Chemnitzer Morgenpost

Auch ein Jugendpfar­rer geht WAS mal in Rente

Das ist Heinz Eggert

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Dreißig Jahre Sachsen“- das sind Jahrzehnte des Aufbaus und der Gestaltung, nicht selten verbunden mit Irrtümern, Intrigen und Skandalen, auch und gerade in der Politik. Eine Woche lang präsentier­t die MOPO täglich einen wichtigen Namen der Anfangsjah­re. Heute: Heinz Eggert (74, CDU).

So cool kann 74 sein. Mit fliegendem Schritt und lässiger Lederjacke rauscht Heinz Eggert ins Verlagsgeb­äude. Der frühere Jugendpfar­rer, Innenminis­ter und Talkmaster ist heute jugendlich­er Pastor in Rente.

„Dann wollen wir mal“, dröhnt sein sonorer Bariton. Wir auch, denn eigentlich äußert sich Eggert nicht mehr zu politische­n Dingen. Zumindest, wenn sie aktuell sind. Aber „30 Jahre Sachsen“, da ist er dabei.

„Schillernd“würde es treffen, wäre das nicht negativ besetzt: Ein Typ wie aus dem Drehbuch, eine Biografie wie selten noch, ein Geistliche­r mit luther‘scher Unbeirrbar­keit im Auftritt, ein politische­r Anpacker mit Kante und Charisma. Einer, auf den gezeigt wurde. Vor allem aber ein CDU-Mann, der der heutigen CDU fehlt.

Ist er mit dem Motorrad gekommen? „Nö, das ist vorbei. Ich hab‘ lieber aufgehört“, sagt er und erzählt von einem freiwillig­en Absprung auf der Fernverkeh­rsstraße mit 120 km/h vor 15 Jahren. „Sonst wäre mir an der Bande vielleicht Bein oder Arm abgerissen

Heinz Eggert wird am 6. Mai 1946 in Rostock geboren. Er lernt bei der Deutschen Reichsbahn, arbeitet sich bis zum Fahrdienst­leiter hoch. 1968 Rausschmis­s: Eggert hat gegen den Einmarsch der Sowjets in die CSSR protestier­t, wo die Kommuniste­n den „Prager Frühling“niederwalz­en. Doch der Hafen Rostock-Warnemünde, wo er eingesetzt war, ist Grenzgebie­t und damit staatswich­tiges Territoriu­m.

Durch seine Frau aus Sachsen zum Christentu­m geführt, studiert er in der Heimatstad­t Theologie. Es folgen Stationen als Pfarrer in Oybin und Jugendpfar­rer in Zittau. Ab Mai 1990 ist er Landrat in Zittau, verdient sich den Namen „Pfarrer gnadenlos“, weil er gegen SED-Funktionär­e rigoros vorgeht, wie es Altkader empfinden. Bis dahin parteilos, tritt er Oktober 1990 in die CDU ein. Es folgen die Stationen Landtag und Innenminis­terium. worden. So blieb es bei zwei Kratzern. Dann war‘s vorbei mit der Fahrsicher­heit.“

Schluss ist auch mit der Hospizarbe­it, für die sich Eggert seelsorger­lich aufopferte. Nur das ein oder andere Gespräch mit Jetzt-Innenminis­ter Roland Wöller (50, CDU) gibt es gelegentli­ch („Er hat einige falsche Ansichten gehabt, die ihn zu Fehlentsch­eidungen gebracht haben.“). Ansonsten genießt er den Ruhestand, das Ausschlafe­n. - Nach all den Kämpfen in zwei Systemen und der einen großen Niederlage: Am 19. Juni 1995 trat er als Innenminis­ter zurück.

„Ein Tag, der Wunden hinterlass­en hat.“Auslöser waren Behauptung­en junger Mitarbeite­r über sexuelle Belästigun­g. „Ich hätte bleiben können, niemand, auch Biedenkopf nicht, hat mich gedrängt. Aber es gibt Situatione­n, da wird einem das Gesicht zerschlage­n.“Dann gelte in der Politik: aufhören! „Das hat etwas mit Selbstacht­ung zu tun.“Und damit, dass er angeschlag­en war.

Danach prozessier­te er gegen einen der drei erfolgreic­h. Zu sagen bleibt: „Ich bin bisexuell, ja.“Aber sonst war da nix. Eine Intrige, wie er betont.

Enttäuschu­ng schwingt auch in den Erinnerung­en an Sam Meffire (heute 50) mit, den farbigen Vorzeigepo­lizisten, der hinschmiss und kriminell wurde. Immer, auch noch heute, stellte sich Eggert hinter die sächsische Polizei als Ganzes. „Nur eine Polizei, die geschützt wird von der Politik, kann auch den Bürger schützen“, lautet sein Credo. Was die Bürger vom Staat wollen, hörte er sich gern in Kneipen an.

Der Wähler belohnt es: Mit 65,2 Prozent durfte Eggert 1999 Landtags-Abgeordnet­er bleiben. An diese Zeit erinnert ihn vor allem der Sozialdemo­krat Karl Nolle (heute 75). „Er war eine Bereicheru­ng fürs Parlament, hat mit

Verve, aber auch mit unfairen Mitteln gearbeitet“, so Eggert über den Biedenkopf-Jäger. Nach und nach habe der SPDMann wohl „so‘n Überzeugun­gsbewussts­ein gehabt, er muss liefern“. Auch mit ihm traf er sich vor Gericht; anschließe­nd, so Eggert, musste Nolle Behauptung­en über den CDU-Mann aus einem Buch streichen.

Das Predigen als Pfarrer hat er schon lange eingestell­t („Man ist, wenn man in der Politik war, verdorben für die Kanzel.“). Doch Moderator blieb er noch lange, zuletzt 2018 bei Runden mit Ehrenamtle­rn für die Sächsische Staatskanz­lei.

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Locker wie eh und je: Heinz Eggert (74, CDU).
Eggert im MOPO-Gespräch mit Redakteur Torsten Hilscher (52). Locker wie eh und je: Heinz Eggert (74, CDU).
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Der Motorradfa­n Heinz Eggert, hier im Jahr 2000.
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Eggert 1999 mit Erich Böhme bei n-tv.
Der ehemalige Vorzeigepo­lizist Sam Meffire (heute 50). Eggert 1999 mit Erich Böhme bei n-tv.
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Eggert im Alter von 22 Jahren.
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