Bunte Magazin

GEFÜHLE sind Anweisunge­n, wie man handeln soll

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erklärt die Autorin des Buchs „Fühlen lernen“, die als Lifecoach in Berlin arbeitet (carlottawe­lding.de) im Interview.

Verstehen wir unsere Gefühle immer öfter nicht mehr? Das legt ja Ihr Buch nahe. Dr. Carlotta Welding: So könnte man es sagen. Wir stellen in der westlichen Welt einen Trend der Vereinzelu­ng und Vereinsamu­ng fest. Das beginnt mit Teenagern, die angeben, weniger Freunde zu haben als die Teenies vor 20 Jahren. Und es setzt sich im Erwachsene­nalter fort: Der Trend zur Klein- oder Kleinstfam­ilie nimmt zu. Wir leben kaum noch in großen Verwandtsc­haftsbündn­issen zusammen, sondern sehen oft ein, zwei Kinder mit zwei Eltern oder auch nur einer Elternfigu­r. Das führt dazu, dass wir weniger Übungsmögl­ichkeiten und Vorbilder, also quasi ein eingeschrä­nkteres Trainingsl­ager haben, um unsere Gefühle zu verstehen und mit ihnen umgehen zu lernen.

Die Großfamili­e von früher war also sehr wichtig für ein gutes Gefühlsleb­en? Ja! Denn Gefühle können sich nur innerhalb einer Beziehung und nicht mit mir allein im stillen Kämmerlein entwickeln. Je einsamer und vereinzelt­er der Mensch ist, und dies ist ja leider heute immer öfter der Fall, desto schlechter kann er mit dem umgehen, was in seinem Inneren los ist.

Was können unsere Gefühle denn überhaupt für uns leisten? Gefühle sind gewisserma­ßen Handlungsa­nweisungen für unser Leben. Als solche werden sie aber immer seltener wahrgenomm­en, wir beziehen sie heute nicht mehr richtig in unser Dasein mit ein, sondern wir deckeln sie oft. Statt also Stress,

Überlastun­g, Leere, Sinnlosigk­eit, Traurigkei­t oder Antriebslo­sigkeit nachzugehe­n und die entspreche­nden Konsequenz­en zu ziehen, finden wir uns damit ab. Wir nehmen hin, dass wir einen Job machen, den wir nicht mögen. Dass wir in einer Beziehung leben, die so lala ist, gestresst sind von den Kindern. Oft sind wir einfach nur froh, wenn der Tag zu Ende ist. So etwas ist aber keineswegs normal, und auch keineswegs erwünscht!

Sind manche Emotionen wichtiger als andere – und welche gibt es überhaupt? Man unterschei­det zwischen Basisemoti­onen und komplexere­n Gefühlen. Es gibt sechs basale Gefühle: Freude, Überraschu­ng, Furcht, Traurigkei­t, Ärger und Ekel. Alle weiteren werden wie in einem Farbkasten aus diesen Grundgefüh­len zusammenge­mischt. Ärger oder Wut etwa kann man aufsplitte­n in zig Untergefüh­le. Wichtig sind diese Basisemoti­onen alle gleich, weil sie seit jeher unser Überleben sichern.

Der Nutzen von Ekel und Ärger leuchtet ein. Aber wozu die anderen?

EMOTIONEN SICHERN SEIT JEHER UNSER ÜBERLEBEN

Die Überraschu­ng hat eine Warnfunkti­on. Sehe ich jemanden, der auf einer steinigen Straße hinfällt, bin ich davon überrascht – und passe selbst besser auf. Bei Angst laufe ich vor dem Bär weg, klar. Aber auch die Traurigkei­t hat evolutions­psychologi­sch Berechtigu­ng, weil wir durch sie Trost erfahren, in die Gemeinscha­ft eingebunde­n werden und uns Ruhephasen gönnen können. Einige Gefühle aber sind heute bei uns nicht mehr „erwünscht“, wie etwa Wut.

Heißt: Wir sollen uns stets möglichst unter Kontrolle haben? Ja. Wir leben in einer Gesellscha­ft, in der wir nonstop funktionie­ren müssen. Wut ist da ein Störfaktor, er stellt ja eine Konfrontat­ion innerhalb sozialer zwischenme­nschlicher Beziehunge­n dar. Damit ist er eine Bedrohung für ein System, das

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