Kleiner Anstoß mit nachhaltiger Wirkung
Geschlechtergerechtigkeit im Job
Die Ökonomin Iris Bohnet erklärt, wie mit ganz einfachen Maßnahmen mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Arbeitswelt geschaffen werden kann.
Selten ist es der Fall, dass auch Personen aus wirtschaftsfernen Zusammenhängen ein ManagementFachbuch mit so viel Gewinn lesen können wie Iris Bohnets „What works“. Die Verhaltensökonomin, die in der Schweiz geboren ist und in Zürich Wirtschaftswissenschaften studiert hat, ist heute Professorin in Harvard. Weltweit berät sie Unternehmen in Fragen der Gleichstellung: ein Thema, für das ManagerInnen besonders sensibilisiert sein sollten, das aber sehr tief in das kollektive Fühlen und Denken einer Gesellschaft insgesamt hineinreicht.
Um Genderstereotype zu überwinden, gilt es, diese natürlich zunächst zu erkennen. Für das einzelne Individuum ist es oft sehr schwer, erlernte Einstellungen und Handlungsweisen zu überwinden. Das einleitende Kapitel in Bohnets Buch, das sich mit der Hartnäckigkeit kollektiver stereotyper Einstellungen beschäftigt, könnte somit Anlass zu Frustration und Kulturpessimismus geben, wenn die Autorin nicht gleichzeitig praktische Ratschläge an ihre Zielgruppe im Management parat hätte: Frauen verhandeln ungern, weil sie dann als unsympathisch wahrgenommen werden? Schaffen Sie in Bezug auf Verhandlungsoptionen also größtmögliche Transparenz und machen Sie klar, dass Verhandeln sogar erwünscht ist! Die Menschen sehen nicht so gern Frauen in Führungspositionen? Das lässt sich leicht ändern. Sorgen Sie doch, notfalls per Quote, dafür, dass mehr Frauen leitende Funktionen bekommen, und schaffen Sie damit Rollenmodelle! Studien in verschiedenen Ländern haben gezeigt, dass sich allgemeine Einstellungen durch neue Rollenmodelle maßgeblich wandeln.
Was hier mit „Verhaltensdesign“umschrieben wird, bedeutet letztlich, innere Überzeugungen über äußere Maßnahmen zu verändern – eine Art Verhaltenstherapie für die Gesellschaft. Wie simpel diese Maßnahmen sein können, ist fast erschreckend, wenn man sich gleichzeitig bewusst macht, dass kaum etwas davon in Deutschland standardmäßig umgesetzt wird. In amerikanischen Orchestern wurde es zum Beispiel irgendwann üblich, BewerberInnen hinter einem Vorhang spielen zu lassen, wodurch der Frauenanteil erheblich gesteigert werden konnte. Auch ist es in den USA schon lange verpönt, Fotos auf Lebensläufe zu kleben, hierzulande dagegen noch gang und gäbe. Allen Unternehmen und Institutionen, denen es ernst mit der Chancengleichheit ist, rät Iris Bohnet, ihre Räumlichkeiten nicht mit einer – fast immer rein männlichen – Ahnengalerie früherer Vorstandsmitglieder zu schmücken, sondern neutrale Motive einzusetzen. Die Autorin wird nicht müde, die Wichtigkeit objektiver Datenauswertung – „people analytics“– bei der Personalplanung zu betonen, wenn es darum geht, die für einen Job wirklich am besten geeignete Person einzustellen. Denn: Menschen tendieren dazu, sich für solche Menschen zu entscheiden, die ihnen selbst ähnlich sind. Aber gerade bei Arbeit im Team ist Diversität besonders wichtig, da sie die Produktivität der Gruppe steigert! Im amerikanischen Kontext betrifft das viel stärker als hierzulande nicht nur das Geschlecht, sondern auch die ethnische Herkunft.
Viele der Maßnahmen, die Bohnet anrät, beziehen sich nicht allein auf Frauen, sondern auf alle unterrepräsentierten gesellschaftlichen Gruppen. Als eine Art Ratgeber für EntscheiderInnen gedacht, hat „What works“nicht den Anspruch, soziologische oder psychologische Erklärungsmuster aufzustellen. Viele Studien aus anderen Wissenschaften sind in Bohnets Darstellung eingeflossen, doch sie selbst hält sich mit theoretischen Analysen zurück. Ihr Metier ist das Praktische, und das funktioniert eigentlich ganz einfach: Über das Sein können wir nämlich unser Bewusstsein verändern.