Russen nach Rio! IOC lässt „sauberes“Rumpfteam zu
LAUSANNE - Wenige Tage vor Beginn der Sommerspiele in Rio hat das Internationale Olympische Komitee auf einen historischen Komplett-Bann Russlands verzichtet.
Demanch dürfen sich russische Sportler - mit Ausnahme von Leichtathleten - prinzipiell in allen Sportarten für einen Start bewerben, wenn auch unter strengen Auflagen. „Wir haben eine Reihe strikter Kriterien aufgestellt, die je- der russische Athlet erfüllen muss“, sagte der deutsche IOC-Chef Thomas Bach am Sonntag.
Die internationalen Sommersportverbände sollen nun alle Einzelfälle prüfen und dann in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Sportgerichtshof CAS darüber befinden, welche russischen Athleten in welchen Sportarten antreten dürfen. Sportler, denen ir- gendwann schon einmal Doping nachgewiesen werden konnte, sind von vornherein raus. „In diesem Sinne schützen wir saubere Athleten, weil wir strenge Kriterien für russische Sportler festgelegt haben“, sagte Bach.
Russlands Sportminister Witali Mutko zeigte sich überzeugt, dass die meisten Athleten in Brasilien dabei sein werden. „Die Kriterien sind sehr hart, aber ich bin überzeugt, dass die meisten Athleten sie erfüllen“, befand er.
Ein erstmaliger kompletter Ausschluss eines Landes allein aufgrund von Doping-Vorwürfen blieb somit aus. Das Ergebnis werde sicher nicht jedem gefallen, respektiere aber „die Regeln des Rechts und das Recht aller sauberen Athleten weltweit“, kommentierte IOC-Chef Bach, der per Telefonkonferenz mit seinen Kollegen aus der IOC-Exekutive mehrere Stunden verhandelt hatte. Bach verwahrte sich davor, das IOC sei gegenüber Russland eingeknickt: „Hier ging es darum, Gerechtigkeit gegenüber sauberen Athleten überall auf der Welt zu üben. Die Botschaft ist eindeutig. Es wird eine Gesamtverantworung angenommen angesichts der üblen Anschuldigungen, aber es soll auch eine Ermutigung für alle sauberen Athleten sein. Man kann im russischen Sport ein Vorbild sein, wenn man sauber ist.“
Das IOC reagierte mit seinem Beschluss auf die Ergebnisse des McLaren-Reports, der am vergangenen Montag enthüllt hatte, dass es in Russland „mindestens von Ende 2011 bis August 2015“ein staatlich organisiertes und überwachtes Dopingsystem gegeben habe. Alfons Hörmann (DOSB-Präsident): „Die Entscheidung zeigt, dass die Nulltoleranz-Politik auch künftig weltweit gilt. Wer also systematisch gegen die Regeln verstößt, erhält die Rote Karte.“ Siegfried Kaidel (Präsident des Deutschen Ruder-Verbandes): „Ein anderer Weg mit dem Ausschluss wäre sicher das stärkere Zeichen gewesen. Es bleibt angesichts der Vorwürfe von Staatsdoping auch die Frage, ob russische Athleten wirklich sauber oder nur nicht überführt worden sind.“ Clemens Prokop (Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes): „Angesichts des CAS-Urteils hätte es durchaus eine Grundlage für einen Komplett-Ausschluss Russlands gegeben. Ich halte die Entscheidung für problematisch. Faktisch ist die Verantwortung an die Fachverbände delegiert worden. Angesichts des McLaren-Reports ist es für mich schwierig nachzuvollziehen, wie bei einer Art des Staatsdopings zwischen involvierten und nicht involvierten Athleten glaubwürdig differenziert werden kann.“ Jelena Issinbajewa (zweifache Stabhochsprung-Olympiasiegerin aus Russland): „Die komplette russische Mannschaft nicht zuzulassen, wäre ein riesiger Fehler und ein internationaler Sportskandal gewesen.“ Dmitri Swischtschjow (Sportausschuss-Chef im russischen Parlament): „Eine rechtmäßige Lösung. Aber solche Entscheidungen sollten nicht nur in Bezug auf russische, sondern Sportler der ganzen Welt getroffen werden.“ Fritz Sörgel (Doping-Experte): „Ein widerliches, abgekartetes Spiel. Allein die Tatsache, dass die russischen Funktionäre mit der Entscheidung zufrieden sind, ist doch ein starkes Zeichen dafür, dass gemauschelt wurde. “ Michael Cepic (Geschäftsführer der Anti-Doping-Agentur Österreichs): „Wir sind maßlos enttäuscht. Es muss in erster Linie um die restlichen 9 500 oder 10 000 Athleten anderer Nationen gehen, die sich einem normalen Anti-Doping-Regime unterwerfen und in Rio teilnehmen.“