„Der Mensch ist immun geworden gegenüber der klassischen Rhetorik!“
Die Körpersprache lügt nie, und wer die Regeln kennt, kann sie lesen. Muhamet Vural kennt die Regeln aus dem Effeff – der Kopf von Corpus Lingua, Institut für Körpersprache & Überzeugungstechniken, gibt sein Wissen an Unternehmen und Manager in aller Welt
Herr Vural, jeder von uns kennt ein paar Grundregeln in Sachen Körpersprache – aufrechte Haltung, offener Blick, kräftiger Händedruck … –, sind das die Sachen, die Sie Ihren Kunden beibringen? Ja, aber wir gehen noch einen wichtigen Schritt weiter: Durch die Kombination von Körpersprache und psychologischer Rhetorik haben wir eine Kommunikationsform entwickelt, die die Psychologie und das Unterbewusstsein des Gegenübers mit einbezieht. Unseren Klienten, das sind Unternehmen und Manager in der ganzen Welt, bringen wir bei, wie sie diese Kommunikationsform in ihre Verhandlungs- und Verkaufsgespräche einbauen können. Braucht man solche Techniken, wenn einem die Argumente ausgehen? Man braucht sie, weil der Mensch immun geworden ist gegenüber der klassischen Rhetorik. Er lässt sich heutzutage nur noch zu 20 Prozent von Worten überzeugen und zu 80 Prozent von der Körpersprache, weil sie unsere Ur-Sprache ist – wir kommunizieren erst seit ein paar tausend Jahren verbal, doch seit mehreren Millionen Jahren nonverbal. Okay, worauf muss ich achten, wenn ich nicht gleich beim ersten Meeting durchfallen will? Nun, zur Körpersprache gehört natürlich nicht nur Mimik und Gestik, sondern auch die Art des Gangs und sogar die Kleidung. Und da beim ersten Eindruck die ersten 150 Millisekunden entscheidend sind, muss alles passen. Achten Sie auf eine aufrechte Haltung, Gelassenheit, lächeln Sie und ziehen Sie die Augenbrauen hoch, betreten Sie selbstbewusst und dynamisch den Raum und begrüßen Sie Ihr Gegenüber mit einem kräftigen Händedruck. Gleich— zeitig lesen Sie die Körpersprache Ihres Gegenübers und reagieren darauf … Geben Sie uns ein Beispiel? Ja. Auch hier geht es um Händedruck, Schrittmuster, Pupillen, Hände- und Fingerhaltung oder die Art, wie er/sie am Tisch sitzt. Nimmt der Gesprächspartner etwa deine Hand in den Schraubstock, zeigt er dir, dass er dominieren will. Als Profi lässt du ihn gewähren. Gib ihm das Gefühl, dass er das Business dominiert, und dann unterschreibt er auch bei dir. Gibt er dir eine schlaffe Hand, bedeutet das oft, er will sich nicht auf dein Business einlassen. Dann sollte man sich von vornherein überlegen, ob man hier Energie investieren will. Oder der Gang: Macht er
kleine Schritte, will er kein Risiko eingehen. Für eine Entscheidung braucht er viele Fakten, die er Detail für Detail checkt – langsam und vorsichtig. Dem muss ich Zahlen auf den Tisch legen und ihn in kleinen Häppchen überzeugen. Das heißt, ich muss auf den ersten Blick erkennen, mit welchem Typ Mensch ich es zu tun habe? Ja, wir unterscheiden zwischen drei Kundentypen – Feuer, Wasser, Erde – und auf den jeweiligen Typ schneide ich meine Präsentation zu. Der Feuer-Typ will die großen Projekte und Visionen, der Wasser-Typ die kleinen, vorsichtigen Lösungen. Standardlösungen funktionieren nicht. 70 Prozent der Abschlüsse scheitern, weil das Angebot nicht zum Kunden bzw. der Verkäufer nicht zum Klienten passt. Die meisten unserer Leser kommunizieren mit Menschen verschiedener Kulturkreise – gibt es da nicht immense Unterschiede in der Körpersprache oder in der Typisierung? Nein, die Körpersprache ist eine globale Sprache und zu 95 Prozent identisch. Die verbleibenden fünf Prozent muss man natürlich kennen, bevor man ins Gespräch geht. Die können wichtige Sympathiepunkte bringen. Ich muss also am besten das Umfeld meines Verhandlungspartners vorab analysieren? Ja. Ich muss wissen, aus welchem Land mein Gegenüber kommt, aus welcher Kultur, welchen religiösen Hintergrund er hat. Wer zum Beispiel in einem Ballungsraum wie Japan lebt, ist es gewohnt, näher dran zu sein am anderen. Wer aus einem Land wie Australien kommt, braucht mehr Distanz. Wenn ich mich nicht in der Muttersprache unterhalten kann, ist die Körpersprache umso wichtiger … Sie bringen Ihren Klienten auch die Lügenerkennung bei: Braucht man das im normalen Business? Unbedingt, denn es gibt ja nicht nur „große“, sondern auch „kleine“Lügen. Wenn der Kunde sagt „klingt interessant – ich lasse das prüfen“und sich dabei an der Nase kratzt oder eine verkrampfte Körperhaltung einnimmt, ist klar, dass Ihr Angebot durchgefallen ist. Dann haben Sie die Möglichkeit, eine Alternative anzubieten oder nochmals gezielt auf den Kunden einzugehen, um dessen Wünsche zu konkretisieren. Es gibt unzählige Signale, die dir klar zeigen, dass dein Gesprächspartner nicht sagt, was er meint. 90 Prozent aller sogenannten Lügen lassen sich anhand der Körpersprache erkennen. Nehmen wir an, ich habe nicht die geringste Motivation, bei Ihnen ein Coaching zu machen. Wie überzeugen Sie mich? Sie sagen nicht die Wahrheit. Das sehe ich an Ihrer Kopfhaltung. Sie würden sehr gern lernen, Körpersprache zu lesen und gezielt einzusetzen. Weil Sie wissen, dass Sie damit Ihre Ziele bis zu viermal besser verkaufen können als Ihre Mitbewerber, die dieses Wissen nicht beherrschen – und in den Augen Ihrer Zuhörer und Auftraggeber nicht nur kompetenter wirken, sondern Ihnen auch noch mehr Charisma zugeschrieben wird … sg