AUSPROBIERT
TOKIO – HONOLULU
HINTERGRUND Am 24. Mai 2019 fand in Tokio-Narita definitiv der letzte Erstflug eines neuen Airbus-A380-Betreibers statt. Airbus hatte im Februar die Einstellung des A380-Programms bis 2021 angekündigt. ANA erhält als erster und einziger Betreiber aus Japan drei A380 und nahm damit jetzt Flüge ausschließlich auf der Strecke zwischen Tokio und Hawaii auf. Seit dem 1. Juli fliegen zwei A380 zehn wöchentliche Frequenzen je Richtung, Anfang 2020 soll die letzte A380 zur Flotte stoßen, damit werden alle drei täglichen ANA-Verbindungen zwischen Tokio und Hawaii mit diesem Flugzeugtyp bedient. ANA hat sich mehr als jeder andere A380-Betreiber um ein spezielles Branding bemüht. Aus einem öffentlichen Designwettbewerb ging das Konzept „Flying Honu“als Gewinner hervor, das als Leitmotiv die bedrohten Grünen Meeresschildkröten (Honu auf Hawaiianisch) verwendet. Alle drei Flugzeuge sind daher über den ganzen Rumpf mit Schildkröten-Motiven bemalt und unterscheiden sich nur in den Grundfarben Blau, Grün und Orange.
CHECK-IN Ich wollte unbedingt einen Fensterplatz, doch als ich endlich mein Ticket hatte, konnte ich online nur mit Glück einen letzten und nicht ganz optimalen fensternahen Sitz ergattern – immerhin. Dank dieser Vorabauswahl erhielt ich 24 Stunden vor Abflug per E-Mail automatisch meine Bordkarte. Leider lässt diese sich nicht auf dem Smartphone im Wallet speichern, aber ein Screenshot des QRCodes tut’s auch zum Einsteigen. Ich kann mich damit direkt zum Abflugbereich begeben, da ich nur Handgepäck dabeihabe.
BOARDING Die heute 56 Business-ClassPassagiere – volles Haus! – und auch einige Economy-Reisende stehen in der Warteschlange am Gate 45 an. Es herrscht Volksfeststimmung, jeder knipst vor Betreten der Fluggastbrücken durch die Scheiben ein Foto der Schildkröten-Maschine. Ich steige nach rechts durch die Brücke bergauf, um direkt im Oberdeck an Bord zu gehen. Mit Betreten des Flugzeugs ändert sich das Ambiente: Wo draußen schon dank der Bemalung gute Stimmung herrscht (schließlich ist dies nahezu eine reine Urlauberstrecke), setzt sich diese in der Kabine nicht fort – sie kommt aseptisch in Schwarz-Weiß daher, ein wenig Wolkenhimmel in Orange und Blau an den Trennwänden gleicht das nicht aus. Seltsam und nicht wirklich stimmig, als hätte die Designer in der Maschine der Mut verlassen.
DER SITZ Die Anordnung im Oberdeck der A380, wo sich vorn acht First-Class-Abteile befinden und dahinter die langgestreckte Business-Kabine, ist 1 – 2 – 1. Die Business-Sitze des Typs Safran Skylounge, die ANA auch identisch in ihren Boeing 787-9 und 787-10 nutzt, sind gegeneinander versetzt. Das heißt: An den Fensterplätzen befindet sich jeweils abwechselnd ein Sitz oder ein Tisch direkt am Fenster. Wo in Reihen mit geraden Zahlen die Sitze am Gang stehen, herrscht wesentlich weniger Privatsphäre
und man kann oft nur unter Verrenkungen aus dem Fenster schauen. Trotzdem sitze ich auf 8H immerhin in Fensternähe. In der Mitte sind sich beide Sitze jeweils entweder ganz nahe (in ungeraden Reihen) oder stehen weit voneinander entfernt und abgeschirmt (gerade Reihen). Die zweifellos besten Einzelsitze in Business Class sind 5A und 5K an der Trennwand, mit vielen Extra-Ablageflächen. Der Sitz ist funktional und weitgehend selbsterklärend, nur das Ausziehen des Tisches will gelernt sein, dazu muss man im eingefahrenen Zustand eine Art Druckschalter unter der Platte betätigen. Die Ausstattung ist sehr kommod mit 20 Zoll (50,8 cm) Sitzbreite und einer Bettlänge im voll ausgefahrenen Zustand von 77 Zoll (1,95 Meter), der Bildschirm mit 18,5 Zoll (47 cm) Diagonale ist üppig. Das Beste am Bordprogramm sind nicht die 40 Filme, eine eher schmale Auswahl, oder die Live-TV-Programme (u. a. CNN International) in guter Streaming-Qualität, sondern die gestochen scharfen Bilder der Bordkameras – ob am Heck, nach vorn oder nach unten gerichtet. Großes Kino! Und: die hervorragende interaktive Flugkarte, auch wenn dieser Flug nur über den endlosen Ozean führt. Extrem schnelles WLAN gibt es an Bord gegen Gebühr ab 6,95 US-Dollar (30 Minuten), drei Stunden kosten 16,95 und der ganze Flug 21,95 Dollar.
DER FLUG Vor dem Start reicht ANA in Business Class statt Champagner spanischen Cava, und das aus Plastikbechern! Schade, dass die sonst so qualitätsbewussten Japaner diese amerikanische Unsitte jetzt übernehmen. Und Plastik ist überhaupt ein sehr unrühmliches Thema bei ANA. Die Hausschuhe, das Bettzeug und andere Utensilien sind einzeln in Plastik verpackt, die ohnehin aus transparentem Kunststoff bestehende (hübsche) Waschtasche sogar doppelt! Planmäßige Startzeit war 20.10 Uhr Ortszeit, um 20.38 Uhr heben wir ab. Schon jetzt fällt auf, dass die Crew sich noch nicht heimisch fühlt: Entgegen allen Sicherheitsempfehlungen bei Starts im Dunkeln bleibt die Kabinenbeleuchtung taghell.
Nun beginnt das große Warten auf den Service. Ich mache einen kleinen Erkundungsgang, hinten führt – ein Novum in der A380 – statt der üblichen Wendeltreppe eine enge, über Eck gebaute Treppe hinab ins Hauptdeck, so gewinnt man Raum für mehr Sitze. Zurück an meinem Platz werden 55 Minuten nach dem Start die Getränkebestellungen aufgenommen, viel zu spät auf einem Sieben-Stunden-Nachtflug. Leider hat sich ANA eine sehr zeitintensive Methode ausgedacht, um Getränke zu servieren: Jede Flasche wird einzeln aus der Galley zu jedem Platz getragen, dann wird eingeschenkt und die Flasche wieder zurückgebracht, ehe der nächste Passagier dran ist. So erreichen mich Sake und Wasser genau eine Stunde 14 Minuten nach dem Abheben – eine gefühlte Ewigkeit, da hilft auch die äußerst freundliche Art der Damen nur begrenzt. Zum Glück sitze ich recht weit vorn in der Business-Kabine, so kommt mein Bordmenü immerhin knapp zwei Stunden nach dem Start, Gäste ganz hinten warten drei Stunden! Das Essen kommt auf einem Tablett und alles auf einmal, wieder per Hand angetragen, nicht vom Wagen. Das wirkt zwar exklusiver, dauert aber selbst bei eingespielten Crews und kleineren Kabinen oft zu lang. Ich hatte bereits zuvor online mein Menü – westlich oder japanisch – ausgewählt und mich für Letzteres entschieden. Japanische Häppchen (Spinat mit Bohnenpaste, Seebrasse mit Klettenwurzel, Garnelen-Sellerie-Spieß, Feuerbohnen mit Sirup), die appetitlich aussehen und überwiegend hervorragend schmecken. Die heiße Misosuppe ist sehr willkommen. Dem Hauptgericht (gegrillter Butterfisch mit Misopaste und gekochtem Reis) fehlt leider jede Würze. Insgesamt fällt die Qualität der Mahlzeiten leicht ab gegenüber anderen Langstrecken bei ANA, vermutlich eben weil es eine Urlauber-Rennstrecke ist und man hier nicht um Geschäftsreisende buhlen muss.
Ich versuche, ein paar Stunden zu schlafen, das Bett ist zwar schmal, aber ich kann meinen 1,88-Meter-Körper einigermaßen ausstrecken. Sehr angenehm ist die neue luftgefüllte Matratzenauflage, auch die dünne, angenehm kühlende Decke und das kuschelige Kissen erhöhen den Komfort. Während die meisten Japaner bis kurz vor der Landung schlafen, wünsche ich mir nach dem Aufwachen, wie viele andere, ein kleines Frühstück. Gibt es aber nicht, man kann nur aus einigen Snacks auswählen, die den ganzen Flug über angeboten werden. Immerhin lande ich nach knapp sieben Stunden in der Luft nicht mit leerem Magen in Honolulu, und das pünktlich. Es sind lange Wege bis zur (recht zügigen) Einreise und zur Gepäckausgabe, dafür erhalten meine Mitreisenden mit aufgegebenen Koffern diese dort quasi bei Ankunft zügig zurück.
BEWERTUNG Die A380 ist zu Recht ein extrem beliebtes Flugzeug, so leise fliegt man sonst nirgends. Dieser und auch andere der frühen A380-Flüge der ANA liefen beim Service-Ablauf nicht rund, hier sollte die Airline dringend ihr Prozedere ändern und etwa vom Wagen statt einzeln servieren. Am Ende eines Nachtflugs gehört ein kleines Frühstück zumindest als Option dazu. Es wäre auch wünschenswert, in den Premium-Klassen zumindest für 30 Minuten Gratis-WLAN anzubieten.