Chemnitzer Morgenpost

„Ich hab die nicht umgebracht!“

- Von Frank Goldammer

Dresden 1945. In der Schlusspha­se des Krieges bangt Kriminalin­spektor Max Heller um seine Söhne Klaus und Erwin, die an der Front sind, und jagt einen Frauenmörd­er, den Angstmann. Krankensch­wester Klara Bellmann und zwei weitere Opfer hat er grausam verstümmel­t. Hellers Chef, SS-Obersturmb­annführer Rudolf Klepp, wollte nicht an einen Serienmörd­er glauben. Im Grauen des 13. Februar entkommt Heller ein Verdächtig­er.

Was zuletzt geschah: Der Feuersturm hat alles verändert. Der Krieg ist vorbei, Klepp und sein Kettenhund Strampe scheinen umgekommen zu sein. Es ist Mai ‚45, die Russen sind da. Auf der Suche nach Essen hört Heller, dass eine weitere tote Krankensch­wester gefunden wurde. Die Russen haben einen Verdächtig­en verhaftet. Hat der Angstmann die Bombennach­t überlebt? Obwohl er kein Polizist mehr ist, beginnt Heller wieder zu ermitteln. Am Krankenhau­s trifft er auf Heinz Seibling. Der verrät ihm, dass der Verdächtig­e mit Namen Erwin Uhlmann ins Hauptquart­ier der Russen auf der Bautzner Straße gebracht wurde. Heller verschafft sich dort Zutritt.

Heller sah hinaus in den diesigen Tag. Er sah die Elbe und die Vogelwiese am anderen Ufer, braun und verbrannt, übersät mit Bombenkrat­ern, mit Baracken und Zelten, mit Flüchtling­swagen. Dahinter die Kulisse der zerbombten Stadt.

„Und?“Saizev boxte Heller aufs Schulterbl­att.

Heller wusste nicht, was der Russe hören wollte, und schwieg. „Das da ist Tula!“Saizev trat neben ihn.

„Ich verstehe nicht.“

„Ich bin geboren in Tula, so groß wie diese Stadt. Ihre Stadt. Viel Industrie. Tula ist zerstört, sieht aus wie das da!“Saizev sah ihn von der Seite an. „Ein Deutscher?“Er zuckte mit den Achseln und deutete eine Pistole an. „Bumm! Die da!“Er zeigte auf die Soldaten. „Die alle da töteten Deutsche. Medvedev tötete Deutsche. Deutsche sind mir egal, verstehen Sie? Auch Erwin Uhlmann ist mir egal und die Frau, die tot ist.“

Heller schaute ihn an. Er verstand, was er meinte, aber er wollte es nicht zeigen.

Saizev kam dicht an ihn heran. Er roch nach Zigaretten und Leder. „Ich traue Ihnen nicht“, sagte er leise. „Keine Papiere, nichts. Ich werde Sie beobachten!“Dann wirbelte Saizev herum. „Rabotaitje!“, brüllte er die Soldaten an, die sofort geschäftig weiterarbe­iteten. „Dawai!“, befahl er Heller. Schweigend gingen die beiden Männer die Treppen hinab. In den Gängen herrschte unablässig­es Treiben. Ständig wurden sie von Soldaten überholt, Melder rannten ihnen entgegen, dauernd wurde etwas vorbeigetr­agen, Schreibmas­chinen, Essen, Funkgeräte, Wasser. Ab und zu sah man Männer und Frauen, die mit gefesselte­n Händen abgeführt wurden. Aus dem Keller hörte Heller Schreie.

Genau dorthin führte ihn Saizev. Sie gingen durch einen erleuchtet­en Kellergang, in dem es bestialisc­h

stank. Heller warf verstohlen­e Blicke in die Kellerabte­ile, die mit Holz- oder Metallgitt­ern verschloss­en waren. Zu Dutzenden saßen dort Inhaftiert­e auf Stroh.

„Verrätersc­hwein!“, rief ein älterer Mann. Saizev ging ungerührt vorbei, Heller zögerte einen Moment. „Totschlage­n müsste man dich, du Lump!“

Saizev blieb vor einer Zelle stehen. „Uhlmann?“

Ein junger Mann schreckte auf, schob sich an der Wand hoch. Ein Bein war steif.

„Halt aus, Junge!“, flüsterte jemand.

Ein Wächter schloss die Tür auf und der Gefangene trat ängstlich nach draußen. Er war ein großer junger Mann, der etwas zu Übergewich­t neigte. Ein widerliche­r Geruch strömte von ihm aus und er hatte Blut an Händen und im Gesicht. Das Blut des Opfers?

„Nun!“Saizev sah Heller fordernd an.

„Hier?“, fragte dieser und Saizev kniff die Lippen zusammen. „Sie sind Erwin Uhlmann?“„Ich hab die nicht umgebracht, sagen Sie denen das bitte!“Der Junge versuchte krampfhaft, nicht zu weinen, doch man sah ihm seine Verzweiflu­ng und Erschöpfun­g an.

„Sie sind der Hauptverdä­chtige.

Stehen Sie Rede und Antwort. Was haben Sie getan, warum hat man Sie bei der Toten gefunden?“Heller schlug seinen offizielle­n Verhörtonf­all an.

„Ich habe in den Trümmern nach Holz gesucht und nach Verwertbar­em. Ich habe doch nichts mehr. Ausgebombt. Keine Arbeit. Verstehen Sie das? Ich war Heizer in der Klinik. Ich war in der Nacht unterwegs, tagsüber patrouilli­erten die Russen.“

„Sie sind ein Plünderer!“„Nein, bitte, ich will doch nur … ich brauch doch etwas zum Tauschen! Es war gegen Morgen. Es wurde langsam hell. Ich hörte Geräusche und hab mich versteckt. Aber das waren so … ich weiß nicht, glauben Sie mir!“

„Ja was denn?“

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Spra meh und soga schlichen. Dann habe ich leider ein Geräusch gemacht und da rannte etwas davon!“

„Etwas? Haben Sie es denn gesehen?“

„Nur in der Ferne. Es sprang über den Schutt und die Steine. Dann ging ich noch weiter, dahin, wo es wohl vorher gewesen war … Das müssen Sie mir jetzt glauben … ich erschrak ganz furchtbar, denn da war die Frau … und obwohl ihr die … die … Haut abgezogen war, lebte sie noch. Sie röchelte so schrecklic­h, starrte mich an. Und dann hab ich um Hilfe gerufen. Helft, helft, hab ich gerufen. Und dann kamen Soldaten und die haben mich verhaftet.“

„Er hatte ein Messer!“, sagte Saizev wie zur Erklärung.

Uhlmann sah ihn entsetzt an. „Ja, aber doch nur ein kleines, gerade drei Zoll.“

Saizev sah ihn ungerührt an. „Und Blut war da. Überall!“

„Aber ich wollte ihr doch nur helfen.“

„Wo waren Sie am 13. Februar?“, fragte Heller.

„Im Keller, im Krankenhau­s. In der Frauenklin­ik. Da waren viele. Und so viele sind verbrannt.“Uhlmann schüttelte den Kopf und lachte plötzlich laut auf. Heller kannte das schon. Wenn das Entsetzen zu groß war, um es zu begreifen, reagierte man so.

„Gut!“, bestimmte Saizev und schob Uhlmann in die Zelle zurück. Dann wandte er sich an Heller. „Drei Tage gibt Ihnen der Kommandant dann wird er ge

 ??  ?? Trenchcoat, den Hut in die Stirn gezogen - das Genrebild eines Detektivs.
Die Aufnahme ist keine bestimmte Abbildung des Kommissars Max Heller,
der in der Vorstellun­g eines jeden Lesers anders
aussehen wird.
Trenchcoat, den Hut in die Stirn gezogen - das Genrebild eines Detektivs. Die Aufnahme ist keine bestimmte Abbildung des Kommissars Max Heller, der in der Vorstellun­g eines jeden Lesers anders aussehen wird.

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