Beim Stichwort „Stasi“WAS wird er scharf
Dreißig Jahre Sachsen“- das sind Jahrzehnte des Aufbaus und der Gestaltung, nicht selten verbunden mit Irrtümern, Intrigen und Skandalen, auch und gerade in der Politik. Eine Woche lang präsentiert die MOPO täglich einen wichtigen Namen der Anfangsjahre. Heute: Peter Porsch (76, PDS/Linke).
Peter Porsch ist per Video aus Graz zugeschaltet. Das klingt erst mal logisch, pflegt der gebürtige Österreicher doch auch nach 52 Jahren in Deutschland unnachahmlichen Wiener Schmäh und ist seiner Heimat verbunden.
Doch Porsch hängt nicht wegen Corona oder Heimweh fest. Vielmehr wartet er, dass seine Frau beruflich von der örtlichen Uni loskommt. Das hat sich nämlich verzögert. In Graz steht also nur ein Koffer.
Der Hauptwohnsitz liegt weiter im sächsischen Klinga zwischen Grimma und Leipzig. „Hier will ich nicht mehr weg, auch wenn ich viele Freunde in Österreich habe und zwei Schwestern“, so Porsch. Nirgendwo lebte er länger als in Sachsen, nämlich seit 1973. Hier ist seine Familie (drei Kinder, sechs Enkel, ein Urenkel), hier hat er gewaltet und gestaltet.
Nur der Dialekt klingt wie gerade-erst-übergesiedelt. „Denkt man“, lacht
Porsch wurde am 15. Oktober 1944 in Wien geboren. Er studierte zunächst in Wien Germanistik und Anglistik, später in West-Berlin Germanistik und Politologie. Dort machte er auch seinen Doktor. Ein Jahr später, 1973, siedelte er in die DDR über - aus Überzeugung für die sozialistische Sache und wegen seiner Frau.
Ergänzt von einem Zwischenspiel 1983/84 in Polen arbeitete er bis 2005 an der Uni Leipzig - zunächst als Assistent, später Oberassistent, dann Dozent, letztlich als Professor. Politisch fungierte das vormalige SED-Mitglied ab 1994 als FraktionsChef der Linke im Landtag (bis 2007), die damals noch PDS hieß. 1992 bis 2001 war er Landesvorsitzender der PDS in Sachsen, 2000 bis 2002 Bundesvize der PDS.
Auf seinem Block
äußert er sich regelmäßig zu aktuellen politischen Debatten. er. „Wenn ich in Wien so rede, halten die mich für einen Piefke.“Den Mischmasch nutzte er als Professor gern, um seinen Germanistikstudenten locker-launig den Weg in die Dialektologie zu ebenen, was keineswegs mit der marxistischen Dialektik zu verwechseln ist, sondern wirklich die Lehre von den Dialekten meint. Porsch ist darin eine Kapazität und Mitglied der Internationalen Gesellschaft für Deutsche Dialektologie.
Wenn der Wiener auch nie umsattelt Sächsisch verteidigt er: „Die sächsischen Dialekte sind eine wesentliche Quelle unseres heutigen Standarddeutschs. Nur die Aussprache ist halt eine eigene. Übrigens: Bei fast allen Dialekten braucht man Untertitel, wenn sie im Fernsehen gesprochen werden. Nur beim Sächsisch nicht!“Eine solche Sprache gegen Abwertungen zu verteidigen sei eine seiner Lebensaufgaben.
Ihm hat Sächsisch sogar schon aus der Patsche geholfen: „Das war noch zu DDR-Zeiten. Ich durfte nach Österreich, hatte aber kaum Westgeld. Also habe ich einer Klofrau in Wien gegenüber den Sachsen gemimt.“Es hat funktioniert.
Und wie war das damals mit der Stasi? Der charmante Dialektiker wird scharf: „Stasi! Natürlich, die endlose Geschichte.
Interessiert die jemanden immer noch? Habe ich wirklich ohne Urteil lebenslänglich? Verdachtsäußerungen reichten jedenfalls alle nicht, um mich fristlos an der
Universität zu kündigen, und die Abgeordnetenklage lief ins Leere. ,Beweismittel‘ waren allein die Aufzeichnungen des MfS. Verschiedene Gerichte haben das verschieden beurteilt. Pressemeldungen ohne Unschuldsvermutung konnte ich deshalb nicht verhindern. Die Sache ist erledigt“, entschließt er.
Politisch bleibt er weiter sozial bewegt, wie seine Analyse zu „30 Jahre Sachsen“zeigt: „Löhne und Renten sind noch immer deutlich niedriger als im Westen. Zahlreiche Betriebe sind ,verlängerte Werkbänke‘ von Westfirmen. Das war übrigens auch in der DDR so, da hieß das nur ,Gestattungsproduktion‘. Spitzenfunktionen sind in westlicher Hand.“
Die Lage der eigenen Partei betrachtet er nüchtern, ja ernüchtert: „Wir sind auf den Anfang zurückgeworfen, nämlich wie 1990 auf rund 10 Prozent.“Von der größten zur kleinsten Oppositionspartei im Landtag. Wie sieht er die „Kenia“-Regierung aus CDU, Grünen und SPD? „Diese Dreierkoalition ist eigentlich ein Zeichen des Kraftverlusts der mittlerweile 30 Jahre regierenden CDU. Dennoch versucht die CDU immer noch ihren Staus als Staatspartei aufrechtzuerhalten.“Mit großem Beharrungsvermögen. Das gelinge unter anderem, weil „nach 30 Jahren Staatspartei CDU“die Gesellschaft von CDULeuten durchdrungen sei.
Und er schaut voraus: „Ob die CDU in Zukunft Locktönen von der rechten Seite widerstehen wird, ist zumindest fraglich.“