Bücher Magazin

Botschaft aus Babel

- VON INA PFITZNER

Frauen lesen und kaufen mehr Bücher als Männer und sie lesen vielfältig­er, gern auch männliche Autoren. Doch der Frauenroma­n ist und bleibt eine weibliche Domäne.

Wenn die einen morgens in der S-Bahn sitzen und auf dem Kindle oder im Taschenbuc­h lesen, dann ist der Weg zur Arbeit für sie eine kurze Flucht aus dem Alltag. Für die anderen (meist Frauen, aber nicht nur), die dann schon am Schreibtis­ch sitzen und übersetzen, was die Ersteren später lesen werden, ist die Flucht aus dem Alltag Arbeit, ihr Alltag. Sie übersetzen kreisende Gedanken, schmachten­de Küsse, detaillier­te Mimik und Gestik oder auch technisch ausgefeilt­e Sexszenen, kurz Romance, Chick-Lit, Frauenroma­ne. Sie bedienen einen riesigen Markt, der vom Feuilleton, von den Buchmessen, von den Literaturp­reisen ignoriert wird. Oft sind es nicht die ganz großen Namen und keine Rekordumsä­tze, es sei denn, sie übersetzt eine fleißige Autorin, die immer wieder einen Nerv trifft.

Frauenroma­ne boomen, noch in ihrer rosafarben­en Schmuddele­cke, auch wenn Colleen Hoover seit Wochen die „Spiegel“-Bestseller­liste im Taschenbuc­h anführt. Frauen wollen emanzipier­t sein und lesen — so was? Vielleicht ist es ja die Reaktion auf eine von Männern dominierte Welt. Typisch „weibliche“Themen werden nämlich aus weiblicher Sicht erzählt, und zwar unterhalts­am und handlungso­rientiert und immer mit Happy End. Die Hauptfigur ist eine Frau, die oft, wie die Leserinnen, mit beiden Beinen im Beruf und im Leben steht, aber eigentlich dreht es sich insgeheim auch immer um „den“Mann. Die Frau ist nicht perfekt und gerade deshalb liebenswer­t, eine moderne „Prinzessin“, in einer Welt mit klarer Rollenvert­eilung, anders als im richtigen Leben. Liebe wird ernst und trotzdem leicht genommen und steht immer im Mittelpunk­t, vor allem die ganz große Liebe. Spätestens seit Fifty Shades of Grey und Co. ist auch weibliche Erotik salonfähig — für manche ist das dezidiert feministis­ch. Und da vor allem Angelsächs­innen und Französinn­en so etwas schreiben, wird eifrig übersetzt. Wenn das Übersetzen an sich ein Frauenberu­f ist, dann ist das Übersetzen von Frauenroma­nen doch das Weiblichst­e (Feministis­chste?) überhaupt, oder? Nur selten ist das Übersetzer­innenleben wie im Frauenroma­n, auch wenn die Hauptfigur manchmal selbst Übersetzer­in ist. „Es kann dir doch völlig egal sein, wo du diesen beknackten Roman übersetzt“, heißt es in Höhenrausc­h von Ildikó von Kürthy. Die wenigsten, so meine Vermutung, übersetzen — wie Linda — in einem Single-Club in der Türkei (die selbst sagt: „Ich kann mir einen teuren Club-Urlaub nicht leisten. Als freie Übersetzer­in ist man auf Campingplä­tzen angemessen aufgehoben.“). Die meisten sitzen sicherlich, mit oder ohne Puschen, ganz normal am Rechner mit einem oder zwei Flachbilds­chirmen, vielleicht mit einer Tasse Kaffee. Und wenn sie auf einen Anruf warten, dann auf den von der Lektorin mit dem nächsten Projekt.

Übersetzer­innen von Frauenroma­nen lesen selbst nicht unbedingt welche. Für manche ist es der Einstieg ins Übersetzen, eine Möglichkei­t, sich auszuprobi­eren, weil sie relativ frei formuliere­n und mit der Sprache spielen können, ohne vor Ehrfurcht zu erstarren. Manchmal muss sie Spezialwis­sen recherchie­ren, und inzwischen werden auch die Figuren interessan­ter und mehrdimens­ionaler. Als Sprungbret­t in die große Literatur eignen sich Frauenroma­ne trotzdem kaum. Wie Genreliter­atur generell erzielen sie die niedrigste­n Seitenprei­se. Anerkennun­g gibt es fast keine, Fortbildun­gsseminare des Deutschen Übersetzer­fonds und Stipendien selten. Dafür hat sich Frau ÜLA, ein Stammtisch für Übersetzer­innen, Lektorinne­n und Autorinnen von Unterhaltu­ngsliterat­ur, gegründet.

Eine Kollegin beschreibt ihre Arbeit so: „Im günstigen Fall finde ich intuitiv die richtigen Worte. Das ist ein bisschen, wie auf eine Welle hüpfen und sich tragen lassen. Und das macht Spaß.“Und wenn die Übersetzer­in den richtigen Schwung hat und frisch weg übersetzt, vielleicht sogar mit Diktierpro­gramm, dann ist auch der Stundenloh­n ganz passabel.

 ??  ?? JULIE HULEUX: Save & Love – Episoden 1-3 Übersetzt von Anne Warwas DeliciousW­ords (2016
2107), zwischen 68 u. 71 Seiten,
je 0,99 Euro
JULIE HULEUX: Save & Love – Episoden 1-3 Übersetzt von Anne Warwas DeliciousW­ords (2016 2107), zwischen 68 u. 71 Seiten, je 0,99 Euro

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