Der schwerste KAMPF ihres Lebens
Zeit für ihn und seine Generation war. Und, ehrlich gesagt, hatte ich Tränen in den Augen, als ich meine Tochter zum ersten Mal wieder in die Kita bringen konnte und gesehen habe, wie sehr sich die Kinder freuen.
Sie haben eine Zeit der Prü‑ fungen erlebt. Als die Pandemie begann, hatten Sie Ihre Krebs‑ erkrankung fast überstanden. Wie haben Sie diesen Druck aus‑ gehalten? Ja, ich war fast durch mit meiner Therapie. Da kam noch einmal ein Gefühl großer Unsicherheit auf. Wie soll ich mich verhalten, was kann ich verantworten? Ich habe mich mit meinem Mann beraten und uns beiden war schnell klar, dass ich in dieser Zeit, die für alle schwer war, als Kapitänin nicht von Bord gehen darf. Andere Menschen, die im Krankenhaus oder Supermarkt arbeiten, mussten auch die Stellung halten, ohne zu wissen, welcher Gefahr sie sich aussetzen würden.
Haben Sie sich manchmal gefragt: warum ausgerechnet ich? Wenn man so eine schwere Diagnose wie Krebs bekommt, drängt sich kurz diese Frage auf. Diese Gedanken habe ich jedoch schnell abgehakt, die bringen ja nichts. Nach dem ersten Schock habe ich mir fest vorgenommen, dass der Krebs mich nicht bestimmen darf. Dass ich ihn mit Ärztinnen und Ärzten und mit der Unterstützung meiner Familie besiegen werde. Es entspricht generell meinem Naturell, dass ich bei wichtigen Sachen ziemlich schnell in eine Art Kampfmodus schalten kann. Und dann kämpfe ich.
Sie habe Ihre Krankheit offen kommuniziert – weil Sie als Mi‑ nisterpräsidentin keine andere Wahl hatten? Ich bin grundsätzlich jemand, der die Karten offen auf den Tisch legt und wollte den Bürgerinnen und Bürgern sagen, wie meine Situation ist. Letztlich war der Tag für mich ein Befreiungsschlag. Die Wochen davor, bis ich die endgültige Diagnose erhalten hatte, waren wesentlich belastender.
Wie hat Ihre Umwelt auf Ihre Nachricht reagiert? Ich war berührt, wie viel Zuwendung ich erfahren habe, ich habe Tausende Nachrichten, E-Mails und Briefe bekommen. Hier in Schwerin hat man mir in einer Suppenbar spontan einen Glücksstein zugesteckt. Dieser Zuspruch hat mir sehr geholfen. Auch wenn alles gut gegangen ist: Die Diagnose haut einen um. Man denkt sofort an Tod – und dann denkt man an seine Familie und die Kinder, die ja noch klein sind. Es war der schwerste Kampf meines Lebens, ich bin froh, dass ich ihn geschafft habe.
Sie haben den Krebs besiegt. Haben Sie Ihr Leben geändert? Ich habe mir vorgenommen, noch mehr Sport zu machen. Jetzt gehe ich zweimal in der Woche zum Joggen, früher einmal. Und ich mache, wenn es sich vermeiden lässt, keine Sitzungen mehr bis tief in die Nacht, denn das ist definitiv ungesund.
Haben Sie Ihre Ernährung umgestellt? Ich habe eigentlich schon immer ausgewogen gegessen. Ich versuche, Süßigkeiten zu reduzieren, was mir bei Schokolade und einem guten Dessert allerdings schwerfällt.
Die schulterlangen blonden Haare waren früher Ihr Marken‑ zeichen. Warum haben Sie sie nicht wieder wachsen lassen? Meine kurzen Haare sind ein sehr positiver Nebeneffekt aus einer ganz schweren Zeit. Hätte mir vorher jemand gesagt, wie einfach es mit kurzen Haaren ist, hätte ich schon vorher meine langen abgeschnitten. Ich fühle mich super mit meiner neuen Frisur und morgens, wenn jede Minute zählt, bin ich viel schneller fertig.
Wenn Sie Fotos von früher anschauen, wen sehen Sie dann? Ich erkenne mich natürlich wieder. Es war eine andere Zeit. Da zudem Corona dazwischen liegt, erscheint mir alles irgendwie weiter in der Vergangenheit zu liegen als nur zwei Jahre.
Sie haben an Profil und Selbstbewusstsein gewonnen – durch das Amt oder die Krankheit? Beides. Die Entwicklung dieser Zeit hat mich sehr geprägt. Eine solche Krise und auch die Krankheit kann man nicht allein managen, man braucht Unterstützung. Wenn man gesund ist, hält man das für selbstverständlich, was gut und richtig ist, schließlich kann man nicht jeden Tag Angst davor haben, zu sterben. Ich habe erlebt, was man schaffen kann. Das macht mich stark und demütig zugleich.
Am 26. September ist auch Bundestagswahl. Könnte Olaf Scholz, falls er Kanzler wird, Sie nach Berlin locken? Ich trete an, um Ministerpräsidentin zu bleiben. Auch in diesem Amt kann ich mich auf Bundesebene einbringen – und das werde ich natürlich bei wichtigen Themen auch weiter tun.
ICH FÜHLE MICH SUPER MIT MEINEN KURZEN HAAREN