Ich reiche dir die Hand
Warum fällt es uns Menschen oft so schwer, die Hilfe anderer anzunehmen? Aus dem Ehrgeiz, alles selbst schaffen zu wollen? Aus Angst, sich zu blamieren? Aus falsch verstandenem Stolz? Es fängt ja schon in der Schule an. Wenn die Klassenbeste einem geduldig und nachsichtig die Matheaufgabe erklärt – und man sich schämt, weil man es trotzdem nicht versteht. Im Beruf, wenn der Kollege hilft, die eigenen Schwächen auszugleichen – und man fürchtet, seinen Job zu gefährden, weil man sich für nicht fähig genug hält. In der Partnerschaft, wenn man, immer noch dem alten Rollenverständnis erliegend, nicht einsehen will, dass die Partnerin manches einfach besser kann – und man lieber sechsmal im Kreis fährt, anstatt dem richtigen Orientierungssinn seiner Beifahrerin zu folgen.
Von solchen Alltagsproblemchen sieht sich Schauspieler Tan Caglar („In aller Freundschaft“) weit entfernt. Der 41-Jährige kam mit der Rückenmarkserkrankung Spina bifida zur Welt und ist seit 15 Jahren auf den Rollstuhl angewiesen. Damals brach für ihn eine Welt zusammen. „Die Endgültigkeit hat mich fertiggemacht. Laufen ist wie atmen, wir machen das einfach, bewegen uns. Ich konnte das nicht mehr. Nie mehr!“Tan Caglar erinnert sich: „Die Blicke der Menschen waren für mich verletzend. Ich musste lernen, Hilfe anzunehmen, was am Anfang sehr schwierig war. Plötzlich war ich für Kleinigkeiten auf andere Menschen angewiesen. Ich musste lernen, dass wahre Unabhängigkeit die Freiheit ist, um Hilfe bitten zu können. Wenn ich vor einer Treppe stehe, da nicht hochkomme und nach Hause fahre, habe ich verloren. Wenn ich aber mit fremder Hilfe hochkomme, bin ich oben wie alle.“
Es ist diese alte Weisheit unserer Eltern, die an Wahrheit nichts verloren hat: Kein Einzelner ist so stark wie wir alle zusammen. Ein Kind lernt essen, laufen, schwimmen. Und irgendwann bringt es dies seinen Kindern bei. Es ist die normalste Sache der Welt, von anderen zu profitieren. Wer das Leben als einen gemeinsamen Weg begreift, auf dem man sich gegenseitig stützt, wird weiter kommen als der, der es als Kampf begreift. Und was ist schöner, als sich gemeinsam über ein gemeinsam erreichtes Ziel zu freuen?
Nur der Griesgram feiert gerne allein.