40 Olaf Scholz:
OLAF SCHOLZ Der SPD-Kanzlerkandidat spricht offen darüber, was er gerne kocht, was er von Frau Merkel hält und was er für Deutschland will
Der SPD-Politiker spricht über die Liebe
Ich will Kanzler werden.“Immer wieder sagt Olaf Scholz, 63, Kanzlerkandidat der SPD, diesen Satz im Wahlkampf, unerschütterlich glaubt er an sich. Obwohl die SPD schon seit Langem nicht mehr über die 20 Prozent gekommen ist, liegt er in persönlichen Kanzler-Umfragen bei den Bürgern und Bürgerinnen vorne. Kann der erfahrenste Politiker der Republik, der als Vizekanzler und Finanzminister international anerkannt ist, noch überraschen? BUNTE traf Scholz beim Ruderverein in Schwanenwerder. Wenn Olaf Scholz vom Rudern spricht, lächelt er.
Sie sind Hanseat, ist Wasser Ihr Element? Ja, ich habe schon in Hamburg das Rudern für mich entdeckt. Als Spätberufener, ich war über 50. Beim Rudern werden alle Muskeln beansprucht, gleichzeitig hat man einen wunderbaren Blick auf die Welt. Erst frühmorgens ein paar Runden auf der Alster rudern und dann ins Rathaus fahren zur Senats
ICH HÄTTE KEIN PROBLEM, WENN MEINE FRAU BEI UNS DIE HAUPTROLLE SPIELT
„Olaf, so geht es nicht mehr weiter mit dir“, sagte meine FRAU
sitzung, das war schön damals. Der Ruderweltmeister Christian Dahlke hat mir gezeigt, wie es geht. Jetzt hoffe ich, auch in Potsdam häufiger dazu zu kommen. Was mir besonders gefällt: Jeder kann Rudern lernen – egal wie alt.
Sind Sie schon mal ins Wasser gefallen? Natürlich, das gehört dazu und passiert selbst Weltmeistern. Deshalb übt man zur Sicherheit das Einsteigen aus dem Wasser ins Boot. Das ist gar nicht so einfach. In meiner Jugend bin ich gern geschwommen – habe den DLRG-Schein gemacht. Aber ehrlich gesagt war ich früher eher unsportlich. Als 16-Jähriger oder 36-Jähriger hätte ich mir nicht vorstellen können, dass mir Sport mal so viel Spaß macht.
Und außerdem joggen Sie noch. Zwei-, dreimal die Woche meist etwa 8 Kilometer, manchmal mehr. Der Impuls zum Joggen stammte von meiner Frau Britta Ernst. Sie sagte mir vor gut 20 Jahren: Olaf, so geht es nicht mehr
weiter mit dir! Ich sollte unbedingt was für meine Fitness tun. Sie hatte recht.
Sie sind auch deutlich schlanker geworden. Ja, ich habe mir darum neue Anzüge zugelegt, muss ja alles sitzen.
Sind Sie ein Asket – oder doch ein Genießer?
Genießer, eindeutig. Ich koche gerne, am liebsten am Wochenende. Meine Frau und ich wechseln uns da ab. Meine Königsberger Klopse krieg ich ganz gut hin. So was gibt es ja kaum noch in Restaurants.
Wie ist das Rezept für Ihre Königsberger Klopse? Ich koche weitgehend das Rezept von Tim Mälzer nach, mit kleinen Variationen.
Ist Alkohol für Sie tabu?
Im Wahlkampf ja. Da brauche ich Kraft und Disziplin, weil ich wenig Schlaf kriege. Deshalb trinke ich jetzt meistens alkoholfreies Bier, Wasser, Kaffee und Tee, ganz selten mal ein Glas Wein. Eine Bundestagswahl ist ein Marathon, da braucht man eine gute Kondition.
DER VIZEKANZLER KOCHT GERN – AM LIEBSTEN KÖNIGSBERGER KLOPSE
Ihre Frau ist Ministerin in Brandenburg – und jetzt Präsidentin der Kultusministerkonferenz. Sind Sie stolz auf sie? Natürlich. Sie ist eine anerkannte Bildungspolitikerin, war erst in Schleswig-Holstein Ministerin, seit 2017 nun in Brandenburg. Wegen meiner Frau bin ich nach Potsdam gezogen, als ich 2018 Bundesminister der Finanzen wurde.
Politik kann auch eine Flirtzone sein. Wo haben Sie sich kennengelernt? Das war in den 80er-Jahren bei den Jusos, der Jugendorganisation der SPD, in Hamburg.
Eine revolutionäre Weltanschauung kann sehr verbinden. Na, es war wohl eher die persönliche Zuneigung, ein Funke, der übersprang. Das macht doch Liebe aus. Britta ist die Liebe meines Lebens, unverändert seit so langer Zeit. Ämter kommen und gehen, die Liebe bleibt.
Steckt in Ihnen gar ein Romantiker? Ach, das mögen andere beurteilen.
Steht die Liebe zu Ihrer Frau noch vor dem größten politischen Erfolg? Natürlich, das unterschreibe ich noch mit Ausrufezeichen!
Wenn Sie die Wahl verlieren, ist Ihre Frau die Mächtigere. Ich will die Wahl gewinnen und freue mich über den großen Zuspruch, den ich gerade erhalte. Ich hätte aber kein Problem damit, wenn meine Frau die berufliche Hauptrolle spielt. Wir führen unsere Beziehung auf Augenhöhe.
Sind Sie Feminist? Bin ich. Schon in der Jugendorganisation habe ich mich für die Quote eingesetzt. Ich bin überzeugt, dass Gleichberechtigung und Feminismus wichtig sind und gut für unsere Gesellschaft – da sollten wir Männer nicht abseits stehen, sondern uns engagieren. Die Hälfte der Welt sollte den Frauen gehören. Ich bin mit 17 in die SPD eingetreten, um die Welt gerechter zu machen – auch für Frauen.
Sie haben keine Kinder, ist das der Preis für die Politik, der ja manche Politiker als Droge verfallen sind? Da gibt es keinen Zusammenhang. Ich begreife Politik auch nicht als Droge. Ich war auch als Anwalt für Arbeitsrecht glücklich.
Als junger Mann hatten Sie wunderschöne Locken – was ist mit denen passiert? Ein Schicksal, das ich mit vielen Männern teile: Die Haare fielen mitten auf meinem Kopf aus, nur an den Seiten blieb was stehen. Irgendwann habe ich mich entschieden, den Rest kurz zu rasieren – sonst sieht das doof aus.
Sie sind der älteste von drei Brüdern, der eine ist Chefarzt, der andere in der IT-Branche. Lernten Sie da Verantwortung? Meine Brüder und ich sind altersmäßig eng beieinander. Wir waren ein Dreiergespann, da gab es keinen Boss. Nach wie vor kommen wir gut miteinander aus, ich kriege auch Rat von ihnen, wenn ich ihn brauche.
Sie gelten als der männliche Merkel – ein Kompliment? Frau Merkel ist eine erfolgreiche Bundeskanzlerin – und es ist nie schlecht, mit einer erfolgreichen Frau verglichen zu werden. Unser Verhältnis war immer gut. Doch wir sind schon recht unterschiedliche Typen. Ich will was verändern – und nicht nur moderieren.
Wie gehen Sie mit den Zuschreibungen Ihrer Person um? „Farblos“, „dröge“, „langweilig“, schreiben viele Journalisten. „Seriös“haben Sie vergessen. Ich mache mir eher wenig Gedanken über solche Zuschreibungen. Ich will ja Bundeskanzler werden, nicht Zirkusdirektor. Ich habe in Hamburg zwei Wahlen gewonnen, eine davon mit absoluter Mehrheit. Und ich mache Politik mit dem Herzen, nicht nur mit klarem Verstand. Klischees verfolgen Sie aber wie die Motten das Licht. Zum Beispiel das vom „Scholzomaten“. Das ist lang her, fast 20 Jahre. Damals war das bestimmt keine ganz falsche Beschreibung, als ich SPD-Generalsekretär war und immer die gleichen Fragen gestellt bekam und immer die gleichen Antworten darauf gab. Heute ist das Bild, das die Menschen von mir haben, deutlich vielschichtiger. Nur wer sich ändert, bleibt sich treu – auch in der Politik. Und man muss neugierig und aufmerksam bleiben. Ich finde es ganz wichtig, dass man nicht sein Bild von der Welt irgendwann fertig abgeschlossen hat, sondern dass man immer versucht, die aktuellen Verhältnisse gut zu verstehen – und daraus seine Politik ableitet. Das ist mein Kompass, dem ich folge.
Wie gehen Sie mit Kränkung um? Sie sind ja auch ein Stehaufmännchen der Politik. 2019 wollte die eigene Partei Sie nicht als Chef wählen. In der Demokratie gehören Niederlagen dazu, das sollte man nicht als persönliche Kränkung missverstehen. Da geht es um Haltung und Demut und darum, nicht beleidigt zu sein. In der SPD stehen jetzt alle hinter mir und wir handeln so geschlossen wie lange nicht.
Friedrich Merz hat gesagt, er gehöre zur „gehobenen Mittelschicht“. Wo sehen Sie sich? Ich weiß, was durchschnittlich verdient wird in Deutschland. Deshalb sage ich: Ich bin reich. Mit 200000 Euro Jahreseinkommen ist man das. Leute wie ich können
ICH BIN REICH – MIT 200 000 EURO. UND MÖCHTE MEHR STEUERN ZAHLEN