Wien Schräg und schön
Wien ist schlicht umwerfend, und das zu jeder Jahreszeit. Wer hier nichts nach seinem Gusto findet, dem ist – mit Verlaub – nicht zu helfen
eines vorweg: Wien bietet Sehenswürdigkeiten für Wochen, allein die Klassiker – von der Hofburg über den Stephansdom bis zum Schloss Schönbrunn – reichen aus, um einen mehrtägigen Aufenthalt in der Kaiserstadt mehr als auszufüllen, ohne wirklich in die Tiefe zu gehen. Wer neben Messe & Meeting jedoch nur halbe Tage oder wenige Stunden zur Verfügung hat, sollte stramm selektieren – oder sich einer geführten Tour anschließen. Hier kommen unsere Vorschläge.
Per Bus, Schiff oder Fiaker
Wien in konzentrierter Form – dafür eignet sich am besten eine der vielen Touren, die mittlerweile von unzähligen Dienstleistern angeboten werden und vielfältiger nicht sein könnten. Da wäre zum einen die klassische Busrundfahrt, die Stadtführung per Fahrrad, Segway oder Elektroroller und schließlich der Donaudampfer, der entspanntes Sightseeing auf dem Wasser verbindet mit einem Wiener Schnitzel aus der Bordküche oder einer „Jause“im „Café Central“(www.wien.info/de/ sightseeing/touren-guides). Viel Flair hat auch ein Ausflug mit der Vienna Ring Tram, die Wiens Prachtboulevard rund um die Altstadt abfährt, vorbei an Sehenswürdigkeiten wie Staatsoper, Hofburg, Parlament und Rathaus. Eine Multimediaanlage sorgt für den theoretischen Unterbau – wer will, kann unterwegs haltmachen (täglich von zehn bis 18 Uhr alle 30 Minuten, zum Beispiel ab Schwedenplatz, www. wienerlinien.at). Traditionsbewusste steigen in den Fiaker: Eine Kutschfahrt durch den 1. Bezirk ist vielleicht die schönste Art, mit der Stadt Bekanntschaft zu schließen (Fiakerstandplätze finden sich unter anderem am Stephansplatz, Heldenplatz, Albertinaplatz, Petersplatz und beim Burgtheater, Rundfahrten ab 55 Euro).
Vom Steffl ins Quartier
Da die meisten Touren von und zum Stephansplatz führen (seit Juli kostenloser WLAN-Spot), lassen sich von dort bequem die nächsten Ziele an-
steuern. Der gotische Stephansdom (genannt „Steffl“) bietet sich als Wahrzeichen Wiens natürlich als Erstes an, beherbergt er doch bedeutende Kunstschätze – darunter das Grabmal Kaiser Friedrichs III. oder aber die Kanzel von Anton Pilgram aus dem Jahr 1500. Wer genug Luft hat, sollte unbedingt die 343 Stufen zur Türmerstube hinaufsteigen – die Aussicht ist atemberaubend (www.stephanskirche.at).
Kunstfreunde zieht es vom Steffl ohne Umwege ins MuseumsQuartier. Das 2001 eröffnete Kunstareal am Rand der Altstadt gehört zu den aufsehenerregendsten Europas – hier reihen sich hochklassige Museen und Sammlungen wie das Leopold Museum, das Museum Moderner Kunst oder die Kunsthalle aneinander, außerdem das Designforum und eine quicklebendige Szene von Restaurants, Cafés und Shops. Besonders im Sommer trifft man sich hier zum kreativen Austausch – oder um auf den bunten „Enzis“zu lümmeln, jenen bunten Lounge-Möbeln im Innenhof, die nicht nur bei den Wienern Kultstatus genießen. Im Winter gibt’s auf der Freifläche Iglus, Punschhütten und eine Eisbahn. (www.mqw.at).
Nicht versäumen sollte man einen Besuch des Leopold Museums, einer wahren Schatzkammer des Wiener Jugendstils, der Wiener Werkstätte und des Expressionismus. Das Haus beherbergt die größte Egon-Schiele-Sammlung der Welt. Derzeit widmet das Leopold dem österreichischen Künstler Oskar Kokoschka eine Ausstellung, die erstmals Fotografien aus seinem Leben prominent in den Fokus rückt: „Kokoschka. Das Ich im Brennpunkt“, bis zum 27. Januar 2014 (www. leopoldmuseum.org).
Im Anschluss wartet das „Café Leopold“, das sich in den vergangenen Jahren zu einem echten Szenelokal gemausert hat: Architektonisch Teil des Museums, kann man hier in stylishem Ambiente der Wiener Kaffeehauskultur frönen. Abends werden die Tische zur Seite geräumt, um DJs, Life-Musikern und Experimentalfilmern Platz zu
machen. Toll ist auch die Terrasse mit Blick auf den Innenhof des Quartiers, in den kalten Monaten zum stimmungsvollen Wintergarten gestaltet (www.cafe-leopold.at).
Es lebe der Zentralfriedhof
So aufregend das junge Wien ist – die Stadt hat auch ganz andere Seiten: So gilt sie auch gern als die „Metropole des Morbiden“, in der der Tod zum Leben und Friedhöfe ur Kultur gehören. An Allerheiligen im November kann man die „Grabseligkeit“der Wiener trefflich beobachten – wenn sie in Massen die Gräber ihrer Angehörigen besuchen und auf dem Zentralfriedhof im 11. Bezirk eher Volksfeststimmung herrscht denn stille Einkehr. Unter den 330 000 Grabstellen (!) finden sich auch jene von Brahms, Strauß, Beethoven, Schubert oder Schnitzler. Einen Kontrast zu den schweren, oft üppig verzierten Steinen der Ehrengräber setzt die letzte Ruhestätte des in den 1990er-Jahren verstorbenen Musikers Falco, die wie eine transparente CD aussieht. Toleranz wird großgeschrieben in Wien … (www. friedhoefewien.at).
Gulasch im Eckbeisl
Das erfährt man auch im „Beisl“, d e m Wiener Esslokal schlechthin. Trotz boomender Szenegastronomie behauptet sich der beliebte Klassiker in beinahe allen Stadtbezirken – bodenständig, einfach und gänzlich unprätentiös. An den Tischen sitzen Menschen jeder Couleur und Altersgruppen, serviert wird die traditionelle Wiener Küche – vom Gulasch bis zum Palatschinken. Zu den Prachtexemplaren der Beisl-Kultur gehört zum Beispiel das „Steman“in der Otto-BauerGasse im 6. Bezirk, seit mehr als 100 Jahren Treffpunkt der Generationen (www. steman.at). Ähnlich geschichtsträchtig ist das „Rebhuhn“im 9. Bezirk– ein typisches Eckbeisl mit schön erhaltener Patina in der Gaststube (www.rebhuhn.at). Einen nostalgischen Schank hat auch der „Gasthof Wolf“im 9. Bezirk vorzuweisen, mit grüner Vertäfelung, alten Resopaltischen und erstklassiger Hausmannskost (www.gasthauswolf.at). Das „Dom Beisl“am Stephansdom trägt zwar das Original im Namen, ist jedoch weit vom echten Beisl entfernt: Hier kredenzt Sternekoch Harald Riedl eine Mixtur aus regional inspirierten Schmankerln und mediterraner Bistroküche (www.dombeisl.at).
Oper live im Wohnzimmer
Ein schöner Abschluss für eine StippVisite in Wien ist natürlich ein Abend in der Staatsoper (www.wiener-staatsoper. at), mit hochkarätigen Solisten und Künstlern sowie über 50 verschiedenen Opern- und Ballettaufführungen pro Saison eine der ersten Adressen weltweit. Wenn die Zeit nicht reicht, kann man auch ins eigene Wohnzimmer ausweichen: Seit Oktober bietet die Wiener Oper Livestreamings ausgewählter Vorstellungen an (14 Euro. Zusätzlich gibt es über die „Wiener Staatsoper Second Screen App” (gratis im Google bzw. App Store) synchronisierte Untertitel, Programmhefte und ab Mitte Dezember auch Partituren der jeweiligen Aufführungen (www.staatsoperlive.com). sg