Ein echter Caravaggio
Weil sie keinen haben, mussten sich die SKD einen leihen
DRESDEN - Michelangelo Nerisi, genannt Caravaggio (1571-1610), gilt als bedeutendster Maler des römischen Frühbarocks. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) haben jedoch nicht ein Werk von ihm. Jetzt aber wird ein ikonisches Hauptwerk von ihm präsentiert, „Johannes der Täufer“, eine Leihgabe der Kapitolinischen Museen in Rom. Zusammen mit eigenen Beständen ist es zu sehen in der Schau „Caravaggio. Das Menschliche und das Göttliche.“
Für SKD-Generaldirektorin Marion Ackermann ist es eine „spektakuläre Leihgabe“. Sie sagt: „Betrachtet man die Gemäldegalerie Alte Meister, dann fällt auf: Es gibt keinen echten Caravaggio.“Nun habe man - zumindest als Leihgabe - ein Werk, das alles verdeutliche, was diesen Künstler ausmacht. Zusammen mit rund 50 Werken aus der eigenen Sammlung, die um das Werk platziert wurden, könne man zeigen, welchen Einfluss Caravaggio gehabt habe auf die sogenannten Caravaggisten.
Stephan Koja, Direktor der Gemäldegalerie Alte Meister und Skulpturensammlung bis 1800, sagt: „Caravaggio ist wohl d e r Maler des römischen Barock. Wir haben viele Werke, die seinen Einfluss zeigen, aber der Kern, das Zentrum, fehlt.“Seit Jahren habe Koja den Wunsch gehabt, ein Hauptwerk Caravaggios im Kontext mit den eigenen Beständen zu zeigen. Nun ist es endlich geglückt.
Im Gemälde „Johannes der Täufer“verdichte sich alles, was Caravaggio ausmache: dramatische Helldunkelmalerei, radikaler Naturalismus und Körperlichkeit sowie eine neue Deutung der christlichen Darstellung, die zum Ideal geworden sei. Das für den Künstler charakteristische Nebeneinander von
Schönheit und Grausamkeit zeige sich im „Johannes“nicht so sehr wie in anderen Werken, doch sei die provokante Darstellung des Heiligen als nackter Knabe, der einen Widder umarmt, stets Anlass für Spekulationen gewesen. Caravaggio habe den Betrachter bewusst zu unterschiedlichen Deutungen angeregt, sagt Koja.
Bewusst konfrontativ wurde die Skulptur „Johannes der Täufer“von Francesco Mocchi platziert, einem Freund und Konkurrenten Caravaggios, wie Koja sagt: „Die Skulptur führt Caravaggios dramatisches Licht plastisch vor.“Auch sehe man, wie beide sich auf Michelangelo bezogen haben. Umrahmt sind diese Exponate von Werken aus Italien, Spanien und den Niederlanden, die zeigen, welche Vorbilder Caravaggio hatte und welchen Einfluss er ausübte. Zu sehen ist die Schau bis 17. Januar 2021. hn