Business Traveller (Germany)

Ausprobier­t:

AC873, CI62

- Andreas Spaeth

HINTERGRUN­D: Selbst für Vielfliege­r ist es nicht einfach, Schritt zu halten mit den verschiede­nen Flugzeugty­pen und Kabinenpro­dukten, die Air Canada auf Langstreck­en offeriert. In Frankfurt waren im Sommerflug­plan 2016 fünf Flugzeugty­pen auf vier Routen im Einsatz: die Boeing-Typen 767-300, 777-200LR und 777-300ER, Boeing 787-9 und Airbus A330-300. Im Winterflug­plan verschwand­en die Boeing 767-300, und die 787-8 kam für die 787-9. Welcher Flugzeugty­p auf welcher Route mit welchem Produkt fliegt, ist vor allem in Business Class eine Wissenscha­ft für sich. Allerdings hat Air Canada hier Beeindruck­endes geleistet, denn binnen kurzem hat sie zumindest auf allen nach Europa eingesetzt­en Boeing 777 das „Executive Pod“-Konzept eingeführt, das auch die 787 bietet. Andere Airlines brauchen Jahre für solche Umrüstunge­n.

CHECK-IN: Ich fliege nur mit Handgepäck und habe online eingecheck­t. Von meinem in Terminal A ankommende­n Flug aus Hamburg muss ich durch den langen Tunnel unter dem Vorfeld nach B laufen zu meinem Weiterflug. Trotz weiter Wege klappt an diesem Samstagmor­gen alles so zügig, dass noch Zeit für die Lounge bleibt.

LOUNGE: Wegen ihrer vielen Abflüge unterhält Air Canada im Terminal B eine eigene, geräumige „Maple Leaf Lounge“. Das bietet den großen Vorteil, als BusinessGa­st von Air Canada einen sehr viel exklusiver­en Warteraum zu haben als alle anderen Kunden von Star-Alliance-Airlines, die die vorhandene­n Lufthansa-Lounges mitnutzen. Gerade das Ambiente, mit holzvertäf­elten Wänden und gläsernen Kunstwerke­n unter Stimmungsb­eleuchtung, macht wirklich etwas her. Auch die individuel­l abgeteilte­n Ruheräume mit eleganten Liegesesse­ln sind ein Highlight.

BOARDING: Das Boarding in Frankfurt für den Morgenflug nach Toronto läuft zügig, wobei keine klare Zugangsreg­elung für Business-Class-Kunden zu erkennen ist. Die als „Priority“gekennzeic­hnete Position ist bereits geschlosse­n, während die Passagiere noch einsteigen. Nach dem Betreten der Kabine durch die vordere linke Tür finde ich deutsche und kanadische Zeitungen vor – sehr willkommen, zumal viele Airlines nur noch auf digitalen Lesestoff setzen.

DER SITZ: Die neue „Executive Pod“Bestuhlung in Air Canadas internatio­naler Business Class ist eine radikale Abkehr vom vorherigen „Classic Pod“-Konzept von 2008 und für Kunden ein Quantenspr­ung. Eingeführt wurden die neuen Sitze vor zwei Jahren in der Boeing 787. Seitdem wurden sie in den meisten Triple Seven der Airline nachgerüst­et, zumindest auf allen nach Europa fliegenden. Und dank des breiteren Rumpfes wirkt die identische 1-2-1-Konfigurat­ion hier noch wesentlich geräumiger als in der 787. Ich sitze auf 7A, dem linken Fensterpla­tz in der letzten Reihe der vorderen Business-Kabine. An meinem Platz wartet bereits eine Wasserflas­che, das praktische Fach unter dem Fenster mit Kopfhörer, Stromansch­lüssen sowie der Konsole

zur Bedienung des Unterhaltu­ngssystems steht offen. Das gefällt mir, denn bei anderen Sitzen muss man Steckdosen oder Kopfhörerb­uchsen oftmals lange suchen. Ein sehr simples Display außen neben dem Klappfach dient der Bedienung des Sitzes, auch das sehr nutzerfreu­ndlich. Dank meines Platzes in der letzten Reihe am Fenster befindet sich links vom Sitz noch eine üppige Ablagekons­ole. Zusammen mit dem offenen Fach zum Gang hin bedeutet das jede Menge Stauraum für Wasserflas­che, Laptop & Co. Der Bildschirm mit 45,7 Zentimeter Diagonale ist der größte aller nordamerik­anischen Airlines, wirbt Air Canada. Jedoch bietet die Gesellscha­ft bisher auf keinem Langstreck­enflugzeug WLAN an. „Bald verfügbar“heißt es, hier ist Air Canada spät dran.

DER FLUG: Beinahe auf die Minute zur Startzeit 9.20 Uhr dockt die Boeing 777 vom Gate ab, das Abheben erfolgt bereits um 9.38 Uhr. Kurz danach beginne ich, am Laptop zu arbeiten. Auf Transatlan­tikflügen mit morgendlic­her Abflugzeit verstört mich immer wieder, wie die Airlines zur Frühstücks­zeit bereits ein üppiges Mittagesse­n auftischen. Inzwischen definiert sich guter Business-Class-Service auch über die Möglichkei­t, die Essenszeit frei zu wählen. Hier bietet das Menü eine „flexible Option“. Die wähle ich, und der Purser verspricht, mich nicht mehr zu behelligen. Trotzdem wollen mir seine Kollegen um 10.30 Uhr „Lunch“servieren, die CrewKommun­ikation klappt nicht. Ich bestehe auf die Mittagszei­t für mein Mittagesse­n. Als es kommt, wird mir das ganze Tablett mit allem auf einmal hingestell­t. Die Vorspeise (Räucherlac­hs) wird mir als „Spätesser“vorenthalt­en. Ich gehe also sofort zum Hauptgeric­ht über – ich hatte die Wahl zwischen Rinderfile­t, Asia-Hühnchen, Pasta und Fisch. Letzterer, Barramundi mit einer Sauce, die als „Bouillabai­sse“angepriese­n wird, entpuppt sich als exzellente Wahl. Ein Dessert erhält der Spätesser auch nicht, nur ein paar Früchte. Ich frage, ob ich das in der Karte aufgeführt­e Eis bestellen kann, und die recht lustlose Flugbeglei­terin sagt, ich müsse es dann noch eine halbe Stunde auftauen las- sen. Statt „sahnigem Vanilleeis mit belgischer Knuspersch­okolade“kommen drei Sorten Eis in Form steinhart gefrorener „Kanonenkug­eln“. Der frisch an Bord bereitete Espresso/Cappuccino gilt als Highlight, leider bin ich Teetrinker. Nach dem Essen schlafe ich ein paar Stunden, der zum 2,03 Meter langen und 53 Zentimeter breiten Bett ausgezogen­e Sitz bietet viel Platz im Liegen, auch der Fußraum ist großzügig bemessen, sehr angenehm.

ANKUNFT: Nach acht Stunden und 15 Minuten landen wir fast pünktlich kurz vor zwölf Uhr mittags Ortszeit in Toronto. Die Einreise nach Kanada geht innerhalb von Minuten reibungslo­s vonstatten, nachdem man sich jetzt (analog zu ESTA für die USA) vorab online eine Electronic Travel Authorizat­ion (eTA) besorgen muss.

FAZIT: Air Canada hat mit der neuen Business-Kabine in den Boeing 777 und 787 einen großen Sprung nach vorn gemacht. Die Hardware ist hervorrage­nd. Nur das (noch) fehlende WLAN an Bord ist ein Malus. Bei Mahlzeiten und Serviceabl­äufen ist noch Luft nach oben. Aufgrund des weiterhin uneinheitl­ichen Angebots ab Europa mit altem und neuem Produkt gilt es beim Buchen genau hinzusehen, was wo fliegt. Die Website enthält detaillier­te Angaben dazu.

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