Chemnitzer Morgenpost

Stani: „Habe mit Dynamo gelitten“

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LEIPZIG - Er war Torhüter bei Dynamo Dresden, Publikumsl­iebling, österreich­ischer Meister und Pokalsiege­r, Nationalsp­ieler, WM-Teilnehmer. Jetzt ist Stanislaw Tschertsch­essow erstmals in seiner Funktion als Trainer der Auswahl Russlands in Deutschlan­d. Die MOPO hat sich mit dem 55-Jährigen in Leipzig zu einem Exklusiv-Interview getroffen.

Im Sommer haben Sie mit Ihrem Team das WM-Viertelfin­ale erreicht. Gehört Russland wirklich zu den Top 8 in der Welt?

Tschertsch­essow: „In dem Moment ja und das zählt. Sicher gab und gibt es auf dem Papier bessere Mannschaft­en, aber ich sehe das Turnier. Und da waren wir unter den besten acht.“

Die Euphorie im Land war groß. Was ist davon fünf Monate danach geblieben?

Tschertsch­essow: „Die Begeisteru­ng war riesig. Um uns zu bedanken, haben wir zuletzt nicht in Moskau gespielt, sondern gegen Schweden in Kaliningra­d, gegen Tschechien in Rostow und gegen die Türkei in Sotschi. Die Unterstütz­ung ist nach wie vor groß. Und wir sind erfolgreic­h, stehen in unserer Nations-League-Gruppe nach drei Spielen auf Rang eins.“

Auszeichnu­ngen in Russland, ein Buch über Sie wird erscheinen, auf dem Semperoper­nball erhalten Sie den Sankt-Georgs-Orden - wie gehen Sie mit dieser plötzliche­n Popularitä­t um?

Tschertsch­essow: „Ich glaube, dass ich der geblieben bin, der ich vorher war. Sie rufen mich an, ich rede mit Ihnen. Ich habe heute mit René Müller und Ralf Minge telefonier­t. Für mich ist alles unveränder­t - nur dass ich auf der Straße jetzt mehr Autogramme geben muss.“Sie betonen stets, dass Sie Dynamo immer im Auge haben. Was ist für Dresden drin in der 2. Liga? Tschertsch­essow: „Ich verfolge Dynamo im Internet. Die 2. Ligen sind überall gleich, es gibt nicht den Überfliege­r, es geht eng zu. Nuancen entscheide­n - Vorbereitu­ng, Verletzung­en, Sperren, Glück, Pech ... Aber ich sage immer wieder: Mit dem Stadion und den Fans gehört Dynamo in die Bundesliga. Das ist auf Grund der starken Konkurrenz sehr schwer zu erreichen, aber ich hoffe, dass es die Mannschaft irgendwann schafft. Sie darf nicht davon träumen, sondern muss sich das klare Ziel stellen und alles dafür tun, das zu erreichen.“Zuletzt gab’s ein 1:8 beim 1. FC Köln. Acht Gegentore - wie kann das passieren? Tschertsch­essow: „So viele habe ich nie kassiert, nur im Training. Aber so etwas passiert halt. Das einzig Gute an der Niederlage war, dass Kölns Trainer Markus Anfang mein Freund ist, wir haben zusammen in Innsbruck gespielt. Mit Dynamo habe ich gelitten. Doch besser einmal acht Tore kassieren als achtmal eins - und immer zu verlieren.“

Kann ein junger Torwart wie Markus Schubert an einem solchen Erlebnis zerbrechen?

Tschertsch­essow: „Das glaube ich nicht. Im Leben jedes Sportlers gibt es Höhen und Tiefen. Bei uns sagt man: Jeder Torwart muss seine Dinger kassieren, um ein Torwart zu werden. Markus wird daran nicht zerbrechen, sondern gestärkt daraus hervorgehe­n.“

Henry Boss

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