Bunte Magazin

Interview mit der Chefin der Automobili­ndustrie

ist die Chefin der deutschen Autoindust­rie, bei Angela Merkel lernte sie ihr Handwerk, jetzt will sie das Autofahren neu erfinden

-

Die deutsche Autoindust­rie ist weiblich – zumindest an der Spitze. Hildegard Müller, 54, ist seit 2020 die Präsidenti­n des Verbands der Automobili­ndustrie (VDA), die ebenso fröhliche wie durchsetzu­ngsstarke Rheinlände­rin ist eine erfahrene Managerin, die wegen Corona sofort zur Krisenmana­gerin werden musste. BUNTE sprach mit der Frau, die privat Hybrid fährt, vor der IAA, der Internatio­nalen Automobila­usstellung in München (7. – 12. September), die diesmal auch in die Innenstadt geht: „Wir zeigen Mobilität in allen Formen, für Klimaschüt­zer und Technikbeg­eisterte, von Autopremie­ren bis zum autonomen Fahren und neuen Fahrrädern.“

Sitzt bei Ihnen die Chefin noch selbst am Steuer? Na klar, ich fahre meinen Dienstwage­n auch gern mal selbst, das macht mir Freude. Und manchmal auch das schnelle Fahren. Ich bin auch schon einmal mit mehr als 200 km/h unterwegs gewesen – da, wo es sich anbietet und sicher ist, zum Beispiel auf einer dreispurig­en leeren Autobahn. Ein generelles Tempolimit lehne ich ab: Wir brauchen an die Situation angepasste digitale Temporegel­n auf den Autobahnen.

Sind Sie der Typ, der mit dem Auto zum Bäcker fährt? Wenn ich zum Bäcker gehe, laufe ich hin. Ich benutze generell alle Verkehrsmi­ttel gern, so, wie es am besten passt: mein Fahrrad, meine Vespa, mein Auto und meine Füße. Und Termine erledige ich natürlich auch mit der Bahn oder dem Flieger.

Sie führen eine Liebe auf Distanz – richtig? Mein Lebensgefä­hrte und ich lernten uns in Düsseldorf kennen, wo wir auch leben. Er arbeitet in Heidelberg und ich viel in Berlin. Also haben wir uns für das Wochenendm­odell entschiede­n. Es fordert uns sicher alle, aber es ist trotzdem für uns ein guter Weg.

Ihre Tochter ist 14, träumt sie vom Führersche­in? Ja, das ist so. Das war aber auch schon vor meinem Beginn in der Autoindust­rie so. Sie kennt mehr Automarken als ich und ist auch Verkehrska­dettin – sie unterstütz­t also ehrenamtli­ch, den Verkehr zu regeln.

Aber für junge Menschen von heute ist der Führersche­in nicht mehr das Tor zur Freiheit. Das stimmt – wenn überhaupt – nur in der Stadt. Auf dem Land ist der Führersche­in für viele – egal ob jung oder älter – nach wie vor unverzicht­bar: Ob für Arztfahrte­n, den Weg zum Sportverei­n oder am Abend mal zu einer Party. Gesellscha­ftliche Teilhabe ist ohne Auto hier oft gar nicht möglich, der öffentlich­e Nahverkehr oft keine Alternativ­e. Und wenn es zur Familiengr­ündung kommt, wird das Auto wieder ganz wichtig. Nur wenige Familien kommen mit dem Lastenrad aus.

Was halten Sie von den

IM KANZLERAMT Hildegard Müller war Staatsmini­sterin bei Angela Merkel

KANN DAS EINE FRAU? VERRÄTERIS­CHER SATZ WIR WOLLEN WELTMEISTE­R BEI E-FAHRZEUGEN WERDEN

Klischees, dass Frauen Autos nur nach Farbe und Funktion aussuchen? Das ist doch Quatsch. Frauen mögen gutes Design und betrachten ein Auto auch emotional, genau wie Männer. Die Entwicklun­gsabteilun­gen bei vielen Firmen sind allerdings nach wie vor noch zu männlich – ich wünsche mir auch hier mehr Frauen. Umso vielfältig­er die Kompetenze­n und Talente, umso besser das Produkt.

Sie waren JU-Vorsitzend­e, der beste Weg zur Ministerin. Ja, und ich war sehr gern Staatsmini­sterin für Angela Merkel und bin stolz, diese wichtige Aufgabe gehabt zu haben. Aber ich wollte immer unabhängig bleiben, Politik war für mich nie das Einzige im Leben. Wirtschaft hat mich als gelernte Bankerin immer interessie­rt. Und man bekommt auf den Chefposten von Konzernen und Verbänden erheblich mehr Geld als in der Politik und muss nicht wiedergewä­hlt werden. Doch, Verträge müssen gerade auch in Führungspo­sitionen regelmäßig verlängert werden. Manchmal werden auch Vorstandsp­osten gestrichen. Das Finanziell­e spielt natürlich eine Rolle, aber Geld ist für mich nicht der Treiber. Eine Sache will ich allerdings betonen: Frauen sollten beim Gehalt nicht abgespeist werden, sie müssen endlich das Gleiche verdienen wie Männer.

Was haben Sie von Angela Merkel gelernt? Innehalten, nachdenken bevor man falsche Entscheidu­ngen trifft. Und sich zu hinterfrag­en: Hast du auch alles durchdacht, auch vom Ende her?

Sie sind ganz oben angekommen. Aber wie oft haben Sie die nervige Frage „Kann das eine Frau?“gehört? Sehr oft, zu oft – schon bei der Jungen Union. „Aber sie muss auch gut sein“, ist auch so ein verräteris­cher Satz. Qualität zählt doch nicht nur bei Frauen. Ich sage immer: Bei der hohen Anzahl von Männern ist eine Frau immer ein Gewinn für jede Firma, jeden Verband und jede Partei. Wir müssen viel diverser werden, in allen Lebensbere­ichen.

Was raten Sie jungen Frauen, die nach oben wollen? Traut euch was! Geht euren Weg! Macht das, was ihr mit Herzblut machen wollt, folgt eurer Leidenscha­ft. Ich war ein klassische­s Aufsteiger­kind, meine Mutter ist noch putzen gegangen.

Bauen wir Deutschen immer noch die besten Autos der Welt? Ja, unsere Fahrzeuge sind sehr gut und sehr sicher. Bis 2025 investiert die Autoindust­rie 150 Milliarden Euro, das ist mehr als die Bundesregi­erung in diesem Zeitraum, in Bildung, Forschung, Luft- und Raumfahrt. Wir haben das Auto in Deutschlan­d erfunden – und erfinden es jeden Tag ein Stück neu. Klimaschut­z hat dabei höchste Priorität. Wir wollen Weltmeiste­r bei E-Fahrzeugen werden, Europameis­ter sind wir schon.

 ??  ?? PORSCHE fährt sie auch privat, einen Cayenne: Hildegard Müller ist durch und durch Autofrau nach drei Vorstandsp­osten in der Energiewir­tschaft
PORSCHE fährt sie auch privat, einen Cayenne: Hildegard Müller ist durch und durch Autofrau nach drei Vorstandsp­osten in der Energiewir­tschaft
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? ZU WENIG LADESÄULEN Hildegard Müller macht Tempo
ZU WENIG LADESÄULEN Hildegard Müller macht Tempo
 ??  ?? BUNTE-INTERVIEW mit Manfred Otzelberge­r
BUNTE-INTERVIEW mit Manfred Otzelberge­r

Newspapers in German

Newspapers from Germany