Vancouver:
Perle am Pazifik
das Röhren wird stärker, es hallt wider vom weißen Zeltdach des Canada Place, des großen Ausstellungs- und Kongresszentrums, ein Wahrzeichen Vancouvers. Dann hebt sich wieder eine Beaver oder Twin Otter aus dem Wasser und gleitet vor der Kulisse der North Shore Mountains in die Luft. Ein echter Vancouver-Moment – denn Wasserflugzeuge gehören in Kanada zum Alltag, und der stark frequen- tierte nasse Flughafen der Stadt fertigt Flüge direkt vis-à-vis der Innenstadt ab. Fast genau in der Mitte zwischen Europa und Nordasien, gerade mal 38 Kilometer nördlich der Grenze zu den USA, liegt die drittgrößte Stadt Kanadas. Vancouver entspricht in vielem so gar nicht dem Klischee einer nordamerikanischen Metropole. Sie ist so kompakt, dass sich die Innenstadt gut zu Fuß erobern lässt, Downtown misst nicht einmal zwei Quadratkilometer. Gleichzeitig hat Vancouver hervorragende öffentliche Verkehrsmittel, mit Bussen, Schnellbahnen und Fähren lassen sich alle Ecken rasch erreichen.
Buntes Völkergemisch
Und dann die beschauliche Einwohnerzahl: Wo sich in anderen amerikanischen Metropolen zig Millionen Menschen ballen, leben hier im Stadtgebiet gerade mal gut 600.000. Und die bilden ein eklektisches Völkergemisch, stammen sie doch aus vielen unterschiedlichen Kulturkreisen: 47 Prozent der Vancouverites gehören einer von der kanadischen Regierung so genannten sichtbaren Minderheit an, und fast alle von ihnen sind asiatischen Ursprungs. Allein 30 Prozent der Einwohner stammen aus China – aber nicht alle von ihnen wohnen im drittgrößten Chinatown Nordamerikas nach San Francisco und New York. Die meisten
Chinesen hier sprechen Kantonesisch – die letzte große Welle an zumeist wohlhabenden Einwanderern kam in den 1990er-Jahren, vor der Rückgabe der einstigen britischen Kronkolonie Hong- kong an die Volksrepublik. Zwei chinesische Tageszeitungen gibt es in Vancouver, und auch europäische Besucher können sich hier an Spezialitäten wie „frittierten Hühnerknien“versuchen, die kein verwestlichtes China-Restaurant servieren würde.
Vancouver liegt spektakulär eingebettet zwischen Ozean, Meeresarmen und Gebirgsketten, im Nordwesten wird die Innenstadt begrenzt vom Stanley Park, einer der größten innerstädtischen Grünflächen in Nordamerika. Auf drei Seiten umgibt Wasser das Stadtzentrum, im Norden Burrard Inlet, False Creek im Süden und English Bay im Westen. Genauso wie das Wasser prägen hoch aufragende Berge das Stadtbild, am Nordufer des Burrard Inlet, genau gegenüber der City, liegt die südlichste Kette der Coast Mountains. Ein kleiner Abstecher mit dem Sea Bus nach North Vancouver genügt: Vom Anleger Lonsdale Quay bietet sich ein großartiger Blick zurück auf die Skyline, und auch der Lonsdale Quay Market ist einen Besuch wert.
Der Grouse Mountain (1.231 Meter), einer der drei Hausberge, ist in weniger als einer halben Stunde mit den öffentlichen Bussen Nummer 232 und 236 aus der Innenstadt erreichbar. Eine Drahtseilbahn führt von der Talstation (290 Meter), wo der Bus endet, auf den Gipfel. Egal zu welcher Jahreszeit, Grouse Mountain ( www.grousemountain.com) ist ideal für einen Ausflug. Im Winter fahren viele Locals noch abends direkt nach dem Büro hinauf und schnallen die Skier, Snowboards oder Schneeschuhe an – 15 von 33 Pisten sind beleuchtet, und bis 22 Uhr abends laufen die vier Sessellifte. Ein spezieller Abendskipass (gültig von 16 bis 22 Uhr) kostet 48 Kanadische Dollar (circa 34 Euro). Eine Abfahrt an klaren Abenden mit Blick auf die glitzernde Downtown und den Pazifik dahinter ist ein einmaliges Erlebnis, das nur Vancouver bietet.
Naturerlebnis nach dem Meeting
Und diese besondere Erfahrung, im Sommer dann zu Fuß auf Wanderwegen, lässt sich auch nach einem Tag voller Geschäftstermine noch einplanen. Vorausgesetzt, das Wetter spielt mit, denn das ist in Vancouver immer die große Frage. Durch die exponierte Lage und den Einfluss warmer Meeresströmungen ist das
Klima im Winter wesentlich milder als sonst in Kanada und im Sommer weniger warm. Allerdings ist es nass – 166 Regentage im Jahr zählt man hier durchschnittlich. Wer lieber nahe der Innenstadt bleibt – eine Radtour oder Wanderung lässt sich in Vancouver auch in der Mittagspause oder zwischen zwei Terminen einschieben. Sehr beliebt ist die knapp neun Kilometer lange Seawall Route, die gut in einer Stunde per Leihfahrrad oder in drei Stunden zu Fuß zu schaffen ist. Vom Eingang West Georgia Street aus führt sie an einem der populärsten Fotopunkte vorbei, einem Miniwald aus bunten Totempfählen. Später geht es zu verschiedenen Stränden, am Third Beach gibt es vor grandioser Ozeankulisse immer Vögel zu beobachten. An der English Bay, im Herzen des West End, ist bei Sonne halb Vancouver auf den Beinen. Bei gutem Wetter lohnt sich auch eine Radtour am Wasser entlang nach Kitsilano Beach. „Kits“, wie es die Einheimischen nennen, entwickelt sich entlang der 4th Avenue gerade zum Hotspot für Foodies – AnnaLena, Mission oder Au Comptoir heißen einige der derzeit angesagtesten Lokale.
Wildlachs, Sushi oder Dim Sum
Vancouverites nehmen Kulinarik sehr ernst, und die typischen Geschmäcker hier entsprechen dem ungewöhnlichen Mix an Einflüssen, die sich in der Stadt vereinigen. „Typisch für meine Stadt ist geräucherter Wildlachs, mit Ahornsirup glasiert, und dazu eines der lokalen Craft Beers“, sagt Pamela Olmstead, Reisebloggerin aus Vancouver. Genauso floriert hier natürlich die asiatische Küche, allen voran die japanische. Es heißt, in Vancouver gebe es das beste Sushi und Sashimi außerhalb Japans, und rund um die Robson/ Denman Street im West End locken Ramen-Nudelshops. Wirklich angesagt aber ist Izakaya, was in Japan für gemütliche Bars mit billigem Bier und Fingerfood steht. In Vancouver hat sich hieraus eine eigene Szene entwickelt, die japanisches Comfort Food zu Bier oder Sake in legerem Rahmen serviert. Ganz zu schweigen natürlich von der chinesischen Küche, wo Dim Sum zu den Favoriten gehört, aber auch neue, innovative Gerichte, wie sie in der Bao Bei Chinese Brasserie oder der Keefer Bar angeboten werden.
In der Innenstadt ist der Besuch von Gastown ein Muss, dem ältesten Stadtteil mit seinen historischen KopfsteinpflasterStraßen, wo die berühmte dampfbetriebene Uhr steht, die alle 15 Minuten pfeift. Hier reihen sich hippe Nachtclubs an Bars und Restaurants jeglicher Couleur und Preisklasse, dazwischen schicke Designerläden für Möbel und Kleidung. Ebenso angesagt ist Yaletown mit historischen Lofts und sanierten Lagerhäusern. Liebhaber von Mikrobrauereien zieht es hier zur Yaletown Brewing Company.
Einfach lebenswert
Vancouver rangiert in fast allen Umfragen unter den lebenswertesten Städten der Welt – und das liegt neben der begnadeten Lage für viele auch an den entspannten, freundlichen Einheimischen. Die Perle am Pazifik kommt auch manchem irgendwie bekannt vor, der noch nie dort war. Denn Vancouver gilt als „Hollywood North“– so viele Spielfilme werden in der nördlichen Dependance von L.A. gedreht, die mit Steuervorteilen und günstigen Produktionsbedingungen lockt. 2017 ist hier ein wichtiges Jahr, denn Kanada feiert sein 150-jähriges Bestehen. Die große Jubiläumssause findet in Vancouver vom 1. bis 3. Juli am Canada Place statt.