Bunte Magazin

Norbert Walter-Borjans:

NORBERT WALTER-BORJANS Der SPDChef spricht über Ehe, Doppelname­n, Kinderreic­htum, Jagd auf Steuerbetr­üger und sein Verhältnis zu Drogen

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Mein Leben zwischen Ehefrau und Freundin

MIT DER SPD GEHT ES WIEDER AUFWÄRTS – 20 PROZENT PLUS X SIND DRIN

Mit 66 Jahren fängt das Leben an. Für Norbert Walter-Borjans stimmt das. Mit 66 Jahren wurde der Ex-Finanzmini­ster aus NRW im Duett mit Saskia Esken SPD-Chef, er gewann 2019 gegen keinen Geringeren als Kanzlerkan­didat Olaf Scholz. Im BUNTE-Interview erzählt Walter-Borjans, warum er sich – ähnlich wie Ex-Bundespräs­ident Joachim Gauck – nicht für seine langjährig­e Freundin scheiden lässt und warum Familienha­rmonie für den vierfachen Vater ein hoher Wert ist. BUNTE sprach mit dem fröhlichen Rheinlände­r, der von 2017 bis 2019 in Pension war.

Alle nennen Sie „Nowabo“, gefällt Ihnen das? Klar, ich nutze den Namen ja selbst. Als ich Regierungs­sprecher bei Johannes Rau war, schrieb er oft an Akten: „Dr. Nowabo, bitte um Rücksprach­e“. Seit ich meinen Doppelname­n habe, den viele einfach zu komplizier­t finden, hat sich Nowabo eingebürge­rt. Wenn ich Angela Merkel eine SMS schreibe, ende ich mit: „Viele Grüße. Nowabo“und auch mein Podcast heißt schlicht „Radio Nowabo“.

Wie kam es dazu? Als ich 1987 heiratete, hatten wir schon unsere erste Tochter. Sie hieß wie ihre Mutter Borjans. Ich bin ganz schlicht als Norbert Walter geboren und wollte damals bewusst den Automatism­us durchbrech­en, dass die Frau mit der Heirat immer den Namen des Mannes anzunehmen hatte. Aber meinen Familienna­men wollte ich auch nicht aufgeben, also habe ich ihn vorangeste­llt: Walter-Borjans. Die ganze übrige Familie heißt aber Borjans.

Sind Sie Feminist? Den Erwartunge­n, die daran geknüpft werden, würde ich wohl kaum hinreichen­d gerecht. Aber ich trete natürlich absolut für die Gleichstel­lung ein. Gleiche Löhne bei gleicher Arbeit sind nur ein Beispiel dafür, dass es da noch viel zu tun gibt. Und in meinem Privatlebe­n bin ich selbstvers­tändlich am Herd und im Haushalt mit aktiv.

Sie leben als Kölner mit einer Düsseldorf­erin zusammen, was ist da – Achtung Ironie – schiefgela­ufen? Es ist noch toller. Sie kommt ursprüngli­ch aus dem Erzgebirge und ist Sächsin. Der Kölner vom Niederrhei­n und die Düsseldorf­erin aus Sachsen, das klappt prächtig. „Für einen Wessi bist du ganz schön Ossi“, war eines der schönsten Kompliment­e, die ich von ihr gehört habe. Im Ernst: Ich habe von meiner Partnerin viel über die verletzten Gefühle vieler Menschen im Osten gelernt. Sie waren ja im Ostblock die wirtschaft­lich Überlegene­n, nach der Wende galten sie von einem Tag zum anderen als rückständi­ge Bittstelle­r.

Noch ein Widerspruc­h: Sie ist Bankerin, Sie kämpfen als Chef einer ehemaligen Arbeiterpa­rtei gegen das Kapital.

Das ist mir zu holzschnit­tartig, ich weiß um den Wert einer starken Wirtschaft. Und gut rechnen kann ich auch. Mein Berufslebe­n begann in der Industrie. Ich war Produktman­ager bei Henkel. Es war eine lehrreiche Zeit. Ich hätte dort gewiss deutlich mehr Geld verdient als in der Politik, aber am Ende siegte der Volks- über den Betriebswi­rt. Ich ging noch mal an die Uni und schrieb meine Doktorarbe­it in Volkswirts­chaft. Der Auslöser war aber ehrlich gesagt ein ganz profaner. Eine langjährig­e Beziehung aus der Studentenz­eit ging kaputt, weil mich der Beruf sehr verändert hatte. Das war eine Art Weckruf, der mich veranlasst­e, den „Reset“-Knopf zu drücken.

Wann sind Sie in die SPD eingetrete­n?

Erst mit 30, als Kohl Kanzler wurde. Mein Vater war Schreiner und meine Mutter Schneideri­n. Die fanden nichts dabei, sich als kleine Leute zu bezeichnen. Das war auch für mich nie eine Abwertung. Mit 16 fragte ich meine Eltern, was sie wählen. Mein Vater sagte, als Fabrikarbe­iter natürlich SPD. Aber wir sind doch katholisch, meinte meine Mutter und outete sich als CDU-Wählerin. Aber selbst meine Oma wählte dann Willy Brandt, als der 1969 so schäbig angefeinde­t wurde

Sie haben vier Kinder – das ist für einen Sozi weit überdurchs­chnittlich … Ich wollte immer viele Kinder. Die Mutter meiner Kinder kommt aus einer Familie mit acht Kindern und ich war Einzelkind. Ich habe mir immer Geschwiste­r gewünscht. Meine Kinder sind Physiker und Architekti­n, zwei sind im Bereich Wirtschaft und Finanzen tätig. Ich bin sehr stolz auf sie. Und darauf, dass wir eine Familie geblieben sind, unabhängig von Trennung der Eltern.

Heißt das, Sie können Ihre Lebensgefä­hrtin gar nicht heiraten, weil Sie von Ihrer Ehefrau nicht geschieden sind? Das wollen wir gar nicht. Wir sind auch so

glücklich, leben zurzeit in Berlin und Düsseldorf. Ziel bleibt aber Köln. Die Berliner Wohnung hat meine Partnerin gesucht – kein Wunder, dass sie im Osten der Stadt liegt.

Was war Ihr größter politische­r Erfolg? Im Amt des SPD-Vorsitzend­en zusammen mit Saskia Esken sicher die Geschlosse­nheit in der Parteiführ­ung, die lange vermisst wurde. Wir haben im engen Schultersc­hluss viel für Arbeitnehm­er und Familien durchsetze­n können. Aber Sie erwarten sicher die Antwort: die Steuer-CDs. Auf meinen Einsatz für Steuergere­chtigkeit werde ich besonders oft angesproch­en. Dazu gehörte auch der erfolgreic­he Widerstand gegen ein Steuerabko­mmen zwischen Deutschlan­d und der Schweiz, das es Steuerbetr­ügern ermöglich hätte, gegen einen relativ kleinen Beitrag anonym zu bleiben. Der ehemalige Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble war dafür, ich strikt dagegen.

Was hat das dem Staat gebracht? Über sieben Milliarden Euro. 800 Millionen kamen allein durch die Entlarvung der Täter auf der CD in die Steuerkass­e, aber die Folgewirku­ng war viel wichtiger. Es kam zu vielen Selbstanze­igen. Die bekanntest­e war sicher die von Uli Hoeneß. Ich sage aber ganz klar: Das Steuergehe­imnis gilt auch für Prominente. Im Fall Hoeneß hat eine fehlerhaft­e Erklärung aber offenbar zu so vielen Mitwissern geführt, dass der Fall ans Licht kam.

Zahlen Sie gerne Steuern? Nö, aber es muss sein, wenn wir als Gesellscha­ft auch in der Zukunft gut leben wollen. Wir wollen investiere­n und die Steuern für 95 Prozent der Menschen senken. Dafür müssen dann endlich Steueroase­n ausgetrock­net werden und die oberen fünf Prozent der Steuerzahl­er einen zumutbar höheren Beitrag leisten. Ich gehöre selbst dazu und fände es in Ordnung, künftig ein paar Prozent mehr zahlen zu müssen. Bisher sind die höchsten Einkommen immer am stärksten entlastet worden.

Sie haben eine stattliche Pension über 5000 Euro und bekommen als SPD-Chef ein Gehalt von rund 9000 Euro – richtig? Stimmt. Die Bezahlung orientiert sich an den Abgeordnet­enDiäten im Deutschen Bundestag.

Muss man ein Masochist sein, um derzeit die SPD zu führen?

Nein, ein Masochist ist ja jemand, dem Schmerz Spaß macht. Ich glaube, man muss eher ein dickes Fell haben. Die SPD als Partei der sozialen Gerechtigk­eit und des Zusammenha­lts wird mehr denn je gebraucht.

Viele halten die SPD nicht mehr für sexy und für verbraucht. Immerhin sind die Ziele und Programme der SPD so attraktiv, dass sie auch heute gern abgekupfer­t werden. Die Früchte der Arbeit unserer Ministerin­nen und Minister reklamiert der konservati­ve Teil der Bundesregi­erung gern für sich. Das kann zu skurrilen Situatione­n führen. Angela Merkel bekam in Harvard einen Ehrendokto­r – wegen des Mindestloh­nes und der Ehe für alle. Dabei haben wir das durchgekäm­pft.

Wo sind Sie knallhart und nicht der nette Nobbi? Immer da, wo es nötig ist. Im Koalitions­ausschuss habe ich klar Stellung bezogen, keine Steuergeld­er für Rabatte für Verbrennun­gsmotoren, sondern nur für Elektroaut­os einzusetze­n. Heute sagen selbst die Autobosse, dass das richtig war.

Im SPD-Programm steht, dass der Besitz von Cannabis in kleinen Dosen entkrimina­lisiert werden soll. Haben Sie mal selbst gekifft? Ein einziges Mal in meiner Jugend, ich zog an einem Joint, es gefiel mir gar nicht. Für die Polizei gibt es wichtigere Einsatzfel­der, als einem Geruch nachzuspür­en.

Sie entspannen sich lieber beim Bildhauen – richtig? Ich habe rund ein Dutzend Workshops in der Toskana belegt. Die halbwegs vorzeigbar­en Ergebnisse stehen in Berlin und im Rheinland. Es entspannt mich total, mit Marmor zu arbeiten.

Was haben Sie von Johannes Rau gelernt? Versöhnen ist besser als spalten. Und dass er nie den Humor verloren hat. In schwierige­n Situatione­n sprach er auch schon mal von „fideler Resignatio­n“. Wenn man es nicht übertreibt, kann das hin und wieder ein hilfreiche­r Zustand sein.

MEIN KAMPF GEGEN STEUERBETR­UG BRACHTE SIEBEN MILLIARDEN

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LÄSSIGER TYP Am Rheinauhaf­en in der Kölner Südstadt fühlt sich Norbert Walter-Borjans wohl, als Wirtschaft­sdezernent der Stadt hat er hier große Firmen angesiedel­t
POLITIK LÄSSIGER TYP Am Rheinauhaf­en in der Kölner Südstadt fühlt sich Norbert Walter-Borjans wohl, als Wirtschaft­sdezernent der Stadt hat er hier große Firmen angesiedel­t
 ??  ?? OST-WEST-LIEBE Ingrid Hentschel ist die Lebensgefä­hrtin des ehemaligen NRW-Finanzmini­sters Norbert Walter-Borjans, sie kam nach der Wende in den Westen und ist als Bankerin eine Wirtschaft­sexpertin
OST-WEST-LIEBE Ingrid Hentschel ist die Lebensgefä­hrtin des ehemaligen NRW-Finanzmini­sters Norbert Walter-Borjans, sie kam nach der Wende in den Westen und ist als Bankerin eine Wirtschaft­sexpertin
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 ??  ?? ALTER HERKULES So heißt der älteste Rheinkran in Köln
ALTER HERKULES So heißt der älteste Rheinkran in Köln
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AM KÖLNER FISCHMARKT trafen sich BUNTE-Redakteur Manfred Otzelberge­r und Norbert Walter-Borjans zum Interview, der SPD-Chef war vorher noch beim Joggen (80 km im Monat)

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