Chemnitzer Morgenpost

Großstadt-Feeling gab’s abends im „Kasch“

-

Einer der angesagtes­ten Jugendclub­s von Karl-MarxStadt befand sich im Flemmingge­biet: das „Kasch“. Es war eine der ersten Locations für „andere Bands“wie „Die Skeptiker“, dort trafen sich die jungen Künstler und Freigeiste­r. Hautnah miterlebt hat das Patricia Holland Moritz (53). Heute ist sie eine bekannte Schriftste­llerin, die zuletzt für ihren Chemnitz-Roman „Kaßbergen“gefeiert wurde. Damals feierte sie im „Kasch“mit ihrer DJ-Crew „Soul Step“ausgelasse­ne Abende.

Patricia Holland Moritz entdeckte Mitte der 1980er ihre Liebe zur „Black Music“: „Das war eine Lebenseins­tellung, zu anderen Sachen zu tanzen als die anderen“, erinnert sie sich. Als „Soul Step“-DJ brachte sie ab 1986 selbst die Leute zum Tanzen. Das kam so gut an, dass sie und ihre beiden Mitstreite­r bald im „Kasch“auflegen durften. Für sie eine große

Ehre - denn das „Kasch“war zusammen mit dem „Würfel“im Heckert-Gebiet so etwas wie die Spitze der Jugendclub­s. „Der Würfel und das Kasch waren so elitär, dass man stolz war, reinzukomm­en.“

Das „Kasch“sei schon alleine wegen der Gäste interessan­t gewesen. Abiturient­en tummelten sich neben freien Künstlern und Models, es herrschten besondere Kleidungs- und Tanz-Stile. „Keiner hat aktuelle DDR-Klamotten getragen“, sagt Patricia Holland Moritz. „Entweder man zog alte Sakkos oder Kleider von den Eltern an, oder man strickte die Kleidung selber.“Auch Jungs hätten zu der Zeit gestrickt - und zwar direkt vor Ort im Jugendclub.

Neben der Kleidung war der Tanzstil im „Kasch“besonders wichtig. Die Jugendlich­en imitierten die Bewegungen von Madonna oder Depeche Mode. „Man hätte nirgends einen Discofox gesehen. Wer so tanzte, war ein ‚Stino‘ (Stinknorma­ler, d.Red.).“Auch nicht ganz unwichtig war der Alkohol: Wodka-Cola, Weinbrand-Cola und Wermut waren angesagt. Nicht selten schliefen Betrunkene in der Ecke ein - oder fuhren noch im Auto nach Hause. Denn ins „Kasch“kamen auch viele Jugendlich­e von weit außerhalb des Flemmingge­biets. „An so einem Abend war Karl-MarxStadt eine große Stadt“, sagt Patricia Holland Moritz.

Ende der 80er wurde das „Kasch“zu einer Anlaufstel­le für die Umbruch-Musik der „anderen Bands“- moderne Musik mit systemkrit­ischen Texten. Es ging rauer und rockiger zu als in anderen Jugendclub­s. Kurz nach der Wende schloss das „Kasch“. Das Gebäude in der Albert-Schweitzer-Straße 60 steht bis heute leer.

 ??  ?? Das „Soul Step“-DJ-Trio (v.l.): Dirk „Lämmi“Kohl, Patricia „Patty“Holland-Moritz und Sven „Straubi“Straube.
Heutzutage lebt Patricia Holland Moritz in Berlin und schreibt Bücher - auch über Chemnitz.
Hat die DJ-Pose immer
noch drauf: Patricia Holland Moritz (53) rockt
ihr Badezimmer.
Patricia Holland Moritz legte
mit ihrer Diskothek „Soul Step“Ende der 80er-Jahre im
„Kasch“auf.
So sah es kurz vor der Wende im „Kasch“aus.
Das „Soul Step“-DJ-Trio (v.l.): Dirk „Lämmi“Kohl, Patricia „Patty“Holland-Moritz und Sven „Straubi“Straube. Heutzutage lebt Patricia Holland Moritz in Berlin und schreibt Bücher - auch über Chemnitz. Hat die DJ-Pose immer noch drauf: Patricia Holland Moritz (53) rockt ihr Badezimmer. Patricia Holland Moritz legte mit ihrer Diskothek „Soul Step“Ende der 80er-Jahre im „Kasch“auf. So sah es kurz vor der Wende im „Kasch“aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany