AUTORINNEN-KINO
Selbst geschrieben und inszeniert: Frauen werden seltener mit hochbudgetierten Produktionen und Adaptionen beauftragt. Dabei bringen ihre Filme neue Impulse ins Kino.
Allein der Blick auf Zahlen zu Frauen in der Filmindustrie ist ernüchternd: Obwohl Frauen in den USA 52 Prozent aller Kinogänger ausmachen, sind bei den 100 Filmen, die im Jahr 2016 die höchsten Einspielergebnisse hatten, 4 Prozent Regisseurinnen mit dabei. Auch in Deutschland sieht es nicht gut aus: Nach einer Studie zu den Jahren 2010 bis 2013 sind 22 Prozent der Kinofilme von Regisseurinnen. Dabei gilt in beiden Ländern: je höher das Budget, desto geringer der Frauenanteil.
Frauen werden also seltener mit großen Produktionen beauftragt und dazu gehören oft auch Literaturverfilmungen. Blickt man auf die Adaptionen der vergangenen Jahre, findet man überwiegend Männer auf dem Regiestuhl. Natürlich gibt es Ausnahmen – „Die Verführten“, „Berlin Syndrome“und „Axolotl Overkill“beispielsweise – tatsächlich inszenieren Frauen aber sehr häufig Filme nach eigenen Drehbüchern. Vor zwei Jahren sorgten Maren Ades „Toni Erdmann“, Anne Zohra Berracheds „24 Wochen“und Nicolette Krebitz’ „Wild“mit anderen Blickwinkeln, anderem Tempo und Rhythmus für neue Impulse im deutschen Kino, im vergangenen Jahr schuf Julia Ducournau mit „RAW“eine faszinierende Verbindung aus Kannibalismus und Coming-of-Age, gelang Sally Potter mit „The Party“die beste und bissigste Gesellschaftskomödie des Jahres und verband Angela Robinson in „Professor Marston and the Wonder Women“Arthouse-Drama mit einer polyamorösen Beziehung und der Entwicklung einer Comic-Superheldin. Diese Filme wurden von Frauen geschrieben und inszeniert – und mit ihnen fanden andere Inszenierungsstile, Sichtweisen und Atmosphären Eingang in das Kino, von denen dringend mehr gebraucht wird.
In dieser Hinsicht startet auch das neue Jahr vielversprechend: In Beach Rats erzählt Eliza Hittman von dem Teenager Frankie, der am Stadtrand von Brooklyn lebt. Er bandelt online mit Männern an, hängt mit
Freunden am Strand herum und versucht sich zugleich an einer Beziehung mit Simone. Hierbei findet Eliza Hittman eine sehr distinktive Bildsprache gerade in der Inszenierung der Bewegung und Ruhe von Körpern, die sie mit stimmungsvoller Poesie und Sinnlichkeit verbindet, und schafft damit einen sehr eigenständigen Film, der gängige Coming-out und Independent-Muster weiter hinter sich lässt. In Mareille Kleins Spielfilmdebüt Dinky Sinky ist die Bildsprache konventionell, es gelingt ihr aber dank ihrer starken Hauptdarstellerin ein sehr präzise beobachtetes Porträt einer Frau, für die sich alles um den Wunsch nach Kindern dreht. Ihm ordnet die 36-jährige Frida alles unter – und Katrin Röver verkörpert diese Dringlichkeit, die Anspannung, weil es nun einmal ein Rennen gegen die Zeit ist, sehr gut.
Feministische Western kommen nun auch aus Indonesien: Marlina – Die Mörderin in vier Akten ist sehr eigen in Erzählton und -weise, aber Regisseurin Mouly Surya verbindet in ihrer Geschichte einer Frau, die von Männern in einer abgelegenen Hütte heimgesucht wird und dieses gewaltvolle Eindringen nicht wehrlos hinnimmt, spannenden Thrill und blutige Rache mit einer genauen Beobachtung der indonesischen Geschlechterverhältnisse.