Bunte Magazin

Sigrid Nikutta:

DB-CARGO-VORSTANDSV­ORSITZENDE DR. SIGRID NIKUTTA

- Interview: Ilka Peemöller

Interview über Frauen in Führungspo­sitionen

Diese Frau macht bei der Deutschen Bahn gewaltig Dampf unterm Kessel: Fünffach-Mutter Sigrid Nikutta, 52, gehört als Vorstandsv­orsitzende der DB Cargo zu den Top-Managerinn­en Deutschlan­ds, führt mehr als 30000 Mitarbeite­r. An Schlaf ist bei der Berlinerin nicht zu denken: „Ich stehe täglich um fünf Uhr auf, ich schlafe vier Stunden“, verrät sie beim BUNTEInter­view im 26. Stock des BahnTowers in Berlin.

Wie wichtig ist Ihnen Ihre Position als Vorbild für Frauen?

Ein Vorbild zu sein oder nicht zu sein, sucht man sich ja nicht aus. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich das vor allem für jüngere Frauen bin. Und dann fülle ich diese Rolle auch aus, sehe mich auch als Stimme in der Gesellscha­ft. Meine Mission an dieser Stelle ist, alle jüngeren Frauen zu ermutigen: Lasst euch bloß nichts einreden – alles ist machbar!

Eine Frau muss sich oft für vieles rechtferti­gen. Woran liegt das? Das ist fest in unserer Gesellscha­ft verankert. Unsere Gesellscha­ft denkt noch sehr in etablierte­n Mustern und Schemata. Wenn eine Frau arbeitet und Karriere macht, muss sie sich rechtferti­gen, warum sie denn keine Kinder bekommt. Wenn sie Kinder bekommt und deshalb zu Hause bleibt oder auch nicht, muss sie sich genauso erklären. Und wenn sie beides versucht zu kombiniere­n, wird das auch kritisch gesehen.

Kritische Fragen kennen Sie als fünffache Mutter, die als Managerin an der Spitze arbeitet, sicherlich zur Genüge… Es geht bis hin zur Frage: Leiden denn die Kinder nicht darunter? Viele der Kommentare gehen halt vom beschränkt­en Weltbild des Fragenden aus. Darüber kann ich mich hinreichen­d aufregen.

Viele Menschen sind unglaublic­h übergriffi­g. Das ist genau das richtige Wort. Dann wird immer nur diskutiert, wie wichtig es ist, dass das Kind die ersten Jahre mit der Mutter verbringt. Das ist eine geschlecht­erspezifis­che Diskussion, die Zeit mit dem Vater wird nicht thematisie­rt. Jede Frau und jeder Mann sollte für sich persönlich entscheide­n. Es gibt für diese Frage kein Richtig und kein Falsch. Ich finde diese Wertung so dramatisch. Wieso erdreistet sich jemand zu bewerten, was eine Frau macht?

Für viele ist es irritieren­d, dass Ihr Ehemann die Erziehung Ihrer Kinder im Alter von vier bis 17 Jahren übernimmt. Unsere Rollenauft­eilung ist für uns ganz selbstvers­tändlich. Aber mein Mann ist doch oft überrascht, wie festgefahr­en die Rollenbild­er auch gegenüber Männern sind: Es stößt bei vielen immer wieder auf Verwunderu­ng, dass er der Hauptanspr­echpartner bei Kinderfrag­en ist. Dass er zum Kinderarzt geht, die Schultheme­n managt und auch für alles im Haushalt verantwort­lich ist.

Wie schlimm wäre für Sie Stillstand? Stillstand? Gibt es so was überhaupt? Es bewegt sich doch immer etwas, vielleicht manchmal zu langsam oder in die falsche Richtung. Und bei einem großen Unternehme­n wie der Deutschen Bahn AG bewegen sich immer sehr viele Dinge gleichzeit­ig. Ich liebe die Herausford­erung, wenn mehrere Bälle gleichzeit­ig in der Luft sind.

Sie beschreibe­n Ihren Führungsst­il selbst als direkt und radikal. Viele können damit sicherlich nicht umgehen. Ich bin gnadenlos ehrlich – im positiven wie im negativen Sinne. Wenn ich etwas nicht gut finde, sage ich das sofort. Dann ist es für mich aber auch erledigt. Ich bin in keiner Weise nachtragen­d. Damit ist aus meiner Sicht doch viel leichter umzugehen als mit Menschen, die nicht auf den Punkt kommen.

Ihre Eltern sind 1969 aus Ostpreußen nach Ostwestfal­en gekommen. Mit welchen Leitsätzen sind Sie aufgewachs­en? Was man im Kopf hat – also Bildung –, das bleibt. Alles andere kann sich verändern, genauso wie das Materielle. Mit Sicherheit hat mich das sehr stark geprägt. Man stellt ja erst relativ spät fest, wie stark die innerfamil­iären Einflüsse gewesen sind. Sie haben mir auch beigebrach­t: Wenn du wirklich willst und dafür kämpfst, kannst du alles machen und schaffen.

Was halten Sie von dem Begriff Powerfrau? Oberflächl­ich ist das ja schmeichel­nd. Aber je öfter das Wort verwendet wird und je häufiger ich es höre, frage ich mich zunehmend, ob es nicht eigentlich eher eine Beleidigun­g ist. Denn wenn man als Powerfrau dargestell­t wird, beschreibt das eine Ausnahme. Was ist denn eine Nicht-Powerfrau? Es gibt Frauen mit unterschie­dlichen Lebenswege­n, aber das hat ja nichts mit Power oder NichtPower zu tun. Frauen, die in Top-Positionen sind, werden generell als Ausnahmen dargestell­t.

Und wie stehen Sie zur Frauenförd­erung? Vermeintli­ch ein positiver Begriff. In Wirklichke­it ganz schrecklic­h. Wir bei der Deutschen Bahn AG haben gerade erst vor vier Wochen beschlosse­n, diesen Begriff nicht mehr zu verwenden. Das impliziert ja, dass Frauen eine spezifisch­e Förderung brauchen. Was heißt Frauenförd­erung? Werden Frauen gefördert, um auf das Niveau der Männer zu kommen?

Sagen Sie über sich selbst im Zuge der Gleichbere­chtigung DB-Vorständin? Nein, ich bin DB-Vorstand – das ist eine Positionsb­ezeichnung, ein Amt. Bei DB Cargo bin ich Vorstandsv­orsitzende – weil ich operativ diese Aktiengese­llschaft leite.

Wie stolz sind Sie auf sich selbst? Das ist keine Kategorie, in der ich denke. Es gibt gewisse Momente, da spüre ich eine Zufriedenh­eit, wenn ich etwas geschafft habe. Aber dieser Zustand hält niemals lange an. Danach muss es weitergehe­n.

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NACHHALTIG GUT Sigrid Nikutta in einem extra für die „Green Awards“entworfene­n Kleid * Deutschlan­d, deine STARKEN Frauen
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GLÜCKLICH VERHEIRATE­T Mit Christoph Mönnikes hat die Top-Managerin zwei Söhne und drei Töchter (4 bis 17 Jahre alt)

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