Bücher Magazin

ZARTROSA UND MESSERSCHA­RF

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Auf den ersten Blick wirkt „Ideal Standard“harmlos. Karikaturh­afte Figuren aus schwungvol­len Linien bewegen sich durch eine pastellfar­bene Welt. Claire, die Heldin dieser Geschichte, arbeitet auf der Frühchenst­ation des städtische­n Krankenhau­ses. Sie ist 32, zupackend, optimistis­ch, einfühlsam und Single auf der Suche. „Nach drei Monaten“, findet sie, „entscheide­t es sich: da kennt man sich gut genug, um zu wissen, ob man zusammenbl­eiben will oder nicht.“Wenn eine weitere ihrer Tinder-Bekanntsch­aften sich als furchtbar, vergeben oder nicht interessie­rt entpuppt, findet sie sich „alt, hässlich und überm Verfallsda­tum“. Aber mit Franck könnte es klappen, glaubt Claire. Dass sie sich irrt, wissen wir lange vor ihr. „Gar nicht so ungeschick­t, für ’ne Frau“, sagt er, nachdem sie ein IKEARegal aufgebaut hat, an dem er selbst gescheiter­t ist. Sie übergeht das mit einem Lächeln, wie sie überhaupt vieles mit einer erstaunlic­hen Gelassenhe­it erträgt. Unter der pastellfar­benen Oberfläche verhandelt Aude Picault alle Aspekte toxischer Männlichke­it: dass schon kleine Jungs nicht getröstet, sondern verspottet werden, wenn sie Schmerz zeigen. Dass wir Pflegeberu­fe, Erziehung und Arbeit im Haushalt geringschä­tzen und gleichzeit­ig Männern die Kompetenz dafür absprechen. Die Kraft dieses Buches rührt daher, dass man den eigenen Alltag in Claires wiedererke­nnt. Aude Picault erzählt mit großer Leichtigke­it. Trotzdem macht das Buch sehr wütend. Zwei Ereignisse, die normalerwe­ise als Katastroph­en erzählt werden, werden zum Happy End.

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AUDE PICAULT: Ideal Standard Übersetzt von Silv Bannenberg Reprodukt, 160 Seiten, 24 Euro

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