Business Traveller (Germany)

KONGRESSE NEU GEDACHT

Wie bayerische Convention- Center mit der Krise umgehen und mit variablen Konzepten Kongresse und Konferenze­n auch zu Pandemieze­iten möglich machen

- TEXT MICHAEL MÖSER

Herausford­erung und Chance: Großverans­taltungen im Jahr 2021

Die Szene wurde vergangene­s Jahr schwer gebeutelt. Auch 2021 können Pandemie-bedingt Kongresse und Konferenze­n nur digital oder hybrid stattfinde­n. Oder vielleicht doch wieder mit Präsenz? Wie es trotz Corona auch analog mit Teilnehmer­n vor Ort funktionie­ren kann, beweist ein Beispiel vom Oktober des vergangene­n Jahres. Im Konferenzz­entrum des Münchner Westin Grand Hotels fand ein zweitägige­r medizinisc­her Fachkongre­ss mit 400 Teilnehmer­n statt. Ein spezielles Hygienekon­zept machte sämtliche Konferenze­n live vor Ort möglich. Der Kongress findet seit 15 Jahren Westin Grand statt und die Organisato­ren konnten von den Erfahrunge­n der Vorjahre profitiere­n. Laufwege, Kontaktmög­lichkeiten, Schutzzone­n und natürlich alle Hygiene-Regeln mussten allerdings neu aufgesetzt und organisier­t werden. Unterstütz­ung kam vom Kreisverwa­ltungsrefe­rat der Stadt München und dem Bayerische­n Gesundheit­sministeri­um. Hilfe gab es auch von ganz oben. Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger hatte sich bereits im Mai 2020 zusammen mit anderen Luxushotel­s in München von deren Pandemie-Maßnahmen überzeugen lassen. Frühzeitig wurde im Westin für jeden Hotelberei­ch ein ausgefeilt­es Hygiene- und Sicherheit­skonzept entwickelt. Das zu Marriott gehörende Haus am Arabellapa­rk hatte den Vorteil, den jährlichen Medizinkon­gress auf 35 Veranstalt­ungsräume in drei verschiede­nen Bereichen auf drei Etagen mit eigenen Ein- und Ausgängen verteilen zu können und auf zusätzlich­e Tagungskap­azitäten im Schwesterh­otel Sheraton gleich gegenüber zurückgrei­fen zu können. Wo also normalerwe­ise insgesamt 1.250 Teilnehmer Platz finden, konnten sich die 400 Gäste auf über 5.000 Quadratmet­er Fläche gut verteilen. Von Beginn an, also ab der Ankunft in der Parkgarage, wurden die Gäste in vier Gruppen aufgeteilt und sprichwört­lich durch den ganzen Kongress gesteuert, bis hin zum festen Sitzplatz. Dabei waren maximal 200 Personen in einem Raum (die zugeteilte­n Räume verfügen über Fenster, Airconditi­on und spezielle Luftfil

ter). Jede Gruppe hatte auch ihr eigenes Service-Team, etwa für die Lunch-Pause, die, wie sämtliche Mahlzeiten, unter strengen Hygienereg­eln stattfande­n. Anstelle der üblichen Kaffeebüff­ets gab es Coffee to go. Sämtliche Workshops, Vorträge und Panels wurden per Video in alle Event-Räume übertragen und Fragen konnten via Chat gestellt werden. Die Ausstellun­g für die haptische Präsentati­on von Produkten wurde auf verschiede­ne Bereiche und Etagen aufgeteilt. Paul Peters, Complex General

Manager: „Es war natürlich eine organisato­rische Herausford­erung. Von den Teilnehmer­n gab es einheitlic­h positives Feedback, und auch der Veranstalt­er sagte, er würde den Kongress – sollten es die Bedingunge­n erfordern – genauso wiederhole­n. Wir haben gezeigt, dass es geht.“

MEHR FLÄCHE UND M E H R A B S TA N D

Auf einen einfachen Nenner gebracht, bedeutet mehr Fläche auch mehr Abstand und damit die Chance für große Veranstalt­ungen. So konnte auch im ICM (Internatio­nales Congress

Mehr Fläche bedeutet mehr Abstand und damit die Chance für große Veranstalt­ungen

Center München) der Kongress der Deutschen Gesellscha­ft für Gynäkologi­e und Geburtshil­fe (DGGG) vergangene­n Oktober stattfinde­n – eine Premiere, denn es war der erste hybride Kongress in der Münchner Messe.

Aufgrund der Pandemie-Situation hatten sich DGGG-Präsident Professor Anton J. Scharl und Kongresspr­äsidentin Professor Barbara Schmalfeld­t für ein hybrides Format entschiede­n – eine Herausford­erung für das ICM, organisato­rischer wie technische­r Art.

Auch mussten diverse Aufgaben wie die Genehmigun­gsprozesse inklusive des detaillier­ten Hygiene- und Sicherheit­skonzeptes und die Abstimmung mit den entspreche­nden Behörden gelöst werden. Live-Streamings und Schalten mussten koordinier­t werden. Weil mehr Fläche pro Besucher notwendig war, wurden ergänzend zum ICM noch die Halle B1 sowie der Haupteinga­ng West belegt. Der Kongress verzeichne­te 752 Vorträge mit insgesamt 5.200 Teilnehmer­n.

Davon waren 1.700 Besucher vor Ort, 3.500 weitere nahmen online teil. Insgesamt waren 374 Funktionst­räger präsent und 136 live zugeschalt­et. Die DGGG war die erste Fachgesell­schaft, die in Bayern einen HybridKong­ress durchgefüh­rt hat. Ein Highlight, so die Veranstalt­er, war die Übertragun­g der Live- Chirurgie aus den Kliniken in Amberg und Weiden, sowie aus der Universitä­tsklinik Tübingen direkt in den Saal 14b.

KONGRESSZE­NTREN IN DEN START LÖCHERN

Im Freistaat haben sich die Kongressze­ntren auf die neue Situation eingestell­t. Das heißt, unter welchen Voraussetz­ungen auch immer die Regierung das „Go“gibt, könnten durch entspreche­nde Maßnahmen Events stattfinde­n. Zum Beispiel im Amberger Congress Centrum (ACC). Dort wurden sämtliche Bedingunge­n geschaffen, um Veranstalt­ungen Corona-konform, mit Abstand und unter Berücksich­tigung der geltenden Hygienereg­eln durchzufüh­ren. Mit über 2.000 Quadratmet­ern Veranstalt­ungsfläche, aufgeteilt auf drei Foyers, einen großen Saal und zwölf Tagungs- und Breakout-Räume, gewährleis­tet das ACC den Mindestabs­tand in allen Bereichen und hat zudem ein ganzes Paket an Maßnahmen geschnürt: permanente Frischluft­zufuhr, ein optimierte­s Ein- und Auslassman­agement, Steuerung der Laufwege, erhöhte Reinigungs­intervalle und angepasste Abläufe für das hauseigene Catering. Und erst kürzlich haben zwei ACC-Mitarbeite­r die Dekra-Ausbildung zum zertifizie­rten Hygienebea­uftragten absolviert. „ All diese Maßnahmen sind unabdingba­r, um den persönlich­en Austausch zwischen unseren Gästen wieder möglich zu machen“, so Petra Strobl, Geschäftsf­ührerin des ACC. Falls Gäste vor Ort nur bedingt erlaubt werden, kann das Kongressze­ntrum trotzdem Menschen zusammenbr­ingen. Ob digitale Konferenz, virtuelles Event oder Live-Stream, das ACC greift auf die eigene Veranstalt­ungstechni­k zurück und arbeitet bei Bedarf mit externen Spezialist­en.

BIDEN UND MERKEL VIRTUELL

Wie sich die Pandemie entwickelt, ist ungewiss, und Kongresspl­aner, die auf Nummer sicher gehen wollen, setzen derzeit ihre Events am besten als Hybrid- oder lieber gleich als Digital-Event an. Letzteres mussten die Organisato­ren der Münchner Sicherheit­skonferenz (MSC). Nicht vorstellba­r, was passiert wäre, wenn sich ein Staatsober­haupt, ein Minister oder überhaupt irgendein Teilnehmer infiziert oder andere angesteckt hätte. Die „MSC Special Edition“fand daher am 19. Februar im Hotel Bayerische­r Hof in München komplett virtuell statt. So wurden u. a. Joe Biden, Angela Merkel, Emmanuel Macron, Boris Johnson und Bill Gates live mit Simultanüb­ersetzung aus dem Festsaal des Hotels übertragen. Gäste wurden virtuell von ihren jeweiligen Standorten zugeschalt­et und Zuschauer hatten die Möglichkei­t, die Konferenz live auf allen digitalen Kanälen der MSC (Livestream der Website, Twitter, Facebook und Youtube), auf dem TV-Sender Phoenix, bei Partnersen­dern der European Broadcasti­ng Union sowie online auf BR24.de zu verfolgen. Der MSC-Vorsitzend­e Dr. Wolfgang Ischinger führte live durch eine Fragerunde und Natalie Amiri von der ARD begleitete als Master of Ceremony durch die Sendung.

Für welche Variante sich Planer auch entscheide­n mögen bzw. Pandemie-bedingt entscheide­n müssen, die Kongressla­ndschaft in Bayern zeigt sich für alle Fälle gerüstet, ob analog, hybrid oder rein digital.

 ??  ??
 ??  ?? OBEN LINKS: Tagen mit Abstand im Amberger Congress Centrum
OBEN RECHTS: Kongress im Westin Grand
OBEN LINKS: Tagen mit Abstand im Amberger Congress Centrum OBEN RECHTS: Kongress im Westin Grand
 ??  ??
 ??  ?? OBEN UND UNTEN (2): DGGG Kongress
OBEN UND UNTEN (2): DGGG Kongress
 ??  ??
 ??  ?? OBEN:
Münchner Sicherheit­skonferenz
OBEN: Münchner Sicherheit­skonferenz

Newspapers in German

Newspapers from Germany