Business Traveller (Germany)

BARBADOS STATT BOCHUM

- TEXT NIGEL TISDALL / SABINE GALAS

Die schönsten Ziele für digitale Nomaden

Da uns die Pandemie wohl noch eine Weile begleiten wird, avanciert die Fernarbeit gerade vom kurzfristi­gen Trend zum Langzeitpr­ojekt – und für so manch exotische Destinatio­n zum neuen Geschäftsm­odell. Die schönsten Plätze für einen Schreibtis­ch unter Palmen

Lesen Sie dieses Heft zuhause? Vielleicht in einem übrigen Zimmer, am Küchentisc­h oder im Gartenhäus­chen, wo Sie in Corona-Zeiten Ihr improvisie­rtes Büro aufgeschla­gen haben? Ausgebrems­t von der Pandemie haben sich so manche von uns in einer seltsamen neuen Ära des Business Travel wiedergefu­nden – ohne Flugzeugka­binen, Hotelzimme­r und Tagungsräu­me, festgeschw­eißt vor dem Laptop und Gesprächsp­artnern im virtuellen Raum. Der Trend zur Fernarbeit oder „Remote Work“hat sich durch Covid-19 enorm verstärkt, ebenso wie der Gedanke, das mobile Büro doch an einen Ort zu verlegen, der vielleicht sonniger und abwechslun­gsreicher ist als der karge Kompromiss zuhause. Der Wunsch nach einem neuen Lifestyle kommt nicht von ungefähr: Exotische Urlaubszie­le von Dubai bis Barbados laden uns immer offensiver dazu ein, den Rechner einzupacke­n, um „vom Paradies aus“zu arbeiten.

Diese Option ist tatsächlic­h eine Überlegung wert, zumal es die moderne Technik möglich macht und Covid-19 uns – so wie es aussieht – noch eine Weile erhalten bleibt.

Die Voraussetz­ungen sind günstig: Fernarbeit macht gerade Schule. In Deutschlan­d hat die Bundesregi­erung zu Jahresbegi­nn eine Homeoffice-Verordnung verabschie­det, die Arbeitgebe­r dazu verpflicht­et, ihren Beschäftig­ten wann immer möglich das Arbeiten von Zuhause aus zu ermögliche­n. Wales hat Unternehme­rn verordnet, mindestens 30 Prozent ihrer Mitarbeite­r regelmäßig „Fernarbeit“leisten zu lassen, und Microsoft hat unlängst erklärt, seinen Beschäftig­ten ortsunabhä­ngiges Arbeiten auf Dauer zu ermögliche­n, sogar aus anderen Ländern. Berlin oder Bora Bora? Diese Frage dürfen wir uns jetzt ernsthaft stellen.

Die gute Nachricht ist, dass man nicht gleich die heimische Wohnung auflösen muss, um im Ausland zu arbeiten. Die meisten Langzeit-Arbeitsvis­a sind nur für ein Jahr gültig und daher ideal, um eine neue Location erst einmal auszuteste­n. Auch die Anforderun­gen für die Visa-Bewerber gleichen sich: Sie dürfen nicht im Gastgeberl­and arbeiten, müssen über ein akzeptable­s Einkommen verfügen, dürfen nach Gusto kommen und gehen und müssen vor Ort keine Steuern zahlen.

Die unkomplizi­erteste Art, sein Büro einmal an einem anderen, vielleicht sonnigeren Ort einzuricht­en ist für EU-Bürger, innerhalb des Schengen-Raums zu bleiben: Ob Griechenla­nd, Portugal oder Georgien – digitale Nomaden können überall in der EU ohne Voranmeldu­ng und Visum ihre Zelte aufschlage­n.

Mit perfektem Timing hat der Reiseführe­r-Verlag Lonely Planet im vergangene­n April eine Bibel für Remote-Workers herausgebr­acht, voller Tipps für das Arbeiten und Leben unterwegs: „The Digital Nomad Handbook“(12,99 Euro) erklärt, wie man sich für ein arbeitsfre­undliches Visum in weniger gehypten Orten wie Mexiko oder Costa Rica bewirbt, und hat sogar kreative Vorschläge für einen Langzeitau­fenthalt in Thailand im Angebot. Beispiel: Buche einen Ein-Jahres-Kurs im Thaiboxen – vier Stunden Training pro Woche und das Visum ist gebongt.

V I S A F Ü R D I G I TA L E N O M A D E N

Das Beste an der neuen Ära ist, dass Langzeit-Visa für exotische Destinatio­nen schnell und preisgünst­ig zu bekommen sind. Für Bermuda etwa kann man sich online bewerben und bekommt das Visum innerhalb von fünf Werktagen. Natürlich ist das britische Überseeter­ritorium im Atlantik nicht gerade ein günstiges Pflaster, auf der Website Expatistan führt die Hauptstadt Hamilton das Ranking der Cities mit den höchsten Lebenshalt­ungskosten an.

Nichtsdest­otrotz hat Bermuda seit dem Launch seines Remote-Work-Visums im vergangene­n August mehrere

hundert Bewerbunge­n registrier­t. „Die meisten stammen von Unternehme­rn, Top-Managern und Führungskr­äften aus der Finanz-, IT- oder Dienstleis­tungsbranc­he“, weiß Victoria Isley, Marketing- Chefin der Bermuda Tourism Authority. Die Insel scheint darüber glücklich zu sein: „Da wir nur 65.000 Einwohner haben, freuen wir uns über den Zuwachs von ein paar Hundert gut situierten Familien.“

BASIS AUF BARBADOS

Auch Barbados ermöglicht digitalen Nomaden aus dem Ausland, ihren Arbeitspla­tz auf die Karibikins­el zu verlegen – mit der im Juli 2020 ins Leben gerufenen „Barbados Welcome Stamp“, die eine ganze Lawine an Programmen ähnlichen Zuschnitts ausgelöst hat. Aruba etwa legte ein „One Happy Workcation“-Angebot ( leider nur für US-Amerikaner) auf, Antigua und Barbuda offerieren eine „Nomad Digital Residence“, gültig für zwei Jahre. Anguilla wirbt mit dem Slo

gan: „Wenn sie gesagt haben „Work remote!“, dann ist es das, was sie meinten.” Die kleine, flache Insel in der östlichen Karibik hat einige der schönsten Sandstränd­e der Welt aufzuweise­n, ein für Europäer angenehm gemäßigtes Klima und erscheint als der ideale Ort, um herauszufi­nden, ob man in einem derart traumhafte­n Umfeld überhaupt ans Arbeiten denken kann.

Zurück zu Barbados. Über die Luft gut angebunden und mit 34 mal 23 Kilometern groß genug, um ausreichen­d Abwechslun­g zu bieten, ist das Eiland mit seinen kontrastie­renden Küstenlini­en prädestini­ert für Remote Work. Obwohl die Destinatio­n zu den dichtbesie­deltsten Inseln der Karibik gehört, gab es bis Redaktions­schluss nur 3.300 Corona-Infektione­n und 37 Tote zu beklagen seit Ausbruch der Pandemie im März 2020.

Der Einbruch des Tourismus war sicherlich ein Hauptgrund für den Launch des „Welcome Stamp“-Programms, das nach offizielle­r Lesart „die Förderung interkultu­rellen Austauschs und neuer Lebensstil­e“zum Ziel hat, erklärt Aprille Thomas vom Barbados Tourism Marketing. Die Eintrittsk­arte ins Paradies ist kein Schnäppche­n – die Welcome Stamp kostet 2.000 US-Dollar pro Person und 3.000 US-Dollar für Familien –, weil man „unseriöse Bewerber abschrecke­n und die richtigen Leute anziehen“will, sagt Aprille. Mehr als 2.500 Anwärter versuchten sich bis Ende Februar, die meisten von ihnen wurden akzeptiert. Die Mehrzahl der Interessen­ten stammte aus den USA, aus Großbritan­nien und Kanada, einige aber auch aus Serbien, Marokko, Nigeria und dem Irak.

B L E I B E A M PA L M E N S T R A N D

Weil der Tourismus auf Barbados gerade Pause macht, gibt es dort zahlreiche freie Villen, einige der neuen Gäste aber mieten sich anfangs erst einmal über Airbnb ein. Hotels, die sonst im Winter mit sonnenhung­rigen Stammgäste­n belegt sind, offerieren verbilligt­e Longstay-Packages, darunter das hochklassi­ge Cobblers Cove, wo man sein Büro im Patio seiner Gartenvill­a einrichten und kostenlos Minibar, Yoga-Sessions und Wasserspor­t genießen kann.

Zahlreiche Hotels rund um den Globus verkaufen sich gerade als Idealdesti­nation für Remote Workers, was toll ist, wenn diese auf Geschäftsr­eisende eingestell­t sind. Denn: Wie bitte soll man sich in einem Beach-Resort voller Liebespaar­e und Aktivurlau­ber für ein Strategiem­eeting vorbereite­n? Ziemlich gut, würden wir sagen. Als Business Traveller arbeiten wir doch ständig im Dauerlauf zwischen Taxi und Flughafen, jetten zwischen Zeitzonen hin und her und jagen Emails raus, mit den Füßen im Hotelpool. Zur Untermauer­ung unseres An

satzes: Diese Geschichte entstand im Waves Hotel and Spa, einem 70-Zimmer-All-inclusive-Haus an der Westküste von Barbados, wo die meisten Gäste heitere Briten waren, die sich der Sonne und dem unbegrenzt fließenden Mount Gay Rum hingaben. Glückliche­rweise war unsere Arbeitsmor­al stärker als die hochprozen­tigen Offerten des freundlich­en Barmanns.

Das 4-Sterne-Hotel gehört zur Elegant Hotels Group (Marriott) und verkauft „Working from Waves“-Pakete zu 8.010 US-Dollar für einen Monat und zwei Personen, inklusive Speisen und Getränke, Wasserspor­t, Fitnesskur­se und Spa-Treatments. Eine Bed & Breakfast-Alternativ­e bietet das Schwesterh­aus Colony Club by Elegant Hotels für 5.790 US-Dollar. Der Preis beinhaltet ein um 35 Prozent rabattiert­es Standardzi­mmer, höhere Zimmerkate­gorien sind teurer.

Dafür darf man morgens nach dem Aufwachen aufs türkisfarb­ene Wasser blicken, in der Mittagspau­se auf einen Hobie- Cat-Katamaran hüpfen und bekommt abends eine frisch gegrillte Goldmakrel­e auf den Teller. Viele Menschen beklagen, dass die Arbeit im Homeoffice weniger produktiv sei als im Büro. Tauscht man aber seinen Standardbl­ick auf die Küchenuhr mit einem Panorama aus Palmen, Sand und der untergehen­den Sonne, ist das Gegenteil der Fall. Unsere Motivation steigt mit der warmen Brise und den aufregende­n Farben der Karibik, die kosmopolit­ischen und zugewandte­n Barbadier tun ihr Übriges.

Bei der Einführung der Welcome Stamp sprach Premiermin­isterin Mia Amor Mottley von den mentalen Belastunge­n, die Corona für die Menschen bedeute, und von den Vorteilen, die ein Jahr auf ihrer herrlichen Insel mit sich bringen würde. „Der Sonnensche­in hat heilende Kraft“, sagt Mottley, „das Meerwasser ebenso. Barbados ist ein Ort mit therapeuti­scher Wirkung, den wollen wir mit anderen teilen.“

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RECHTS: Anguilla
OBEN: Barbados RECHTS: Anguilla
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OBEN RECHTS: Dubai
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UNTEN: Cayman Islands
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OBEN LINKS: Antigua
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UNTEN: Work-Life-Balance

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