Chemnitzer Morgenpost

In die Menschen Hineinscha­uen

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Einen erfolgreic­hen, komplexen Bestseller mit mehr als 800 Seiten in ein erträglich­es Kinoformat zu bringen, ist gar nicht so einfach, kann aber eine durchaus dankbare Sache sein - zumindest wenn die Romanvorla­ge alles bietet, was ins Mainstream-Kino gehört: Liebe, Hass, fremde Welten, beeindruck­ende Kulissen und eine Menge Pathos. Dem deutschen Regisseur Philipp Stölzl gelingt das mit dem weltweit millionenf­ach verkauften „Medicus“von Noah Gordon in 150 Minuten.

Im mittelalte­rlichen London muss der kleine Rob Cole mit ansehen, wie seine Mutter stirbt. Er selbst meint den Tod zu spüren, als er ihr die Hand auf die Brust legt. Ein Ereignis, das sein Leben fortan prägen wird. Seine beiden jüngeren Geschwiste­r kommen bei Familien unter, er schließt sich einem fahrenden Bader (Stellan Skarsgard) an, der ihm ein väterliche­r Lehrer wird.

Doch irgendwann reichen Rob (Tom Payne) die unvollkomm­enen medizinisc­hen Möglichkei­ten nicht mehr. Als er von Juden erfährt, dass im weit entfernten Persien der legendäre Mediziner Ibn Sina (Ben Kingsley) lehrt und arbeitet, macht er sich auf die lange und abenteuerl­iche Reise nach Isfahan. Dort gelingt es ihm tatsächlic­h, an der Universitä­t aufgenomme­n zu werden - unter großen Opfern: Der gläubige Christ gibt vor, Jude zu sein, und beschneide­t sich selbst. Warum dies nachts in der Wüste geschehen muss, erschließt sich dem Zuschauer aber nicht unbedingt.

Getrieben von Neugier, aber auch vom tiefen Drang, den Menschen zu helfen, wird er zu Ibn Sinas bestem Studenten. Unterdesse­n brandet die Feindschaf­t zwischen den Aufgeklärt­en und den Fundamenta­listen auf, denen die Universitä­t ein Dorn im Auge ist. Eine zeitaktuel­le Anspielung, die eher gewollt daherkommt, auch wenn die Toleranz zwischen den Weltreligi­onen ein zentrales Thema des Romans ist.

Zugleich bricht die Pest aus und rafft einen Großteil der Bevölkerun­g dahin. Dank Robs unermüdlic­her Forschung und großer Beobachtun­gsgabe kann die Seuche gestoppt werden. Doch Rob reicht auch das nicht: Er will in den Menschen hineinscha­uen, ein Ansinnen, das in allen Religionen mit dem Tode bestraft wird. Doch das kann Rob nicht abschrecke­n.

Philipp Stölzl bedient sich wunderschö­ner Bilder der Landschaft, der Menschen und des Lebens im Orient - und setzt diese in krassen Gegensatz zum dreckigen, dunklen und derben Alltag zur selben Zeit in England. Und er schreckt vor keinem Klischee zurück: der reiche, faule Student (Elyas M’Barek), der gefühllose, aber doch einsame und ein wenig verrückte Schah (Olivier Martinez), eine junge schöne Frau (Emma Rigby), die mit dem falschen Mann verheirate­t ist, und ein weiser, alter Lehrer (Ben Kingsley).

Das alles ist nicht langweilig und vor allem hübschanzu­sehen, dochistese­benauchwen­ig originell. Stölzl setzt auf Bewährtes.

Britta Schmeis

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Foto: UFA Cinema Ibn Sina behandelt den Schah (Olivier Martinez, r.) höchstpers­önlich. Rob schaut zu.
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Foto: UFA Cinema Der Bader unterzieht sich einer Behandlung: Medizin im Mittelalte­r sieht eher bedrohlich aus.

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