England in Tränen! Wieder Elfer-Drama um Southgate
BURTON UPON TRENT Gareth Southgate sah auch gestern noch aus wie ein trauriger Mann. Völlig übermüdet und schwer gezeichnet vom schmerzhaften K.o. im EM-Finale hockte Englands Nationaltrainer auf seinem
Stuhl. Der 50-Jährige sagte mit leiser Stimme:
„Es fühlt sich immer noch an, als hätte man mir die Eingeweide rausgerissen.“
Southgate saß mit hängenden Schultern im englischen EM-Lager in Burton upon Trent. Wieder mal hatten den Engländern vom Punkt die Nerven versagt, wieder mal versinkt eine leidgeprüfte Fußball-Nation in kollektiver Trauer. „Das Land in Tränen nach dem nächsten Strafstoß-Fiasko“, schrieb etwa die „Daily Mail“. Aber wieso diesmal? Southgate konnte und wollte darauf keine Antwort geben. „Ich brauche Zeit, um das alles zu reflektieren“, sagte der bitter enttäuschte Ex-Profi. „Ich brauche eine Pause. Es gibt viel, worüber ich nachdenken muss.“
Es ist fast schon bizarr, auf welche tragische Art und Weise sich die Geschichte für den früheren Verteidiger wiederholt. Vor 25 Jahren war es Southgate, der mit seinem Fehlschuss im EM-Halbfinale gegen Deutschland vor über 70 000 bangenden Zuschauern im Wembley-Stadion Englands Traum vom Heim-Titel beendete. Am Sonntagabend und an gleicher
Stelle war es Southgate, der die Elfmeterschützen der Three Lions bestimmte. Die am Ende der Verlängerung eingewechselten Marcus Rashford und Jadon Sancho, zudem Bukayo Saka scheiterten: Ein 23-Jähriger, ein 21-Jähriger und ein 19-Jähriger.
„Du triffst Hunderte Entscheidungen während einer Woche, während eines Turniers sogar noch mehr. Du triffst sie nicht alle richtig. Aber du musst mehr richtig machen als falsch“, sagte Southgate. „Falls ich falsche Entscheidungen getroffen habe, muss ich damit leben.“Seine Spieler um den in der Wembley-Nacht bitterlich weinenden Noch-Dortmunder Sancho nahm der Coach erneut in Schutz. „Es war meine Entscheidung, wer die Elfmeter schießt, von niemandem sonst. Ich übernehme die Verantwortung“, betonte er.
England und sein Elfmeter-Trauma, das ist eine wohl niemals endende Schreckensgeschichte. Im neunten Anlauf bei einem großen Turnier kassierten die Three Lions ihre siebte Niederlage vom Punkt.