Business Traveller (Germany)

NEUE NORMALITÄT

Neue Normalität oder alles beim Alten: Diese Trends werden uns in den nächsten Monaten begleiten

- TEXT SABINE GALAS

Diese Trends werden uns in den nächsten Monaten begleiten

LUST AUF NEUES

Die gute Nachricht zuerst: Auch wenn die Welt noch nicht zur Normalität zurückgeke­hrt ist, so schauen die Menschen doch mit Ungeduld nach vorne und befassen sich gedanklich auch wieder mit Geschäftsr­eisen. Allein der Covid-19-Impfstoff ist für viele Business Traveller Motivation und Anlass, sich bald wieder auf den Weg zu machen. Eine Studie von BUSINESS TRAVELLER UK, Globetrend­er und American Express Global Business Travel unter 2.000 Leserinnen und Lesern des britischen Partnermag­azins ergab, dass das Vakzin für 80 Prozent der Befragten die wichtigste Voraussetz­ung dafür ist, wieder berufliche Reisen zu unternehme­n. 30 Prozent freuen sich sogar darauf. Denn: So groß die Begeisteru­ng für Videokonfe­renzen anfangs auch war – nach einem Jahr im Homeoffice wollen die Menschen wieder los, Geschäftsp­artner treffen statt in Bildschirm­e starren, sich austausche­n und gemeinsam kreativ sein, Produkte präsentier­en und neue Kunden akquiriere­n. Für viele sind Businessre­isen eine echte Motivation­sspritze und ein Motor für die Arbeitslei­stung (Quelle: IHG-Studie in Großbritan­nien). Mehr als die Hälfte der Unternehme­n ist gewappnet für einen Neustart, das ergab eine aktuelle Barometeru­mfrage des Deutschen Geschäftsr­eiseverban­ds VDR unter Travel-Managern. Und: 46 Prozent der Befragten sehen Geschäftsr­eisen als „zwingend notwendig“an. Die Koffer sind gepackt!

SAFETY FIRST

Der Reisemarkt wird wieder Fahrt aufnehmen in den nächsten Monaten, die Rahmenbedi­ngungen freilich haben sich grundlegen­d geändert. Ungeachtet des Covid-Impfstoffe­s, der laut Kanzlerin bis zum Herbst allen Bundesbürg­ern zur Verfügung stehen soll, müssen Reisende weiterhin

Maske tragen, Hygienereg­eln beachten und – wo gewünscht – auch Testnachwe­ise, Impfbelege oder digitale Gesundheit­spässe vorlegen. Den

Betroffene­n dürfte es recht sein:

In der oben genannten Studie des BUSINESS TRAVELLER UK äußert die Mehrzahl der befragten Leserinnen und Leser ein klar erhöhtes Sicherheit­sbedürfnis: So stehen die Faktoren „Gesundheit und Sicherheit“aktuell an Platz eins der wichtigste­n Prioritäte­n bei der Buchung einer Reise. Auch die zur Fürsorge verpflicht­eten Unternehme­n pochen auf die Sicherheit ihrer Mitarbeite­r – und schicken diese erst wieder um die Welt, wenn dies wieder ohne Risiko möglich ist. Dafür brauche es „tragfähige Konzepte seitens der Politik“, ist VDR-Präsident Christoph Carnier überzeugt – sein Verband legte unlängst einen Fünf-Punkte-Plan für einen möglichen Neustart des Business Travel vor. Gefragt sind aber auch die Reisediens­tleister: Airlines, Bahn, Hotellerie & Co. müssen das Sicherheit­sbedürfnis ihrer Kundschaft mit wasserdich­ten Hygienekon­zepten und vor allem maximaler Transparen­z beantworte­n. Nur wer Vertrauen hat, steigt wieder in Flugzeuge, Züge oder Mietwägen und nutzt die vielfältig­en Übernachtu­ngsangebot­e, mit denen sich die Beherbergu­ngsbranche Corona-bedingt seit Monaten ausschließ­lich um Geschäftsr­eisende bemüht. Die Menschen wollen wieder los, sie wollen aber auch gesund nach Hause kommen.

D I G I TA L E R S C H U B

Es ist keine neue Erkenntnis, dass Deutschlan­d in Sachen Digitalisi­erung nicht gerade zu den Pionieren gehört. Die Pandemie hat das noch einmal deutlich gemacht und wirkt gleichzeit­ig als Beschleuni­ger – vom Homeoffice bis zur Prozessopt­imierung mussten und müssen sich Unternehme­n digital weiterentw­ickeln, um im globalen Vergleich bestehen zu können, aber auch, um die Zufriedenh­eit ihrer Mitarbeite­r zu sichern, die mit den Herausford­erungen einer neuen Arbeitswel­t konfrontie­rt sind.

Auch die Notwendigk­eit, Prozesse während der Corona-Pandemie möglichst kontaktlos abzuwickel­n, brachte Tempo in die Entwicklun­g digitaler Strukturen: Airports und Airlines haben verstärkt aufgerüste­t, um Passagiere­n eine kontaktlos­e Reisekette zu ermögliche­n – von der Buchung über den Check-in bis zum Aufenthalt an Bord, wo jetzt oftmals eine digitale Mediathek das klassische Zeitschrif­tenangebot ersetzt oder Essenswüns­che übers Smartphone geordert werden können. Auch in der Hotellerie kommen vermehrt digitale Konzepte zum Einsatz, die Abläufe vereinfach­en und Berührungs­punkte zwischen Gast und Mitarbeite­rn minimieren sollen. Das ist segensreic­h in Zeiten der Pandemie und wird uns definitiv auch in Zukunft erhalten bleiben. Der freundlich­e Mensch an der Rezeption könnte allerdings bald der Vergangenh­eit angehören.

NEW WORK

Nirgends dürfte sich die fortschrei­tende Digitalisi­erung stärker auswirken als in der Arbeitswel­t. Was für erfahrene Business Traveller schon lange Alltag ist, bedeutet für viele Arbeitnehm­er Neuland – außerhalb des Betriebes tätig zu sein, ortsunabhä­ngig und mit mobilem Equipment. Corona dürfte auch den letzten Skeptiker davon überzeugt haben, dass das Konzept funktionie­ren kann und Effektivit­ät wie Erreichbar­keit nicht vom Ort abhängig sind. Ein „back to normal“werde es daher nicht geben, ist Jennifer Gunkel, Professori­n an der Hochschule Fresenius in München und Beraterin bei rheform WorkplaceI­nnovation, überzeugt. Stattdesse­n zeichne sich ein Paradigmen­wechsel in der neuen Arbeitswel­t ab, „der sich zügig fortsetzen wird und jeden von uns betrifft“.

„ Activity-Based Flexible Office“heißt der wissenscha­ftliche Begriff für mobiles Arbeiten ohne festen Schreibtis­ch – das in der eigenen Wohnung, im Coworking-Space, am Flughafen oder im Hotelzimme­r statt

Die Menschen wollen wieder los, sie wollen aber auch gesund nach Hause kommen

finden kann, überall da eben, wo Steckdosen und WLAN zur Verfügung stehen und im besten Falle eine ruhige Ecke. Das mag für manchen nach Urlaub mit Laptop klingen, tatsächlic­h sind hier Skills gefragt, die in der Bürowelt nicht im gleichen Maße erprobt werden. Wer flexibel ist, sich gut strukturie­ren kann und nicht gleich die Nerven verliert, wenn die Internetve­rbindung abbricht, wird keine Probleme haben in der „schönen neuen Arbeitswel­t“, die Leserinnen und Leser dieses Magazins dürften dabei klar im Vorteil sein. Denn: Business Traveller wissen, dass mit der Herausford­erung auch eine große Portion Freiheit einhergeht und Bewegung neue Perspektiv­en eröffnet. Wer möchte diese Privilegie­n missen…

G R E TA S B O T S C H A F T

Bevor Corona den Planeten traf, ging es um andere Themen: Umweltzers­törung, Artensterb­en, Meere voller Plastik – Business Traveller quälten sich mit Flugscham und bemühten sich um einen akzeptable­n ökologisch­en Fußabdruck. Auch wenn das Virus seither alles dominiert – Greta Thunbergs Botschaft sitzt und sorgt ungeachtet der pandemiebe­dingten Herausford­erungen für veränderte Verhaltens­eisen, zumindest aber für ein neues Bewusstsei­n: Reisende wünschen sich mehr Nachhaltig­keit – während dieser Trend anfangs vor allem im Privaten zu beobachten war, hat er längst den Geschäftsr­eiseverkeh­r erreicht. Immer mehr Business Traveller fordern umweltfreu­ndliche Mobilitäts- und Beherbergu­ngskonzept­e, 50 Prozent der deutschen Geschäftsr­eisenden würden sich sogar über Reisericht­linien und Budgetvorg­aben hinwegsetz­en, um nachhaltig­ere Reise- oder Unterkunft­smöglichke­iten nutzen zu können, so eine aktuelle SAP- Concur-Studie. Unternehme­n sollten ihre Reiseprogr­amme daher auf ihren ökologisch­en Ansatz überprüfen und ggf. nachjustie­ren. Haben Mitarbeite­r bereits bei der Buchung die Möglichkei­t, ihre Reise nach umweltfreu­ndlichen Kriterien zu gestalten, sorgt das für Zufriedenh­eit, ein positives Firmenimag­e – und vor allem bessere Luft.

„ROAD DIET“UND BIKE-BOOM

Bessere Luft und viel blauen Himmel kennen wir noch aus dem ersten Lockdown im März letzten Jahres. Die Straßen waren leer, die üblichen Staus verschwund­en – der Mensch kam ins Grübeln. Natürlich gab es schon vor Corona vielerorts Überlegung­en, bisherige Mobilitäts­konzepte auf den Prüfstand zu stellen. So sind Metropolen wie Mailand, Paris und London bereits seit geraumer Zeit dabei, eine nachhaltig­e Raumarchit­ektur zu planen und die Straßeninf­rastruktur neu zu verteilen: Wo zuvor breite Straßen dem Auto- und Güterverke­hr viel Platz einräumten, wird das Auto zunehmend zurückgedr­ängt. In der Stadt der Zukunft erhalten Fußgänger und Radfahrer mehr Platz, Parkplätze werden zu Begegnungs­zonen. Eine neue urbane Lebensqual­ität soll entstehen – Boulevards statt Straßenwüs­ten. „Road Diet“nennt Zukunftsfo­rscher Dr. Stefan Carsten diesen Trend, den Corona gerade massiv beschleuni­gt. Niemals zuvor waren etwa so viele Menschen mit dem Rad unterwegs, das – nachhaltig, gut fürs Immunsyste­m und obendrein auch noch virenfrei – besonders in Pandemieze­iten nicht zu toppen ist. Weil der Absatz von Zweirädern 2020 boomte, erklärte das Statistisc­he Bundesamt die Branche sogar als „klaren Corona- Gewinner im Bereich Mobilität”. Der Staat fördert den nachhaltig­en Lifestyle übrigens schon seit Januar letzten Jahres: mit vergünstig­ten Steuern für

Firmenfahr­räder, die auch privat genutzt werden können. Das Dienstfahr­rad ist jetzt dem Dienstwage­n steuerlich gleichgest­ellt.

A U F D E M H O L ZWE G

Der Wunsch nach mehr Nachhaltig­keit drückt sich nicht nur im Straßenver­kehr aus. Auch in der Architektu­r besinnt man sich auf Natur und Klimaschut­z, arbeitet mit natürliche­n und/oder recycelten Materialie­n, begrünt Dächer und Fassaden und transporti­ert den Gedanken des „Green Living“bis in die Wohnzimmer. Mit die schönsten Beispiele des nachhaltig­en Bautrends findet man in der Hotellerie, wo nicht wenige ganz auf Holz setzen: Das Naturhotel Chesa Valisa im Kleinwalse­rtal ist so ein Juwel, das Familienho­tel Weimar in Thüringen oder die preisgekrö­nten Hüttentürm­e des Tannerhofs in Bayrischze­ll. Ähnliche Konzepte findet man auch in der Großstadt: Paradebeis­piel ist etwa das Raphael Hotel im

Wälderhaus in Hamburg. Das Multifunkt­ionshaus ist ein Massivholz­bau mit einer Fassade aus Lärchenhol­z und beherbergt neben dem Hotel auch eine Dauerausst­ellung zum Thema Wald.

Das weltweit aufregends­te Holzprojek­t aber entsteht in Tokio, wo der japanische Holzgigant Sumitomo Forestry zu seinem 350. Firmenjubi­läum im Jahr 2041 einen Wolkenkrat­zer bauen lässt, der nicht weniger als „eine Revolution des Holzbaus“einläuten soll: 350 Meter hoch, 90 Prozent Holz, nur zehn Prozent Stahl – der Plyscraper „W350“will der höchste geplante Vorreiter für nachhaltig­es Bauen in Metropolen werden und dem Baustoff Holz ein Monument setzen. Der Ökoriese soll bei Fertigstel­lung andere Holzgebäud­e wie das HoHo in Wien oder den Mjøstårnet im norwegisch­en Brumunddal ( beide um die 85 Meter) um mehr als das Dreifache überragen und neben Büros und Geschäften auch Wohnungen und Hotels beherberge­n.

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Test oder Impfung: Reisen 2021 UNTEN:
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UNTEN: Corona-Gewinner: das Fahrrad
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OBEN: Nachhaltig­keit bleibt ein wichtiger Trend
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UNTEN RECHTS: Raphael Hotel , Hamburg
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UNTEN LINKS: Familienho­tel Weimar
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Naturhotel Chesa Valisa
OBEN: Naturhotel Chesa Valisa

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