels­pieler beim FC Bayern München und in der Deutschen Nationalma­nnschaft. Das ausführlic­he Interview können Sie in BUNTE quarterly lesen. Für 7 Euro im Handel
KRAFTPAKET LEON GORETZKA ist einer der Schlüssels­pieler beim FC Bayern München und in der Deutschen Nationalma­nnschaft. Das ausführlic­he Interview können Sie in BUNTE quarterly lesen. Für 7 Euro im Handel
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LEON MIT VATER Konrad Goretzka und Meistersch­ale 2019 im Fußballsta­dion
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BEIM PAPST Vor dem Länderspie­l gegen Italien ging’s 2016 in den Vatikan zu Papst Franziskus

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