KONGRESSE NEU GEDACHT
Wie bayerische Convention- Center mit der Krise umgehen und mit variablen Konzepten Kongresse und Konferenzen auch zu Pandemiezeiten möglich machen
Herausforderung und Chance: Großveranstaltungen im Jahr 2021
Die Szene wurde vergangenes Jahr schwer gebeutelt. Auch 2021 können Pandemie-bedingt Kongresse und Konferenzen nur digital oder hybrid stattfinden. Oder vielleicht doch wieder mit Präsenz? Wie es trotz Corona auch analog mit Teilnehmern vor Ort funktionieren kann, beweist ein Beispiel vom Oktober des vergangenen Jahres. Im Konferenzzentrum des Münchner Westin Grand Hotels fand ein zweitägiger medizinischer Fachkongress mit 400 Teilnehmern statt. Ein spezielles Hygienekonzept machte sämtliche Konferenzen live vor Ort möglich. Der Kongress findet seit 15 Jahren Westin Grand statt und die Organisatoren konnten von den Erfahrungen der Vorjahre profitieren. Laufwege, Kontaktmöglichkeiten, Schutzzonen und natürlich alle Hygiene-Regeln mussten allerdings neu aufgesetzt und organisiert werden. Unterstützung kam vom Kreisverwaltungsreferat der Stadt München und dem Bayerischen Gesundheitsministerium. Hilfe gab es auch von ganz oben. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hatte sich bereits im Mai 2020 zusammen mit anderen Luxushotels in München von deren Pandemie-Maßnahmen überzeugen lassen. Frühzeitig wurde im Westin für jeden Hotelbereich ein ausgefeiltes Hygiene- und Sicherheitskonzept entwickelt. Das zu Marriott gehörende Haus am Arabellapark hatte den Vorteil, den jährlichen Medizinkongress auf 35 Veranstaltungsräume in drei verschiedenen Bereichen auf drei Etagen mit eigenen Ein- und Ausgängen verteilen zu können und auf zusätzliche Tagungskapazitäten im Schwesterhotel Sheraton gleich gegenüber zurückgreifen zu können. Wo also normalerweise insgesamt 1.250 Teilnehmer Platz finden, konnten sich die 400 Gäste auf über 5.000 Quadratmeter Fläche gut verteilen. Von Beginn an, also ab der Ankunft in der Parkgarage, wurden die Gäste in vier Gruppen aufgeteilt und sprichwörtlich durch den ganzen Kongress gesteuert, bis hin zum festen Sitzplatz. Dabei waren maximal 200 Personen in einem Raum (die zugeteilten Räume verfügen über Fenster, Aircondition und spezielle Luftfil
ter). Jede Gruppe hatte auch ihr eigenes Service-Team, etwa für die Lunch-Pause, die, wie sämtliche Mahlzeiten, unter strengen Hygieneregeln stattfanden. Anstelle der üblichen Kaffeebüffets gab es Coffee to go. Sämtliche Workshops, Vorträge und Panels wurden per Video in alle Event-Räume übertragen und Fragen konnten via Chat gestellt werden. Die Ausstellung für die haptische Präsentation von Produkten wurde auf verschiedene Bereiche und Etagen aufgeteilt. Paul Peters, Complex General
Manager: „Es war natürlich eine organisatorische Herausforderung. Von den Teilnehmern gab es einheitlich positives Feedback, und auch der Veranstalter sagte, er würde den Kongress – sollten es die Bedingungen erfordern – genauso wiederholen. Wir haben gezeigt, dass es geht.“
MEHR FLÄCHE UND M E H R A B S TA N D
Auf einen einfachen Nenner gebracht, bedeutet mehr Fläche auch mehr Abstand und damit die Chance für große Veranstaltungen. So konnte auch im ICM (Internationales Congress
Mehr Fläche bedeutet mehr Abstand und damit die Chance für große Veranstaltungen
Center München) der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) vergangenen Oktober stattfinden – eine Premiere, denn es war der erste hybride Kongress in der Münchner Messe.
Aufgrund der Pandemie-Situation hatten sich DGGG-Präsident Professor Anton J. Scharl und Kongresspräsidentin Professor Barbara Schmalfeldt für ein hybrides Format entschieden – eine Herausforderung für das ICM, organisatorischer wie technischer Art.
Auch mussten diverse Aufgaben wie die Genehmigungsprozesse inklusive des detaillierten Hygiene- und Sicherheitskonzeptes und die Abstimmung mit den entsprechenden Behörden gelöst werden. Live-Streamings und Schalten mussten koordiniert werden. Weil mehr Fläche pro Besucher notwendig war, wurden ergänzend zum ICM noch die Halle B1 sowie der Haupteingang West belegt. Der Kongress verzeichnete 752 Vorträge mit insgesamt 5.200 Teilnehmern.
Davon waren 1.700 Besucher vor Ort, 3.500 weitere nahmen online teil. Insgesamt waren 374 Funktionsträger präsent und 136 live zugeschaltet. Die DGGG war die erste Fachgesellschaft, die in Bayern einen HybridKongress durchgeführt hat. Ein Highlight, so die Veranstalter, war die Übertragung der Live- Chirurgie aus den Kliniken in Amberg und Weiden, sowie aus der Universitätsklinik Tübingen direkt in den Saal 14b.
KONGRESSZENTREN IN DEN START LÖCHERN
Im Freistaat haben sich die Kongresszentren auf die neue Situation eingestellt. Das heißt, unter welchen Voraussetzungen auch immer die Regierung das „Go“gibt, könnten durch entsprechende Maßnahmen Events stattfinden. Zum Beispiel im Amberger Congress Centrum (ACC). Dort wurden sämtliche Bedingungen geschaffen, um Veranstaltungen Corona-konform, mit Abstand und unter Berücksichtigung der geltenden Hygieneregeln durchzuführen. Mit über 2.000 Quadratmetern Veranstaltungsfläche, aufgeteilt auf drei Foyers, einen großen Saal und zwölf Tagungs- und Breakout-Räume, gewährleistet das ACC den Mindestabstand in allen Bereichen und hat zudem ein ganzes Paket an Maßnahmen geschnürt: permanente Frischluftzufuhr, ein optimiertes Ein- und Auslassmanagement, Steuerung der Laufwege, erhöhte Reinigungsintervalle und angepasste Abläufe für das hauseigene Catering. Und erst kürzlich haben zwei ACC-Mitarbeiter die Dekra-Ausbildung zum zertifizierten Hygienebeauftragten absolviert. „ All diese Maßnahmen sind unabdingbar, um den persönlichen Austausch zwischen unseren Gästen wieder möglich zu machen“, so Petra Strobl, Geschäftsführerin des ACC. Falls Gäste vor Ort nur bedingt erlaubt werden, kann das Kongresszentrum trotzdem Menschen zusammenbringen. Ob digitale Konferenz, virtuelles Event oder Live-Stream, das ACC greift auf die eigene Veranstaltungstechnik zurück und arbeitet bei Bedarf mit externen Spezialisten.
BIDEN UND MERKEL VIRTUELL
Wie sich die Pandemie entwickelt, ist ungewiss, und Kongressplaner, die auf Nummer sicher gehen wollen, setzen derzeit ihre Events am besten als Hybrid- oder lieber gleich als Digital-Event an. Letzteres mussten die Organisatoren der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Nicht vorstellbar, was passiert wäre, wenn sich ein Staatsoberhaupt, ein Minister oder überhaupt irgendein Teilnehmer infiziert oder andere angesteckt hätte. Die „MSC Special Edition“fand daher am 19. Februar im Hotel Bayerischer Hof in München komplett virtuell statt. So wurden u. a. Joe Biden, Angela Merkel, Emmanuel Macron, Boris Johnson und Bill Gates live mit Simultanübersetzung aus dem Festsaal des Hotels übertragen. Gäste wurden virtuell von ihren jeweiligen Standorten zugeschaltet und Zuschauer hatten die Möglichkeit, die Konferenz live auf allen digitalen Kanälen der MSC (Livestream der Website, Twitter, Facebook und Youtube), auf dem TV-Sender Phoenix, bei Partnersendern der European Broadcasting Union sowie online auf BR24.de zu verfolgen. Der MSC-Vorsitzende Dr. Wolfgang Ischinger führte live durch eine Fragerunde und Natalie Amiri von der ARD begleitete als Master of Ceremony durch die Sendung.
Für welche Variante sich Planer auch entscheiden mögen bzw. Pandemie-bedingt entscheiden müssen, die Kongresslandschaft in Bayern zeigt sich für alle Fälle gerüstet, ob analog, hybrid oder rein digital.