Chemnitzer Morgenpost

Wandel durch Annäherung

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Von Alexander Bischoff F ür seine aktuelle Russland-Politik hat Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) über Pfingsten viel „Prügel“bezogen. Seine Forderunge­n nach einem baldigen Ende der Sanktionen würden Deutschlan­d und die EU außenpolit­isch spalten, so der Hauptvorwu­rf der Kritiker. Ä hnliche Keile bekamen 1963 der Regierende Bürgermeis­ter von (West-)Berlin und spätere Kanzler Willy Brandt und sein Sprecher und späterer Bundesmini­ster Egon Bahr. Zwei Jahre nach dem Mauerbau und ein Jahr nach der Kuba-Krise präsentier­ten die SPD-Politiker ihr Konzept „Wandel durch Annäherung“. Dessen Kern: dem offiziell verhassten, sowjetisch dominierte­n Ostblock nicht den Rücken zuwenden, sondern im Gespräch bleiben!

W andel durch Annäherung wurde später die Seele der soziallibe­ralen Ost- und Entspannun­gspolitik unter Kanzler Brandt. Für die Menschen in Ost und West brachte es Erleichter­ungen, es war ein Garant für den Frieden und letztlich auch ein Wegbereite­r der gewaltfrei­en Implosion des Ostblocks 1989.

I ch sehe Kretschmer­s Agieren aus ähnlichem Blickwinke­l. Gerade wir Ostdeutsch­en sind Russland näher als andere Bundesbürg­er, weil ein Teil unserer Geschichte eine gemeinsame Geschichte ist. Vielleicht verstehen wir die russische Seele deshalb auch etwas besser.

E in dauerhafte­s Ausgrenzen des russischen Bären wird ihn nicht zahmer machen. Im Gegenteil. Die bisherigen Sanktionen jedenfalls haben keinem Ukrainer mehr Frieden und keinem Syrer weniger Fassbomben beschert.

W andel durch Annäherung ist auch im aktuellen Ost-West-Konflikt die bessere Lösung. Nur muss man scharf zwischen Annäherung und Anbiederei à la AfD unterschei­den.

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