Der Film, der auf seinem GEWISSEN lastete
MARIO ADORF Der Star rehabilitierte in Berlin ein Nazi-Opfer
Wäre er damals nicht schon so gut gewesen, wäre er vielleicht nie der Mario Adorf geworden, den heute alle kennen. Doch er war verdammt gut. Adorf spielte 1957 sehr überzeugend einen Mann, der als Mörder galt. Er bekam den Bundesfilmpreis dafür, es war der Beginn seiner Karriere.
Aber es war eine Lüge. Bruno Lüdke, geboren 1908 in Berlin, den Adorf verkörperte, war kein Mörder. Er war ein Opfer, wie Historiker heute wissen. Nazis hatten dem geistig behinderten Kutscher mehr als 50 Morde in die Schuhe geschoben und ihn als schlimmsten deutschen Serienmörder verleumdet. Lüdke war die Inkarnation des Bösen, Adorf hatte ihm in „Nachts, wenn der Teufel kam“ein Gesicht gegeben. „Es war keine Schuld, die ich fühlte, aber doch eine Verantwortung“, erklärte der Schauspieler in einem BUNTE-Interview.
Bruno Lüdke bekam nie einen Prozess, er wurde ermordet, 1944 in Wien, vermutlich im Rahmen eines Experiments mit vergifteter Munition, ausgeführt von Nazi-Ärzten. Als Adorf die ganze Wahrheit erfuhr, ließ sie ihn nicht mehr ruhen.
Er schrieb einen Brief an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, den er lange nicht abschickte, lieber auf eine persönliche Begegnung wartete: Lüdke sollte einen jener Stolpersteine bekommen, mit denen Nazi-Opfern gedacht wird. Ende August in Berlin-Köpenick, wo Lüdke mit seinen Eltern gelebt hatte, war es so weit.
Ein Blick auf das Alter der beiden Männer, die da in Berlin standen, zeigt die zeitliche Dimension dieser späten Rehabilitierung. Bundespräsident Steinmeier, in Würde ergraut mit 65, war gerade auf die Welt gekommen, als Adorf den vermeintlichen Mörder spielte. Und letztes Jahr, als Adorf sich auf seinen 90. vorbereitete, hätte er sehr gut einen entspannten Sommer in St-Tropez verbringen können, der Heimat seiner Frau Monique. Doch der Film, den er 63 Jahre zuvor gedreht hatte, lastete auf seinem Gewissen.
Am Tag nach der Würdigung von Lüdke wurde Adorf geehrt. Jaka Bizilj, 49, Gründer von „Cinema for Peace“, und Unternehmer Hermann Bühlbecker, 71, hatten Schauspiel-Kollegen wie Michael Mendl, 77, oder David Bennent, 55, und Freunde in den „China Club“in Berlin geladen. Adorf wurde gepriesen als Mensch, der sich eine kritische Meinung leistet. Wäre er nicht schon immer mit aufrechter Haltung durchs Leben gegangen, wäre er vielleicht nie der Mario Adorf geworden, den alle lieben.
MARIO ADORF ÜBERNAHM VERANTWORTUNG FÜR EINE SEINER ROLLEN