Business Traveller (Germany)

Vancouver:

Perle am Pazifik

- Andreas Spaeth

das Röhren wird stärker, es hallt wider vom weißen Zeltdach des Canada Place, des großen Ausstellun­gs- und Kongressze­ntrums, ein Wahrzeiche­n Vancouvers. Dann hebt sich wieder eine Beaver oder Twin Otter aus dem Wasser und gleitet vor der Kulisse der North Shore Mountains in die Luft. Ein echter Vancouver-Moment – denn Wasserflug­zeuge gehören in Kanada zum Alltag, und der stark frequen- tierte nasse Flughafen der Stadt fertigt Flüge direkt vis-à-vis der Innenstadt ab. Fast genau in der Mitte zwischen Europa und Nordasien, gerade mal 38 Kilometer nördlich der Grenze zu den USA, liegt die drittgrößt­e Stadt Kanadas. Vancouver entspricht in vielem so gar nicht dem Klischee einer nordamerik­anischen Metropole. Sie ist so kompakt, dass sich die Innenstadt gut zu Fuß erobern lässt, Downtown misst nicht einmal zwei Quadratkil­ometer. Gleichzeit­ig hat Vancouver hervorrage­nde öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, mit Bussen, Schnellbah­nen und Fähren lassen sich alle Ecken rasch erreichen.

Buntes Völkergemi­sch

Und dann die beschaulic­he Einwohnerz­ahl: Wo sich in anderen amerikanis­chen Metropolen zig Millionen Menschen ballen, leben hier im Stadtgebie­t gerade mal gut 600.000. Und die bilden ein eklektisch­es Völkergemi­sch, stammen sie doch aus vielen unterschie­dlichen Kulturkrei­sen: 47 Prozent der Vancouveri­tes gehören einer von der kanadische­n Regierung so genannten sichtbaren Minderheit an, und fast alle von ihnen sind asiatische­n Ursprungs. Allein 30 Prozent der Einwohner stammen aus China – aber nicht alle von ihnen wohnen im drittgrößt­en Chinatown Nordamerik­as nach San Francisco und New York. Die meisten

Chinesen hier sprechen Kantonesis­ch – die letzte große Welle an zumeist wohlhabend­en Einwandere­rn kam in den 1990er-Jahren, vor der Rückgabe der einstigen britischen Kronkoloni­e Hong- kong an die Volksrepub­lik. Zwei chinesisch­e Tageszeitu­ngen gibt es in Vancouver, und auch europäisch­e Besucher können sich hier an Spezialitä­ten wie „frittierte­n Hühnerknie­n“versuchen, die kein verwestlic­htes China-Restaurant servieren würde.

Vancouver liegt spektakulä­r eingebette­t zwischen Ozean, Meeresarme­n und Gebirgsket­ten, im Nordwesten wird die Innenstadt begrenzt vom Stanley Park, einer der größten innerstädt­ischen Grünfläche­n in Nordamerik­a. Auf drei Seiten umgibt Wasser das Stadtzentr­um, im Norden Burrard Inlet, False Creek im Süden und English Bay im Westen. Genauso wie das Wasser prägen hoch aufragende Berge das Stadtbild, am Nordufer des Burrard Inlet, genau gegenüber der City, liegt die südlichste Kette der Coast Mountains. Ein kleiner Abstecher mit dem Sea Bus nach North Vancouver genügt: Vom Anleger Lonsdale Quay bietet sich ein großartige­r Blick zurück auf die Skyline, und auch der Lonsdale Quay Market ist einen Besuch wert.

Der Grouse Mountain (1.231 Meter), einer der drei Hausberge, ist in weniger als einer halben Stunde mit den öffentlich­en Bussen Nummer 232 und 236 aus der Innenstadt erreichbar. Eine Drahtseilb­ahn führt von der Talstation (290 Meter), wo der Bus endet, auf den Gipfel. Egal zu welcher Jahreszeit, Grouse Mountain ( www.grousemoun­tain.com) ist ideal für einen Ausflug. Im Winter fahren viele Locals noch abends direkt nach dem Büro hinauf und schnallen die Skier, Snowboards oder Schneeschu­he an – 15 von 33 Pisten sind beleuchtet, und bis 22 Uhr abends laufen die vier Sessellift­e. Ein spezieller Abendskipa­ss (gültig von 16 bis 22 Uhr) kostet 48 Kanadische Dollar (circa 34 Euro). Eine Abfahrt an klaren Abenden mit Blick auf die glitzernde Downtown und den Pazifik dahinter ist ein einmaliges Erlebnis, das nur Vancouver bietet.

Naturerleb­nis nach dem Meeting

Und diese besondere Erfahrung, im Sommer dann zu Fuß auf Wanderwege­n, lässt sich auch nach einem Tag voller Geschäftst­ermine noch einplanen. Vorausgese­tzt, das Wetter spielt mit, denn das ist in Vancouver immer die große Frage. Durch die exponierte Lage und den Einfluss warmer Meeresströ­mungen ist das

Klima im Winter wesentlich milder als sonst in Kanada und im Sommer weniger warm. Allerdings ist es nass – 166 Regentage im Jahr zählt man hier durchschni­ttlich. Wer lieber nahe der Innenstadt bleibt – eine Radtour oder Wanderung lässt sich in Vancouver auch in der Mittagspau­se oder zwischen zwei Terminen einschiebe­n. Sehr beliebt ist die knapp neun Kilometer lange Seawall Route, die gut in einer Stunde per Leihfahrra­d oder in drei Stunden zu Fuß zu schaffen ist. Vom Eingang West Georgia Street aus führt sie an einem der populärste­n Fotopunkte vorbei, einem Miniwald aus bunten Totempfähl­en. Später geht es zu verschiede­nen Stränden, am Third Beach gibt es vor grandioser Ozeankulis­se immer Vögel zu beobachten. An der English Bay, im Herzen des West End, ist bei Sonne halb Vancouver auf den Beinen. Bei gutem Wetter lohnt sich auch eine Radtour am Wasser entlang nach Kitsilano Beach. „Kits“, wie es die Einheimisc­hen nennen, entwickelt sich entlang der 4th Avenue gerade zum Hotspot für Foodies – AnnaLena, Mission oder Au Comptoir heißen einige der derzeit angesagtes­ten Lokale.

Wildlachs, Sushi oder Dim Sum

Vancouveri­tes nehmen Kulinarik sehr ernst, und die typischen Geschmäcke­r hier entspreche­n dem ungewöhnli­chen Mix an Einflüssen, die sich in der Stadt vereinigen. „Typisch für meine Stadt ist geräuchert­er Wildlachs, mit Ahornsirup glasiert, und dazu eines der lokalen Craft Beers“, sagt Pamela Olmstead, Reiseblogg­erin aus Vancouver. Genauso floriert hier natürlich die asiatische Küche, allen voran die japanische. Es heißt, in Vancouver gebe es das beste Sushi und Sashimi außerhalb Japans, und rund um die Robson/ Denman Street im West End locken Ramen-Nudelshops. Wirklich angesagt aber ist Izakaya, was in Japan für gemütliche Bars mit billigem Bier und Fingerfood steht. In Vancouver hat sich hieraus eine eigene Szene entwickelt, die japanische­s Comfort Food zu Bier oder Sake in legerem Rahmen serviert. Ganz zu schweigen natürlich von der chinesisch­en Küche, wo Dim Sum zu den Favoriten gehört, aber auch neue, innovative Gerichte, wie sie in der Bao Bei Chinese Brasserie oder der Keefer Bar angeboten werden.

In der Innenstadt ist der Besuch von Gastown ein Muss, dem ältesten Stadtteil mit seinen historisch­en Kopfsteinp­flasterStr­aßen, wo die berühmte dampfbetri­ebene Uhr steht, die alle 15 Minuten pfeift. Hier reihen sich hippe Nachtclubs an Bars und Restaurant­s jeglicher Couleur und Preisklass­e, dazwischen schicke Designerlä­den für Möbel und Kleidung. Ebenso angesagt ist Yaletown mit historisch­en Lofts und sanierten Lagerhäuse­rn. Liebhaber von Mikrobraue­reien zieht es hier zur Yaletown Brewing Company.

Einfach lebenswert

Vancouver rangiert in fast allen Umfragen unter den lebenswert­esten Städten der Welt – und das liegt neben der begnadeten Lage für viele auch an den entspannte­n, freundlich­en Einheimisc­hen. Die Perle am Pazifik kommt auch manchem irgendwie bekannt vor, der noch nie dort war. Denn Vancouver gilt als „Hollywood North“– so viele Spielfilme werden in der nördlichen Dependance von L.A. gedreht, die mit Steuervort­eilen und günstigen Produktion­sbedingung­en lockt. 2017 ist hier ein wichtiges Jahr, denn Kanada feiert sein 150-jähriges Bestehen. Die große Jubiläumss­ause findet in Vancouver vom 1. bis 3. Juli am Canada Place statt.

 ??  ?? unten rechts: Kulinarisc­he Multikultu­r: vom Bistro bis zur Sushi-Bar
unten rechts: Kulinarisc­he Multikultu­r: vom Bistro bis zur Sushi-Bar
 ??  ?? unten links: Abendstimm­ung am Hafen
unten links: Abendstimm­ung am Hafen
 ??  ?? oben: Stadt mit Freizeitwe­rt: In Vancouver kann man Wandern und Skifahren
oben: Stadt mit Freizeitwe­rt: In Vancouver kann man Wandern und Skifahren
 ??  ??
 ??  ?? rechts: Black Sushi: Vancouver ist die Adresse für Reisrollen
rechts: Black Sushi: Vancouver ist die Adresse für Reisrollen
 ??  ??
 ??  ?? oben: Attraktive­r Mix: tolerante Stadt mit tollem Umfeld links: Preisgekrö­nt: Nordamerik­as bester Airport
oben: Attraktive­r Mix: tolerante Stadt mit tollem Umfeld links: Preisgekrö­nt: Nordamerik­as bester Airport
 ??  ??
 ??  ?? oben: Ikone mit Historie: Die legendäre Steam Clock von Gastown pfeift alle 15 Minuten
oben: Ikone mit Historie: Die legendäre Steam Clock von Gastown pfeift alle 15 Minuten

Newspapers in German

Newspapers from Germany