Mancini & Vialli: Therapie als Titelfaktor
LONDON - In ihrer fast 40 Jahre währenden Männerfreundschaft haben Roberto Mancini und Gianluca Vialli zusammen viel durchgestanden und erreicht.
Das gemeinsame Buch der einstigen „Gemelli del Gol“, der Tor-Zwillinge, ist da zwar nur eine Randnotiz. Doch in „La bella stagione“(Die schöne Saison) beschreiben sie den Geist von Sampdorias Meistermannschaft von 1991 mit Worten, die eins zu eins auch auf die aktuelle italienische Nationalmannschaft zutreffen. „Eine Mannschaft aus Freunden, die Knochen, Schweiß,
Blut und Mühe investiert haben“, steht dort geschrieben, „um - jeder, so gut er konnte - eine Mission, ein Unterfangen zu stemmen: das Unmögliche möglich machen, den Status quo herausfordern und schlagen.“Genau so ist Italien bei der EM auch bis ins Finale morgen gegen England gestürmt. Das besondere Verhältnis von Cheftrainer Mancini und seinem Assistenten Vialli ist einer der Gründe dafür.
„Unsere Beziehung geht weit über Freundschaft hinaus“, sagt
Mancini: „Er ist wie ein Bruder für mich.“Daher war es ihm auch ein besonderes Anliegen, Vialli Ende 2019 als Delegationsleiter zur Squadra Azzurra zu holen. Niemand sprach es offen aus, aber es war auch eine Gefälligkeit, eine Art Therapie. Vialli hatte ein Jahr zuvor die Schock-Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhalten.
Viallis Arbeit im Nationalteam ist längst mehr als nur ein Gnadenbrot. Als Motivator und Ratgeber vor allem für die Talente im Team hat der frühere Torschützenkönig der Serie A seinen Anteil am Triumphzug. Vialli gilt medizinisch zwar als krebsfrei, aber er selbst fühlt anders. „Der Krebs ist ein unerwünschter Reisebegleiter, der einfach zu mir in den Zug gestiegen ist“, beschreibt es der Glatzkopf. Er müsse „mit gesenktem Kopf weiterfahren“und könne nur hoffen, „dass dieser ungebetene Gast eines Tages müde wird und mich einfach verlässt“. Bis dahin heißt es kämpfen, „denn es gibt noch so viele Dinge in diesem Leben, die ich schaffen möchte“.
Europameister werden zum Beispiel. Morgen hat er die Chance dazu - dank Mancini.