So leben wir beide NACHHALTIG
BARBARA BECKER & GERD MÜLLER diskutierten bei einem Treffen in Berlin über das Siegel „Grüner Knopf“, das es inzwischen seit zwei Jahren gibt
NACHHALTIG PRODUZIERTE KLEIDUNG DARF NICHT ZU TEUER SEIN BEIM ,GRÜNEN KNOPF‘ MACHEN 80 FIRMEN MIT. ES SOLLTEN MEHR SEIN
Die Chemie stimmte von Anfang an. „Ich habe Sie schon 100-mal in meinem Wohnzimmer gesehen“, begrüßte Gerd Müller, 66, die Besucherin in seinem Amtszimmer. „Meine Frau turnt seit Jahren regelmäßig mit Ihrer Pilates-DVD. Sie sind eine echte Aktivistin beim Thema Bewegung“, so der Minister zu Barbara Becker, 54, die auf seine Einladung hin nach Berlin gekommen war, um über Nachhaltigkeit zu reden. Charmanter kann man das Eis gar nicht brechen, doch auch die Designerin verfolgt die Arbeit des Ministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung seit vielen Jahren, wie sich herausstellte. „Mit dem ,Grünen Knopf‘ haben Sie ein wichtiges Zeichen gesetzt. Ich
bin von der Idee und Notwendigkeit nachhaltig produzierter Kleidung und Textilien überzeugt. Der ,Grüne Knopf‘ ist Ihr politisches Vermächtnis“, sagt sie. Das Thema ist dank solcher Gütesiegel und prominenter Vorreiter nicht nur in der Gesellschaft angekommen, sondern auch sexy, so Barbara Becker weiter, die gerade eine Öko-Bettwäsche-Kollektion für Lidl designt hatte, die mit dem „Grünen Knopf“versehen war. Selbst High-End-Fashion wird mittlerweile nachhaltig überprüft. „In unserer globalen Welt hängt alles mit allem zusammen. Vor 20 Jahren habe ich das noch nicht so klar gesehen“, so der Minister, „aber durch mein Amt habe ich so
viele Einblicke bekommen, dass ich meine Haltung grundlegend geändert habe. Das fängt bei der Tasse Kaffee an. Bei meinen Besuchen auf den Kaffeeplantagen habe ich gesehen, wie die Menschen dort ausgebeutet werden.“Diese Erfahrung war für den Minister auch der erste Impuls für das Lieferkettengesetz, das der Deutsche Bundestag am 11. Juni verabschiedet hat. „Es stellt sicher, dass bei der Herstellung unserer Kleidung oder beim Kaffee Mindeststandards eingehalten werden wie das Verbot von Kinderarbeit. Viele Kollegen meinten, es ginge mit Freiwilligkeit, aber das funktioniert nicht, der Staat muss Rahmenbedingungen vorgeben.“
Beim „Grünen Knopf“machen bisher 80 große Firmen wie Lidl, Tchibo oder Esprit mit, aber es sollten eigentlich 700 sein. „Wer dieses Siegel für seine Textilien bekommen möchte, muss sich überprüfen lassen. Das fängt beim Färben
der Kleidung an, geht über die Arbeitsbedingungen der Näherinnen bis zum CO2-Ausstoß. Ja, das ist anstrengend, aber auch wichtig.“Wie kann das weiter angeschoben werden? „Das funktioniert nur über den Endverbraucher“, so Müller. „Steigt die Nachfrage nach Produkten mit dem ,Grünen Knopf‘ weiter, ziehen immer mehr mit. Wenn Verbandsfunktionäre heute noch sagen, dass man all diese Kriterien nicht erfüllen kann, dann sind die eben von vorgestern.“
Barbara Becker hat sich längst selbst in die Pflicht genommen: „Man muss sein eigenes Verhalten verändern. Ich habe mir mit meinen Söhnen viele Dokus angesehen und seither verzichten wir weitgehend auf Fleisch und Fisch. Ich habe neulich auch gelesen, dass drei Viertel der Deutschen gern nachhaltig produzierte Textilien kaufen möchten, weil sie Kinderarbeit und Billiglöhne in den Entwicklungsländern nicht mehr unterstützen wollen. Sie wollen sich solidarisch erklären, aber es darf eben nicht zu teuer, sondern für alle erreichbar sein. Inzwischen kaufe ich sehr viele Kleider secondhand – in den USA ein riesiger Trend nach dem Motto ,reduce, re-use, recycle‘.“
Dass nachhaltig produzierte Kleidung nicht teuer sein muss, ist längst durch die großen Discounter bewiesen, aber es fehlt noch das Engagement vieler MarkenUnternehmen und öffentlicher Einrichtungen, so der Minister: „Caritas und Diakonie wollen alle 56 000 Einrichtungen wie Krankenhäuser und Altenheime auf Textilien mit dem ,Grünen Knopf‘ umstellen. Die Deutsche Bahn ist schon weiter. Die neuen Outfits für 43000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen bereits den ,Grünen Knopf‘. Das sind tolle Zeichen der Verantwortung und sie zeigen, was möglich ist. Darüber freue ich mich sehr.“Barbara Becker denkt sogar noch weiter: „Ich finde, dass Luxushotels auf ökologische Bettwäsche und Handtücher umstellen sollten, wenn sie ihre hohen Standards halten wollen. Da könnte ich helfen. Für mich als Gast wäre das ein wichtiges Zeichen, in so einem Hotel zu übernachten. Ich frage auch oft nach: Woher stammt mein Kaffee, was sind die tatsächlichen Bestandteile in meinen Nahrungsmitteln? Nur wenn man alles sichtbar macht, kann man als Verbraucher auf Dauer etwas verändern.“
Wie nachhaltig leben die beiden denn, wenn es nicht nur um die Kleiderfrage geht? Minister Gerd Müller gibt da gern einen Einblick in seine Morgenroutine: „Wenn ich morgens unter der Dusche stehe, begrenze ich das auf zwei Minuten, um den Energieverbrauch niedrig zu halten. Ich benutze auch kein Shampoo mehr, in dem Palmöl enthalten ist. Ich versuche auch, Plastik zu vermeiden, und verstehe nicht, warum Bio-Gurken in Plastikfolien eingeschweißt sein müssen. Das ist absolut umweltschädlich. Seit Jahren benutzen meine Frau und ich auch einen großen Korb, wenn wir zum Einkaufen gehen. Es sind die kleinen, alltäglichen Dinge, die den großen Unterschied für uns alle machen.“