Literatur Lotsen
Unsere Lieblingsbuchhandlungen stehen Frage und Antwort. Diesmal: Ursula Neubauer von Lillemors Frauenbuchladen in München.
Welche aktuellen Autorinnen finden Sie momentan besonders interessant? Rebecca Solnit: Die Mutter aller Fragen, Tempo Verlag, 320 Seiten, 20 Euro. „Warum haben Sie keine Kinder?“Diese Mutter aller Fragen wird nicht nur Rebecca Solnit hartnäckig von Journalisten gestellt, die sich mehr für ihren Bauch als für ihre Bücher interessieren.
Ann Wiesental: Antisexistische Awareness: Ein Handbuch, Unrast, 168 Seiten, 12,80 Euro. Ann Wiesental gibt in diesem Handbuch einen guten Einblick in die Ansätze antisexistischer Unterstützungsarbeit. Mit praktischen Tipps für Betroffene von sexualisierter Gewalt und sexistischer Diskriminierung.
Elena Favilli und Francesca Cavallo: Good Night Stories For Rebel Girls, Hanser, 24 Euro. 100 inspirierende Geschichten über beeindruckende Frauen, die jeder Frau Mut machen, an ihre Träume zu glauben.
Welche Klassiker der Frauenliteratur empfehlen Sie besonders gerne?
Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht, Rowohlt (2000), 944 Seiten, 16 Euro. Die universelle Standortbestimmung der Frau, die aus jahrtausendealter Abhängigkeit von männlicher Vorherrschaft, aus einer übermächtigen Tradition von Schwächegefühlen ausgebrochen ist.
Michaela Karl: Die Geschichte der Frauenbewegung, Reclam (2011), 264 Seiten, 6,80 Euro. Der kurzsichtige Blick von Mädels auf den eigenen Bauchnabel hört auf, der einzig mögliche zu sein, wenn man die Geschichte der Frauenbewegung seit der Französischen Revolution rekapituliert.
Lillemors Frauenbuchladen wurde 1975 als erster deutscher Frauenbuchladen gegründet. Was ist jetzt ganz anders als damals und was hat sich seit damals überhaupt nicht verändert?
Ganz anders ist, dass seit unserem Umzug in die Barerstraße im Jahr 2000 auch Männer in den Frauenbuchladen können. Überhaupt nicht verändert hat sich, dass unser Sortiment weiterhin stringent Autorinnen in allen Bereichen – Literatur wie Sachbuch – zeigt und der Frauenbuchladen ein Ort der Frauenkultur ist.
Wieso haben Sie sich als Buchhändlerinnen für diese Spezialisierung entschieden?
Die Gründung vor 43 Jahren steht in engem Zusammenhang mit der neuen deutschen Frauenbewegung. Seit Ende der Sechzigerjahre fordern die Frauen ihr Selbstbestimmungsrecht in allen Lebensbereichen. Die Frauen analysierten die gesellschaftlichen Zusammenhänge und erkannten sehr schnell neben ihrer sozialen Diskriminierung auch ihre ökonomische Benachteiligung. Daraus ergab sich auch die Notwendigkeit, für sich selbst und andere Frauen veränderte Arbeitsplätze zu schaffen. So wurde Lillemors Frauenbuchladen gegründet. Ein Ort für den Verkauf feministischer Literatur und eine ökonomische Basis für die dort arbeitenden Frauen, zusätzlich war und ist Lillemors Frauenbuchladen ein lebendiges Kommunikationszentrum.
Warum muss Frauenliteratur gefördert werden? Frauen machen die Mehrheit der Weltbevölkerung aus, leisten fast zwei Drittel aller Arbeitsstunden, verdienen ein Zehntel des Welteinkommens und besitzen weniger als ein Hundertstel des Weltvermögens (Studie der UN). Darum! LILLEMORS FRAUENBUCHLADEN wurde am 3.11.1975 als erstes deutsches Geschäft in München gegründet, in dem ausschließlich Frauen arbeiteten und Frauenliteratur verkauft wurde. Von Anfang an war der Laden eine Anlaufstelle und ein Ort des Austausches für die Frauenbewegung. 1988 bekam Lillemors den Münchner Förderpreis für Frauenforschung und Frauenkultur und 2014/2015 den Deutschen Buchhandlungspreis verliehen. Neben einem regen Ort für Lesungen und Diskussionen ist Lillemors auch eine Plattform für Künstlerinnen, die dort Malerei, Fotografie, Objekt- und Performancekunst zeigen.