Scharfe Kritik am Thüringer Weg
ERFURT - Mit der Ankündigung, seine Corona-Maßnahmen ab dem 6. Juni abschaffen zu wollen, hat Thüringen deutschlandweit für großes Aufsehen gesorgt. Auch wenn es nach wie vor kein verlässliches Medikament, geschweige denn einen Impfstoff gibt, für Ministerpräsident Bodo Ramelow (64, Linke) ist dieser Weg „zwingend“.
Zur „BamS“sagte er: „Wir haben im März auf der Grundlage von Schätzungen von 60 000 Infizierten entschieden – jetzt haben wir aktuell 245 Infizierte. [...] Der Erfolg gibt uns mit den harten Maßnahmen recht - zwingt uns nun aber auch zu realistischen Konsequenzen und zum Handeln. Und das heißt: Für Thüringen empfehle ich die Aufhebung der Maßnahmen.“
Anders sieht das SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (57). In der „Saarbrücker Zeitung“bezeichnete er die geplante Aufhebung der Beschränkung als „klaren Fehler“, bei dem Thüringen genau die Maßnahmen infrage stelle, „denen man den gesamten Erfolg im Moment zu verdanken hat.“Für ihn gebe es „überhaupt keinen Grund, das aufzuheben, was wir mühsam gelernt haben“.
Besonders kritisch werden die neuen Ideen in Jena beäugt. Die Stadt war deutschlandweit Vorreiter bei der Maskenpflicht. So ist es wenig überraschend, dass Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (44, FDP) auf Facebook von einem „Gang aufs Minenfeld“schreibt: „Wo’s kracht, da gibt’s halt lokal einen zweiten Lockdown. Soll das wirklich unsere Strategie sein in Thüringen?“
Ex-Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich (55, FDP) widersprach indirekt und erklärte, die FDP in Thüringen „würde es begrüßen, wenn die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie tatsächlich beendet werden könnten“. Zugleich wies er darauf hin, dass „kein Verordnungs-Flickenteppich entstehen“dürfe, da die Menschen eh schon stark verunsichert seien.
Auch die AfD in Thüringen scheint den Lockerungen nicht abgeneigt zu sein, fühlt sich allerdings ihrer Idee beraubt. Der gesundheitspolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Wolfgang Lauerwald (65), warf Ramelow vor, aus seinem Positionspapier kopiert zu haben: „Mit den Maßnahmen von Ramelow werden die Forderungen der AfD umgesetzt. Das war unser Ziel bereits vor sechs Wochen.“
Während die Reaktion in vielen anderen Bundesländern eher zurückhaltend und mahnender Natur war, zeigte sich die bayerische Landesregierung „entsetzt“. Staatskanzleichef
Florian
Herrmann
(48, CSU) bezeichnete Thüringens Pläne als hochgefährliches Experiment: „Damit wird Thüringen zu einem Gefahrenherd für wieder steigende Infektionszahlen in ganz Deutschland.“