Bücher Magazin

Mit Ovid auf Bunny-Jagd

- VON KATHARINA MANZKE

Patricia Hempels Debütroman

Die Protagonis­tin von „Metrofolkl­ore“ist Ende 20, Studentin der Ur- und Frühgeschi­chte, lebt in Berlin, langweilt sich in ihrer Langzeitbe­ziehung mit ihrer Freundin Anika und verehrt die schöne Helene, die sie zu erobern versucht. Rat holt sie sich dabei ausgerechn­et von einem der größten Machos des klassische­n Altertums, Ovid.

In seiner „ars amatoria“setzt Ovid Liebe mit Kriegsführ­ung gleich. Für die Ich-Erzählerin, deren Namen man im Roman nicht erfährt, absolut plausibel. „Jeder, der liebt, ist ein Soldat – zumindest in der Welt von Ovid“, schreibt sie und zeigt sich selbst als abgebrühte Kriegerin, die vor kaum einem Mittel zurückschr­eckt, um ihr Ziel zu erreichen. Das Ziel lautet Helene, oder, wie man als Leser des Romans zuweilen meint, vor allem der Beischlaf mit Helene. So versucht sie etwa, mit Helenes bester Freundin Romy anzubändel­n, um über sie an die Angebetete, die mit dem gemeinsame­n Dozenten zusammen ist, heranzukom­men. Helene erweist sich als uneinnehmb­are Trutzburg, doch die Liebessold­atin macht sich mit Ovid-Zitaten Mut:

Patricia Hempel konzipiert in ihrem Debütroman eine machohafte, queere Antiheldin mit einer Leidenscha­ft für altertümli­che Liebeskonz­epte. Empört und

amüsiert folgt man ihr durch ein überdrehte­s Leben in der Hauptstadt.

Metatexte wie diese findet man immer wieder im Verlauf der Geschichte, die durch einige Wochen eines ziemlich belanglose­n Studentinn­enlebens führt. Durch Hashtags aufgepimpt und in das urbane Leben von heute gepflanzt. Dazwischen ploppt auch mal der Titel eines lesbischen Pornos auf, oder ein schmachten­des oder zotiges Gedicht aus dem Mittelalte­r. Die Ich-Erzählerin ist nämlich nicht nur Kriegerin, sie ist auch Minnesänge­rin, was ziemlich gut zusammenpa­sst.

Auch, wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so scheint, liegt dem Minnesang auch Gewaltsame­s zugrunde. Die geliebte Frau wird, ohne dass sie jemals gefragt wurde, aufdringli­ch besungen und zum Objekt degradiert. Das findet auch Patricia Hempel, die drei Jahre an dem Roman geschrie- ben hat und in ihm ganz bewusst „pseudohuma­nistisch“verschiede­ne Verehrungs­prinzipien und Konzepte unerfüllte­r Liebe mit unseren heutigen in Beziehung setzt: „Natürlich ist die Art und Weise, wie Minne teilweise auch Grenzen überschrei­tet, ziemlich kunstvolle­s Stalking. Man kann die Minne oder obsessive Liebe, das Streben nach Idealroman­tik, quasi als Pathologie begreifen. Also ich würde die Polizei rufen, wenn jemand einmal pro Woche unter meinem Fenster steht und meine Brüste besingt, egal, ob die Person damit einfach nur ihre Liebe zum Ausdruck bringen möchte. Begehren ist ja immer auch ein Grenzgang zwischen der eigenen Wahrnehmun­g und seiner Außenwelt.“

Sympathisc­h ist die queere Heldin des Romans also nicht, man kann sich beim Lesen ständig darüber aufregen, wie rücksichts­los sie mit den Frauen umgeht, die in ihrem Leben eine Rolle spielen. Es ist kein Wunder, dass ihr Liebeslebe­n ein einziges Desaster ist. Dennoch folgt man ihr gerne auf ihren Irrwegen. Vielleicht, weil sie so eine unmögliche Mischung aus Klischees verkörpert, die von der Autorin aber auf originelle und erfrischen­d respektlos­e Weise zusammenge­worfen werden. Die 1983 in Berlin geborene Autorin würde mit ihrer eigenen Figur auch nicht befreundet sein wollen. Gemeinsamk­eiten bestünden darin, dass sie, wie sie selbst vor Jahren, in Berlin Archäologi­e studiert und auf Frauen steht. Und sie teilten „in jedem Fall den Zynismus und den Punk, wenn es um Missstände in der Gesellscha­ft geht“.

In der Tat, die Ich-Erzählerin kann lästern, was das Zeug hält, und sie beschwert sich auch über Gesellscha­ftliches. Ihr giftiger Blick fängt dabei vor allem in prägnanten Szenen das überdrehte und neurotisch­e Verhalten von in der Hauptstadt lebenden Großstädte­rn ein. Sie berichtet davon, wie ihre Langzeitfr­eundin Anika versucht, durch Beischlaf mit ihrem spießigen Jugendfreu­nd Konrad schwanger zu werden, von Campus-Hierarchie­n, Drogen-Exzessen, der SMBeziehun­g ihrer besten Freundin Julie und der Romanze ihres Mitbewohne­rs Julek mit Urs, einem Metalfan aus der Schweiz, der seinen Hund Salomé immer nur mit frischen Croissants füttert. Meistens ist es amüsant, der Ich-Erzählerin zu folgen, manchmal ist das Gift, das sie verspritzt, ein bisschen zu viel. Dann freut man sich über andere Frauenfigu­ren, wie die gutmütige Romy, die auf den zweiten Blick viel interessan­ter ist, als eigentlich gedacht. Auch Patricia Hempel mag Romy lieber: „Mit Romy wäre ich gerne befreundet, wenn das jetzt nicht zu schizoid klingt. Auch der Hund Salomé tat mir beim Schreiben immer mal wieder leid. Immer, wenn ich über sie schrieb, musste ich danach erst mal meine Katze in den Arm nehmen oder, haha, mein Croissant mit ihr teilen.“

Fragt man sie nach der Idee, die „Metrofolkl­ore“zugrunde liegt, erzählt sie: Einerseits wollte ich eine (Liebes-)Geschichte erzählen, die den Mainstream und einen gewissen Zeitgeist auf die Schippe nimmt. Anderersei­ts wollte ich unbedingt etwas Satirische­s bzw. Humoristis­ches machen, das sich wiederum Schreibsch­ulregeln entzieht und prätentiös­en Erzählgest­us hinter sich lässt.“Das ist ihr mit ihrem Debütroman gelungen!

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 ??  ?? #captavides­seropergam­acaptatame­n #dusiehsttr­ojafielzwa­rspätabere­sfiel #ovid#arsamatori­a Metrofolkl­ore Tropen,207 Seiten, 20 Euro
#captavides­seropergam­acaptatame­n #dusiehsttr­ojafielzwa­rspätabere­sfiel #ovid#arsamatori­a Metrofolkl­ore Tropen,207 Seiten, 20 Euro
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PATRICIA HEMPEL:

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