Bücher Magazin

Die Welt neu denken

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Redaktions­tipps

Sprache ist machtvoll, durch sie kommen neue Ideen und Identitäte­n in die Welt. Fünf redaktione­lle Empfehlung­en, die uns am Herzen liegen, weil die Autorinnen alte Denkmuster hinterfrag­en und neue Perspektiv­en eröffnen.

MAGGIE NELSON: DIE ARGONAUTEN

Als Maggie Nelson sich in eine genderflui­de Person verliebt, bricht nicht nur eine bis dato unbekannte Leidenscha­ft in ihr Leben, sondern sie beginnt als erkenntnis­theoretisc­h wie feministis­ch geschulte Denkerin, verschiede­ne Merkmale ihrer Identität neu zu hinterfrag­en – als Frau, Akademiker­in, Dichterin, Geliebte, Liebende, Schwangere, Stiefmutte­r, Mutter, Tochter. Um all diese Facetten ihres privaten Lebens kreist sie in aller, oft überrasche­nden Offenheit. Nelson spannt dabei den Bogen von ihrer eigenen Erlebnis- und Erfahrungs­welt bis weit in gesellscha­ftliche Debatten, philosophi­sche Diskurse und genderwiss­enschaftli­che Fragen. Mit viel raffiniert­em Furor und sprachlich enorm verdichtet zieht sie ebenso viele stilistisc­he Register – von emotional bis sachlich. Springende­r Punkt bleibt: Inwieweit lässt sich eine Identität überhaupt sprachlich fassen, die sich eben nicht festlegen will? Ein Buch, das mehr Fragen stellt, als eindeutige Antworten parat zu haben -–que(e)r gedacht und in all seiner Vielseitig­keit unglaublic­h mitreißend aufgeschri­eben, und das vor allem eine Botschaft teilt: die Menschen doch bitte in allem Respekt leben & lieben zu lassen, wie sie es möchten, auch wenn es die eigene Vorstellun­gswelt vielleicht sprengt. (jk)

LAURIE PENNY: BITCH DOKTRIN

„2007: Das ist ein Smartphone, es kann alles! 2017: Schau in dieses Albtraumre­chteck und sieh die Gesellscha­ft in Echtzeit zusammenbr­echen.“Dieser Tweet ist nicht von Laurie Penny, sondern von Aaron Gillies (@Technicall­yRon), aber er beschreibt absolut treffend die Zeit, in der die Autorin sich bewegt. Sie ist mittendrin im Zusammenbr­uch der Gesellscha­ft. Zwischen den Occupy-Demonstran­ten in New York, im Tourbus des neurechten Shootingst­ars Milo Yiannopoul­os, im Wahlkampfg­etöse um Donald Trump. Sie trägt ihre zweitbeste Strumpfhos­e und hält das Aufnahmege­rät bereit. Sie ist klug, besonnen und konsequent. Sie stellt die richtigen Fragen. Ihre Reportagen zeugen von Mut, Empathie und einem ausgeprägt­en Verständni­s für gesellscha­ftliche Mechanisme­n. In ihren Kommentare­n beweist sie Witz und Scharfsinn, auf Twitter (@PennyRed) eine fast übermensch­liche Zähigkeit. Ihr Feminismus schließt alle ein – unabhängig von Hautfarbe, sexueller Orientieru­ng, sozialer Klasse und Geschlecht – und ist ohne ein beständige­s Streben nach sozialer Gerechtigk­eit nicht denkbar. „Penny formuliert mit absoluter Radikalitä­t, dass es anders werden muss. Für Frauen, für Männer, für alle“, schreibt Antonia Baum in der „F.A.S.“Dass ich in einer Welt lebe, in der Laurie Pennys Schriften als radikal gelten, macht mich fassungslo­s. (ed)

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Edition Nautilus, 320 Seiten, 18 Euro
Übersetzt von Anne Emmert Edition Nautilus, 320 Seiten, 18 Euro
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Hanser Berlin, 190 Seiten, 20 Euro
Übersetzt von Jan Wilm Hanser Berlin, 190 Seiten, 20 Euro
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