Auf Lesereise … Jodie Picoult
Jodi Picoult
Als Moderatorin ist Margarete von Schwarzkopf unterwegs im Namen der Literatur. In dieser Kolumne schreibt sie über ihre Begegnungen mit den begehrtesten Stars und den aufregendsten Newcomern der großen weiten Bücherwelt.
Wer meine Autobiografie kennenlernen möchte, der findet sie in den Themen meiner Bücher seit meinem Debüt 1992. Mein erstes Buch ging um die Loslösung einer Tochter von ihren Eltern, später kamen dann die Themen, die mit meinen eigenen Erfahrungen als Mutter zu tun haben. Heute nutze ich, nachdem die Kinder erwachsen sind, die Freiheit, mich anderen Themen zu widmen“, erklärt die sympathische Autorin, die 1967 in der Nähe von New York geboren wurde. Heute lebt die Mutter zweier Söhne und einer Tochter mit ihrem Mann Tim in New Hampshire auf einer ehemaligen Farm. Zwei Esel, vier Hunde und eine Gans gehören praktisch zur Familie. Nun kam Jodi zum ersten Mal für eine Lesereise nach Deutschland, um ihren jüngsten Roman „Kleine große Schritte“vorzustellen. Thema ist der wieder erstarkte Rassismus in den USA. „Es ist es kein neues Problem in den USA, hat aber durch die Wahl Trumps zum Präsidenten an Brisanz gewonnen, da ihn rechte Gruppen unterstützen. Angeregt wurde ich durch eine wahre Begebenheit aus dem Jahr 2012. Da verbat sich ein weißer Fanatiker, dass eine afroamerikanische Krankenschwester sein Baby berührte. Die Schwester klagte erfolgreich gegen das Krankenhaus, das dem Wunsch des Neonazis Folge geleistet hatte. Sie erhielt eine Entschädigung. Ich habe aus dem realen Fall eine Fiktion werden lassen, in der die betroffene Schwester in ein wesentlich schlimmeres Dilemma gerät, als ein Neonazi ihr untersagt, sein Baby zu betreuen“, erklärt die Autorin, die in ihren Büchern oft heiße Eisen anfasst. „Ohne Humor und Spannung würden meine Bücher wie Moralpredigten wirken. Ich bin keine Missionarin, möchte aber meine Leser mit wichtigen Themen konfrontieren.“Ihren Romanen liegen fast immer reelle Ereignisse zugrunde, sei es der Amoklauf an einer Schule („19 Minuten“) oder der Prozess eines Mädchens gegen die eigenen Eltern, die sie als Organspenderin für die ältere Schwester missbrauchen („Beim Leben meiner Schwester“). Jodi übernimmt diese Geschichten nie eins zu eins, recherchiert aber die Hintergründe sehr gründlich, vor allem für ihr jüngstes Werk. „Ich habe mich fast ein Jahr mit Krankenschwestern getroffen, mit schwarzen Frauen, die den alltäglichen Rassismus zu spüren bekommen, und mir geholfen haben, meiner Heldin Ruth Jefferson eine authentische Stimme zu verleihen. Beklemmend war meine Begegnung mit zwei ehemaligen Neonazis, die mich über die Abgründe des Rassismus aufgeklärt haben. Vor allem wurde mir bewusst, dass diese Bewegungen von der Angst getrieben werden, durch Minderheiten ins Aus zu geraten. Trumps Spruch ‚Make America great again‘ heißt für sie ‚Make America white again‘.“Ruth Jeffersons Drama, die des Mordes an dem Baby des Ehepaars Bauer angeklagt wird, wird aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt. Einmal aus Ruths Sicht, dann aus der Sicht des Neonazis Turk und drittens durch die Augen der Pflichtverteidigerin von Ruth, Kennedy, die sich selbst als Anti-Rassistin sieht, aber im Grunde nichts über die Probleme der Schwarzen weiß. „Es war schwer für mich, über Turk zu schreiben“, sagt die Autorin. „Er ist ein schrecklicher Typ, doch er ist auch ein Vater, der um sein Kind trauert. In Kennedy habe ich mich selbst wiedergefunden. Die Lektionen über latenten Rassismus, die Kennedy erhält, haben auch mein Leben verändert.“Dabei vermeidet Jodi, ihre Charaktere in Gut und Böse aufzuteilen. „Alle drei machen Fehler, und jeder Mensch besteht aus vielen Schattierungen, selbst Turk.“„Kleine große Schritte“soll mit Julia Roberts und Viola Davis verfilmt werden. „Hoffentlich wird der Film besser als ‚Beim Leben meiner Schwester‘. Ich war tief enttäuscht, wie Hollywood das Ende meines Buches verkitscht hat“, sagt Jodi Picoult, die während ihrer Lesetour schon an ihrem neuen Roman arbeitete, der im Herbst 2018 erscheinen soll. Sie würde gerne damit wieder nach Deutschland reisen. Und Ehemann Tim kommt dann auch wieder mit, dem das deutsche Essen samt Bier ganz trefflich mundete.