BARBADOS STATT BOCHUM
Die schönsten Ziele für digitale Nomaden
Da uns die Pandemie wohl noch eine Weile begleiten wird, avanciert die Fernarbeit gerade vom kurzfristigen Trend zum Langzeitprojekt – und für so manch exotische Destination zum neuen Geschäftsmodell. Die schönsten Plätze für einen Schreibtisch unter Palmen
Lesen Sie dieses Heft zuhause? Vielleicht in einem übrigen Zimmer, am Küchentisch oder im Gartenhäuschen, wo Sie in Corona-Zeiten Ihr improvisiertes Büro aufgeschlagen haben? Ausgebremst von der Pandemie haben sich so manche von uns in einer seltsamen neuen Ära des Business Travel wiedergefunden – ohne Flugzeugkabinen, Hotelzimmer und Tagungsräume, festgeschweißt vor dem Laptop und Gesprächspartnern im virtuellen Raum. Der Trend zur Fernarbeit oder „Remote Work“hat sich durch Covid-19 enorm verstärkt, ebenso wie der Gedanke, das mobile Büro doch an einen Ort zu verlegen, der vielleicht sonniger und abwechslungsreicher ist als der karge Kompromiss zuhause. Der Wunsch nach einem neuen Lifestyle kommt nicht von ungefähr: Exotische Urlaubsziele von Dubai bis Barbados laden uns immer offensiver dazu ein, den Rechner einzupacken, um „vom Paradies aus“zu arbeiten.
Diese Option ist tatsächlich eine Überlegung wert, zumal es die moderne Technik möglich macht und Covid-19 uns – so wie es aussieht – noch eine Weile erhalten bleibt.
Die Voraussetzungen sind günstig: Fernarbeit macht gerade Schule. In Deutschland hat die Bundesregierung zu Jahresbeginn eine Homeoffice-Verordnung verabschiedet, die Arbeitgeber dazu verpflichtet, ihren Beschäftigten wann immer möglich das Arbeiten von Zuhause aus zu ermöglichen. Wales hat Unternehmern verordnet, mindestens 30 Prozent ihrer Mitarbeiter regelmäßig „Fernarbeit“leisten zu lassen, und Microsoft hat unlängst erklärt, seinen Beschäftigten ortsunabhängiges Arbeiten auf Dauer zu ermöglichen, sogar aus anderen Ländern. Berlin oder Bora Bora? Diese Frage dürfen wir uns jetzt ernsthaft stellen.
Die gute Nachricht ist, dass man nicht gleich die heimische Wohnung auflösen muss, um im Ausland zu arbeiten. Die meisten Langzeit-Arbeitsvisa sind nur für ein Jahr gültig und daher ideal, um eine neue Location erst einmal auszutesten. Auch die Anforderungen für die Visa-Bewerber gleichen sich: Sie dürfen nicht im Gastgeberland arbeiten, müssen über ein akzeptables Einkommen verfügen, dürfen nach Gusto kommen und gehen und müssen vor Ort keine Steuern zahlen.
Die unkomplizierteste Art, sein Büro einmal an einem anderen, vielleicht sonnigeren Ort einzurichten ist für EU-Bürger, innerhalb des Schengen-Raums zu bleiben: Ob Griechenland, Portugal oder Georgien – digitale Nomaden können überall in der EU ohne Voranmeldung und Visum ihre Zelte aufschlagen.
Mit perfektem Timing hat der Reiseführer-Verlag Lonely Planet im vergangenen April eine Bibel für Remote-Workers herausgebracht, voller Tipps für das Arbeiten und Leben unterwegs: „The Digital Nomad Handbook“(12,99 Euro) erklärt, wie man sich für ein arbeitsfreundliches Visum in weniger gehypten Orten wie Mexiko oder Costa Rica bewirbt, und hat sogar kreative Vorschläge für einen Langzeitaufenthalt in Thailand im Angebot. Beispiel: Buche einen Ein-Jahres-Kurs im Thaiboxen – vier Stunden Training pro Woche und das Visum ist gebongt.
V I S A F Ü R D I G I TA L E N O M A D E N
Das Beste an der neuen Ära ist, dass Langzeit-Visa für exotische Destinationen schnell und preisgünstig zu bekommen sind. Für Bermuda etwa kann man sich online bewerben und bekommt das Visum innerhalb von fünf Werktagen. Natürlich ist das britische Überseeterritorium im Atlantik nicht gerade ein günstiges Pflaster, auf der Website Expatistan führt die Hauptstadt Hamilton das Ranking der Cities mit den höchsten Lebenshaltungskosten an.
Nichtsdestotrotz hat Bermuda seit dem Launch seines Remote-Work-Visums im vergangenen August mehrere
hundert Bewerbungen registriert. „Die meisten stammen von Unternehmern, Top-Managern und Führungskräften aus der Finanz-, IT- oder Dienstleistungsbranche“, weiß Victoria Isley, Marketing- Chefin der Bermuda Tourism Authority. Die Insel scheint darüber glücklich zu sein: „Da wir nur 65.000 Einwohner haben, freuen wir uns über den Zuwachs von ein paar Hundert gut situierten Familien.“
BASIS AUF BARBADOS
Auch Barbados ermöglicht digitalen Nomaden aus dem Ausland, ihren Arbeitsplatz auf die Karibikinsel zu verlegen – mit der im Juli 2020 ins Leben gerufenen „Barbados Welcome Stamp“, die eine ganze Lawine an Programmen ähnlichen Zuschnitts ausgelöst hat. Aruba etwa legte ein „One Happy Workcation“-Angebot ( leider nur für US-Amerikaner) auf, Antigua und Barbuda offerieren eine „Nomad Digital Residence“, gültig für zwei Jahre. Anguilla wirbt mit dem Slo
gan: „Wenn sie gesagt haben „Work remote!“, dann ist es das, was sie meinten.” Die kleine, flache Insel in der östlichen Karibik hat einige der schönsten Sandstrände der Welt aufzuweisen, ein für Europäer angenehm gemäßigtes Klima und erscheint als der ideale Ort, um herauszufinden, ob man in einem derart traumhaften Umfeld überhaupt ans Arbeiten denken kann.
Zurück zu Barbados. Über die Luft gut angebunden und mit 34 mal 23 Kilometern groß genug, um ausreichend Abwechslung zu bieten, ist das Eiland mit seinen kontrastierenden Küstenlinien prädestiniert für Remote Work. Obwohl die Destination zu den dichtbesiedeltsten Inseln der Karibik gehört, gab es bis Redaktionsschluss nur 3.300 Corona-Infektionen und 37 Tote zu beklagen seit Ausbruch der Pandemie im März 2020.
Der Einbruch des Tourismus war sicherlich ein Hauptgrund für den Launch des „Welcome Stamp“-Programms, das nach offizieller Lesart „die Förderung interkulturellen Austauschs und neuer Lebensstile“zum Ziel hat, erklärt Aprille Thomas vom Barbados Tourism Marketing. Die Eintrittskarte ins Paradies ist kein Schnäppchen – die Welcome Stamp kostet 2.000 US-Dollar pro Person und 3.000 US-Dollar für Familien –, weil man „unseriöse Bewerber abschrecken und die richtigen Leute anziehen“will, sagt Aprille. Mehr als 2.500 Anwärter versuchten sich bis Ende Februar, die meisten von ihnen wurden akzeptiert. Die Mehrzahl der Interessenten stammte aus den USA, aus Großbritannien und Kanada, einige aber auch aus Serbien, Marokko, Nigeria und dem Irak.
B L E I B E A M PA L M E N S T R A N D
Weil der Tourismus auf Barbados gerade Pause macht, gibt es dort zahlreiche freie Villen, einige der neuen Gäste aber mieten sich anfangs erst einmal über Airbnb ein. Hotels, die sonst im Winter mit sonnenhungrigen Stammgästen belegt sind, offerieren verbilligte Longstay-Packages, darunter das hochklassige Cobblers Cove, wo man sein Büro im Patio seiner Gartenvilla einrichten und kostenlos Minibar, Yoga-Sessions und Wassersport genießen kann.
Zahlreiche Hotels rund um den Globus verkaufen sich gerade als Idealdestination für Remote Workers, was toll ist, wenn diese auf Geschäftsreisende eingestellt sind. Denn: Wie bitte soll man sich in einem Beach-Resort voller Liebespaare und Aktivurlauber für ein Strategiemeeting vorbereiten? Ziemlich gut, würden wir sagen. Als Business Traveller arbeiten wir doch ständig im Dauerlauf zwischen Taxi und Flughafen, jetten zwischen Zeitzonen hin und her und jagen Emails raus, mit den Füßen im Hotelpool. Zur Untermauerung unseres An
satzes: Diese Geschichte entstand im Waves Hotel and Spa, einem 70-Zimmer-All-inclusive-Haus an der Westküste von Barbados, wo die meisten Gäste heitere Briten waren, die sich der Sonne und dem unbegrenzt fließenden Mount Gay Rum hingaben. Glücklicherweise war unsere Arbeitsmoral stärker als die hochprozentigen Offerten des freundlichen Barmanns.
Das 4-Sterne-Hotel gehört zur Elegant Hotels Group (Marriott) und verkauft „Working from Waves“-Pakete zu 8.010 US-Dollar für einen Monat und zwei Personen, inklusive Speisen und Getränke, Wassersport, Fitnesskurse und Spa-Treatments. Eine Bed & Breakfast-Alternative bietet das Schwesterhaus Colony Club by Elegant Hotels für 5.790 US-Dollar. Der Preis beinhaltet ein um 35 Prozent rabattiertes Standardzimmer, höhere Zimmerkategorien sind teurer.
Dafür darf man morgens nach dem Aufwachen aufs türkisfarbene Wasser blicken, in der Mittagspause auf einen Hobie- Cat-Katamaran hüpfen und bekommt abends eine frisch gegrillte Goldmakrele auf den Teller. Viele Menschen beklagen, dass die Arbeit im Homeoffice weniger produktiv sei als im Büro. Tauscht man aber seinen Standardblick auf die Küchenuhr mit einem Panorama aus Palmen, Sand und der untergehenden Sonne, ist das Gegenteil der Fall. Unsere Motivation steigt mit der warmen Brise und den aufregenden Farben der Karibik, die kosmopolitischen und zugewandten Barbadier tun ihr Übriges.
Bei der Einführung der Welcome Stamp sprach Premierministerin Mia Amor Mottley von den mentalen Belastungen, die Corona für die Menschen bedeute, und von den Vorteilen, die ein Jahr auf ihrer herrlichen Insel mit sich bringen würde. „Der Sonnenschein hat heilende Kraft“, sagt Mottley, „das Meerwasser ebenso. Barbados ist ein Ort mit therapeutischer Wirkung, den wollen wir mit anderen teilen.“