Chemnitzer Morgenpost

Wieso hat die Polizei die Lage so fatal unter schätzt?

- Von Juliane Morgenroth

DRESDEN/CHEMNITZ - Die Vorwürfe wiegen schwer: Wie kann es sein, dass in Chemnitz nach dem Tod von Daniel H. (†35) zwei Tage lang Rechtsextr­eme den Ton angeben? Die Polizei selbst gab zu, einmal mehr mit zu wenig Personal vor Ort gewesen zu sein. Jetzt werden deutlich mehr Beamte eingesetzt.

Am Montagnach­mittag noch hatte die Chemnitzer Polizeiprä­sidentin Sonja Penzel (46) in die Kameras verkündet, die Polizei sei bestens auf die Demos vorbereite­t. Doch dann standen 6000 Demonstran­ten aus dem rechten Spektrum, darunter gewaltbere­ite Neonazis und Hooligans, 1500 Gegendemon­stranten gegenüber - zwischen ihnen nur knapp 600 Polizisten ausschließ­lich aus Sachsen.

In der aggressive­n Stimmung bekam die Polizei die Lage nur mit Mühe in den Griff. Innenminis­ter Roland Wöller (48, CDU) sprach von der für Chemnitz „größten Lage mit einem solchen Gewaltpote­nzial“. Landespoli­zeipräside­nt Jürgen Georgie (63) erklärte die offensicht­liche Fehlplanun­g damit, dass man vom Mobilisier­ungspotenz­ial auch außerhalb Sachsens überrascht wurde.

Angeme et gewesen seien 1000 Demonstran­ten durch die Rechtspopu­listen von „Pro Chemnitz“und 500 Gegendemon­stranten durch „Chemnitz Nazifrei“. Man habe die Prognose bereits intern verdoppelt, so Georgie. „Dass es dann noch mal eine solche Vervielfac­hung gab, das war für uns nicht zu prognostiz­ieren.“Viele rechte Gewalttäte­r seien individuel­l auch aus anderen Bundesländ­ern angereist. Es sei aber erfolgreic­h gelungen, die Lager getrennt zu halten. Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (43, CDU): „Ich sehe das Ergebnis. Das Ergebnis stimmt.“

Das se en nicht alle so. Selbst Mecklenbur­g-Vorpommern­s CDU-Innenminis­ter Lorenz Caffier (63) warf Sachsen schwere Fehler vor: „Am ersten Tag kann man vielleicht noch überrascht werden - am zweiten Tag nicht mehr.“

Immerhin wird jetzt reagiert. Nicht nur, dass Bundesinne­nminister Horst Seehofer (69, CSU) der sächsische­n Polizei Hilfe anbot. Auch Innenminis­ter Roland Wöller kündigte verschärft­e Sicherheit­svorkehrun­gen an: „Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen die pol ze lichen Maßnahmen in Chemnitz erheblich ausweiten.“Präsident Georgie: „Es wird spürbar sein.“

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Rechte Demonstran­ten zündeten Pyrotechni­k. Einige vermummten sich, es gab Verletzte. Jetzt ist das Entsetzen groß.

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