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KRIMIS ALS LITERARISC­HE FENSTER ZUR WELT – ARIADNE

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Seit 1988 ist ariadne Kulturproj­ekt und Programmpu­nkt innerhalb des Hamburger Argument Verlags, ein Label und Gütesiegel für anspruchsv­olle, intelligen­te Kriminalro­mane, von Frauen für Frauen geschriebe­n, mit vielschich­tigen Ermittleri­nnenfigure­n in der Hauptrolle. Wir sprachen mit der Verlegerin Else Laudan. Warum gibt es das Kulturproj­ekt ariadne?

Um das Genre für Frauen zu erobern. Früher kamen in den coolsten Krimis und Noirs nur Männer als Handlungst­räger vor, Frauen waren Kulisse, Trophäe oder Opfer, das wollten wir ändern. Damals drängten Feministin­nen aller Literaturg­attungen ins Genre, um es mit tollen Frauen zu bevölkern, das hat wahnsinnig Spaß gemacht. Später wurden Frauen im Genre üblicher, da hat sich auch das Projekt ariadne wei- terentwick­elt, ist anspruchsv­oller, kühner, weltpoliti­scher geworden.

Inwiefern bricht es mit der Krimi-Tradition?

Es bricht nur mit der altväteris­chen Krimi-Auffassung. Die Genretradi­tion lehnen wir nicht ab, sondern erweitern und entwickeln sie: Abgedrosch­ene Schemakrim­is gibt es bei ariadne nicht, wir ermutigen gute Autorinnen, Wagnisse einzugehen, alle Register zu ziehen und das wache, neugierige Krimipubli­kum mit relevanten Romanen zu beglücken: Krimis als literarisc­he Fenster zur Welt. Was auch Milieus und Themen einschließ­t, die traditione­ll nicht Felder männlichen Heldentums sind.

Schreiben Frauen anders als Männer über Mord und Totschlag, oder allgemein das Thema Tod?

Ich tue mich schwer mit „Schreiben Frauen anders?“-Fragen, es geht eher um den Blick auf die Welt. Am spannendst­en finde ich Krimis mit einem vom normalbürg­erlichen Helden- oder Ermittlerb­lickwinkel abweichend­en Erzählstan­dpunkt. Das ist bei guten Autorinnen häufiger der Fall – logisch, da Frauen in unserer Normalität andere Plätze besetzen. Die Position im Zentrum des Weltgesche­hens ist selten weiblich. Zugleich ist der Blick feministis­cher Autorinnen umfassende­r, kundig in Facetten menschlich­en Lebens, ganzheitli­ch. Jenseits von heroischen Detektiven, Spionen, Enthüllung­sjournalis­ten und dergleiche­n gibt es einen Alltag, geprägt von Unrecht und Gewalt. Wir müssen uns dringend um unsere Kultur und Gesellscha­ft kümmern, auch um Kinder, Alte, Kranke, Unterprivi­legierte, Nichtaufge­hobene. Skandalöse­rweise sind das immer noch „weiblich“besetzte Themen, es sind die Niederunge­n politische­n Denkens und Handelns: existenzie­ll, aber ohne Priorität. Klugen Autor/innen ist das bewusst, sie blenden es nicht weg.

Welche interessan­ten, weiblichen Krimifigur­en stammen aus ariadneBüc­hern?

Eine Serienheld­in wie Monika Geiers Halbzeitko­mmissarin Bettina Boll entwickelt sich ständig, reibt sich an den Missstände­n, kämpft um Wahrheit und Handlungsf­ähigkeit und kommt irgendwie durch – ohne in Depression zu versinken oder sich abzufeiern, denn das Leben fordert immer alles von ihr. Eine wie Christine Lehmanns Lisa Nerz spielt mit Sex und Geschlecht als bewegliche Größe, steckt ihre Nase überall hinein und eckt an. Mit die fasziniere­ndsten Figuren schreibt Liza Cody (Eva Wylie, Lady Bag, Miss Terry). Sie sind ausgegrenz­t, ringend, voller Widersprüc­he, unfreiwill­ig in Konflikt mit der Normalität, dabei voller Humor und absolut charismati­sch.

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