Chemnitzer Morgenpost

Manchmal wäre weniger mehr

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O hne Namen geht nichts. Sie stiften Identität, geben Auskunft über die Herkunft und sind ein Markenzeic­hen. Da geht es Menschen wie Städten. U nsere Geschichte über die Beinamen sächsische­r Städte offenbart gleich zweierlei: Dass es manchmal ohne Zusatz besser wäre; aber auch, dass in wenigen Silben ganz viel Informatio­n stecken kann. Viele Touristen zum Beispiel besuchen das schöne Radebeul bei Dresden, wissen aber gar nichts von der Nähe zum Wein dort. Insofern passt „Weinstadt“. Der Namenszusa­tz „Wein- und Karl-May-Stadt“wiederum ist zu viel, denn auch Hohenstein- Ernstthal ist „KarlMay-Stadt“, aber „Karl-May-Geburtssta­dt“. Weniger wäre auch in Meißen mehr: Man taufte sich „Porzellan- und Weinstadt“. M eist können sich die Namensgebe­r, wenn es denn Menschen waren, gar nicht mehr wehren. In der „Lessingsta­dt Kamenz“wird zum Beispiel das Erbe des großen Dichters und Denkers mit Inbrunst gepflegt, hochkaräti­ge Forschungs­einrichtun­gen sind mit dem Werk befasst, aber Lessing selbst soll in seiner Heimatstad­t nicht so richtig glücklich gewesen sein und verließ den Ort schnell. A uch mit Szenebegri­ffen ist es so eine Sache: die „Bingestadt“Geyer im Erzgebirge will die Bergbautra­dition vermitteln. Aber die vermittelt eigentlich schon das „Erz“gebirge. L eipzig zum Beispiel hat sich abgewöhnt als „Bachstadt“aufzutrete­n, weil die Metropole eben mehr ist als der geniale Komponist. Denn jene, an die sich der Musiker-Name richtete, wissen es eh. W enn’s ohne Namen gar nicht geht, sollte wie im Fall von Radeburg zumindest der Duden befragt werden. Oder wie viel Orte verbergen sich hinter „Heinrich-Zille-Stadt“? Bericht Seite 10/11

 ?? Von Torsten Hilscher ??
Von Torsten Hilscher

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